Walled Gardens als idyllische Content-Inseln im Netz? (via Flickr.com / highlights6)

Wie wir vom Open Web zum geschlossenen Messenger kamen

Julia Anna Moor
Wandel in Kommunikation und Marketing
3 min readDec 1, 2016

--

Das Internet hat sich in seiner relativ kurzen Geschichte stark gewandelt. Heute stehen wir vor der Frage, ob wir in Zukunft weiterhin ein “open web” haben werden, wie wir es bisher kennen, oder ob sich das Internet mehr und mehr zu einem “closed web” — auch “walled garden” genannt — entwickelt. Wenige Online-Unternehmen wie Facebook, Google, Amazon und Apple teilen den Markt untereinander auf. Mit der “Integration” vieler verschiedener Services zeichnet sich ein Trend ab, der dazu führt, dass wir das Internet in Zukunft vielleicht nur noch innerhalb bestimmter Plattformen erleben.

Im Bereich Onlineshopping erleben wir bereits heute, dass man Artikel meist sofort bei Amazon sucht, statt sich zuerst nach einem passenden Online-Shop umzusehen. Durch seine Marktmacht kann Amazon die Preise kleinerer Anbieter schlagen und mit Hilfe einer Prime-Mitgliedschaft erhält man seine Pakete sogar gleich am nächsten Morgen. Aufgrund dieser positiven Einkaufserfahrung greift man beim nächsten Mal wieder auf Amazon zurück — wodurch der Effekt noch verstärkt wird.

Apps sind ein weiteres Merkmal dieser Entwicklung. Innerhalb von Apps wird es Benutzern sehr einfach gemacht, bestimmte Inhalte zu finden. Allerdings werden die Inhalte meistens auch von den Anbietern der App angeboten, womit die Freiheit des Benutzers wiederum eingeschränkt wird. Doch viele Nutzer wenden sich wieder von Apps ab oder überlegen sich, ob sie diese überhaupt installieren. Dadurch stehen Kommunikationsexperten vor der Herausforderung, viele verschiedene Kanäle bespielen zu müssen, um ihre Zielgruppen zu erreichen. Meistens wandern die User von bestimmten Plattformen ab und die PR zieht nach, um die neuen Entwicklungen für sich zu nutzen.

Was macht Messenger so attraktiv?

Vor allem jüngere Nutzer wenden sich von großen Plattformen wie Facebook ab: Sie kommunizieren lieber über Messenger miteinander. Heute sind WhatsApp und Facebook Messenger in Europa und den USA Marktführer, während Anbieter wie Telegram, Line und Viber in anderen Ländern häufiger vorkommen.

Messenger sind deshalb so beliebt, weil sie Kommunikation ohne große Umschweife ermöglichen: Der Benutzer muss kein Profil pflegen, Freundeslisten verwalten oder sich die Updates anderer Benutzer ansehen. Dieser “Verwaltungsaufwand”, wie man ihn von Netzwerken wie Facebook oder LinkedIn kennt, entfällt. Die Kommunikation ist unmittelbar; die Nachrichten des Gesprächspartners können beantwortet werden, ohne Logins als Zwischenschritt oder andere ablenkende Inhalte. Da Messenger sparsam mit dem Datenvolumen des Nutzers umgehen, sind die Kosten auch relativ überschaubar. Während man früher bis zu 20 Cent pro SMS bezahlen musste, sorgen Messenger dafür, dass auch lange Texte oder Bild-, Ton- und Videodateien automatisch in komprimierter Form versendet werden. Aus diesen Gründen ist die Kommunikation über Messenger für User viel einfacher und persönlicher. Sie stellt einen privaten Raum her, in dem Freundschaften und Beziehungen gepflegt werden.

Aus PR-Perspektive eröffnet die Kommunikation über Messenger viele Möglichkeiten. Man hat als Unternehmen oder Marke viel gewonnen, wenn ein Nutzer einem den Weg in “seinen” Messenger erlaubt: Dadurch wird ein Vertrauensvorschuss erwiesen, den es zu nutzen gilt: Innerhalb des Messengers besteht die Möglichkeit, direkt und zwanglos mit Kunden zu kommunizieren. Durch die besondere “Privatsphäre”, die ein Messenger mit sich bringt, und die persönliche Note der Kommunikation kann schnell eine emotionale Bindung zu einer Marke aufgebaut werden. Der Messenger ist aber in beide Richtungen geöffnet: Ein Kunde kann jederzeit eine Anfrage oder Rückmeldung an das Unternehmen schicken. Während Kunden am Telefon schnell ungeduldig werden, weil sie in einer Warteschleife hängen, kann ein Unternehmen sich im Messenger ein wenig Zeit nehmen, um den Kontext der Rückmeldung nachzuvollziehen und dann mit einer guten Lösung beim Kunden zu punkten.

Wie geht es weiter?

In Europa und Nordamerika ist die Nutzung von Messenger-Kommunikation ein noch relativ neues Feld. Dagegen ist man in China schon viel weiter. Dort hat fast jedes Unternehmen ein WeChat-Profil, das eine höhere Relevanz als die Unternehmenswebseite hat. Viele alltägliche Angelegenheiten wie eine Pizzabestellung, Shopping oder Banküberweisungen werden über WeChat durchgeführt. Das ist für die User bequem. Mit einem “open web” hat es allerdings nichts zu tun: Die App wird nicht mehr verlassen und die Überwachungsmöglichkeiten sind beängstigend. Es lohnt sich dennoch, die Entwicklung der Messenger in Asien nachzuvollziehen und zukünftig weiter zu beobachten. Denn insbesondere durch Öffnung des Facebook Messengers für automatisierte Chatbots werden auch bei uns Messenger-Kanäle zu Orten, an denen Unternehmen auf Kunden treffen.

--

--

Julia Anna Moor
Wandel in Kommunikation und Marketing

Masterstudentin im Fach Medienenwicklung an der Hochschule Darmstadt. Interessiert an PR, Journalismus, Technologie und Gesundheitsthemen.