Wöchentliche ESG-Dosis — Im selbstverschuldeten Dilemma

Nicolas Schild
Weekly Dose of ESG
Published in
3 min readSep 10, 2021

Im selbstverschuldeten Dilemma

Freitag, 10. September 2021

Bild: Janson Karikatur

Was ist passiert?

Eine Rallye der Erdgas- und Strompreise hat den europäischen Kontinent erfasst — kurzfristige Spotmärkte auf einem Allzeithoch, Verdoppelung des Großhandelsstrompreises seit Anfang 2021 und Gas handelt teurer als Rohöl (über die geopolitischen Kämpfe mit Russland mögen einige von uns gelesen haben). Solche Rallyes können vorkommen und sind nichts Ungewöhnliches — eher verblüffend ist die Tatsache, dass wir mitten im Sommer sind, wo der Stromverbrauch seinen Jahrestiefststand erreichen sollte. Und die Auswirkungen solcher Preiswettrennen begrenzen sich nicht nur auf den Profit einiger Rohstoffhandelsunternehmen– diese antizyklische Entwicklung wird sich schließlich in unserer Nebenkostenrechnung widerspiegeln, wobei Citigroup einen Anstieg von bis zu 20% vorhersagt. Im Angesicht der Tatsache, dass sich viele Haushalte immer noch von den finanziellen Strapazen der Pandemie am Erholen sind, stellt sich die Frage: Wie kam es überhaupt so weit?

Warum ist das passiert?

Die Antwort auf diese Frage ist ein ironischer Weckruf voller Komplexität. Abgesehen von den zu erwartenden jahreszeitlichen Schwankungen der verschiedenen Stromquellen, führte die geringer als erwartete Windstromerzeugung (einfach weil … nun … der Wind nicht wehte) zu einem Bedarf an einer kurzfristigen alternativen Energieversorgung — Öl und Gas boten eine einfache Lösung. Gleichzeitig spürten viele Unternehmen die „Nebenwirkungen“ der CO2-Bepreisung — während in der Vergangenheit Energieunternehmen zwischen Gas und Kohle wechselten, um die Preise auf einem bestimmten Niveau zu halten, bedeuteten ein Anstieg der CO2-Preise und Ausstiege aus der Kohlekraft in mehreren Ländern, dass dies keine Option mehr war. Die Kombination aus diesen beiden Tatsachen weisen auf die herausfordernde Zukunft für erneuerbare Energien hin, in der viele ihre Zuverlässigkeit in Zeiten beispielloser Wetterphänomene und zunehmender Naturkatastrophen in Frage stellen.

Wo bleibt denn die Atomkraft? Diese wäre mit Sicherheit eine „sauberere“, stabilere Energiequelle, um kurzfristige Nachfrage- und Angebotsschwankungen auszugleichen, oder nicht? Das stimmt, wenn da nicht die flächendeckende Atomausstiegsbewegung wäre, die die Konsequenz aus jahrelangem, ineffizienten Energiemanagement verkörpert. Und in Zeiten, in denen jede Europäische Nation damit beschäftigt ist, möglichst schnell aus der Atomenergie auszusteigen, kam die Diskussion um eine alternative Energieversorgung nur zu einem (ernüchternden) Resultat: Der Bau neuer Kohlekraftwerke. Naja…

Was ist die Moral hier?

Um die ganze Situation zusammenzufassen: Wir befinden uns also in einem selbstverschuldeten Dilemma — wir bepreisen Kohlestoffemissionen und protestieren für erneuerbare Energiequellen, realisieren aber nicht, dass diese den Energiebedarf ganzer Nationen noch nicht decken können. Mit dem Ausstieg aus der „gefährlichen“ Kernenergie haben die Energieunternehmen keine andere Wahl, als auf Öl und Gas zurückzugreifen, was zu oben genannten Preissteigerungen und offensichtlichen Konsequenzen für die Umwelt führt. In dieser fragilen Debatte, in der viele unterschiedliche Ansichten, Meinungen und Ideologien aufeinanderprallen, finden wir erneut Zuflucht in der Sphäre der wissenschaftlichen Tatsachen. In Zeiten des rapiden technologischen Fortschritts weisen die neuesten Zahlen zum Energieverbrauch und Forschung rund um Strom auf eine Zukunft hin, in der erneuerbare Energien und Kernkraft Hand in Hand arbeiten, um den weltweiten Energiebedarf zu decken. Während die Umweltverträglichkeit erneuerbarer Energien unbestreitbar ist, ist die Kernenergie bei weitem der effizienteste, sicherste und sauberste Partner, um die Gesamtversorgung auszugleichen — und Verbesserungen in den besorgniserregenden Bereichen (Sicherheit, Abfall) werden mit den jüngsten Fortschritten in der thermonuklearen Technologie vorangetrieben. Letztlich stehen wir vor der Wahl zwischen einer Kombination aus erneuerbaren Energien und Atomkraft, oder einer Kombination aus Öl und Gas — da braucht man nicht lange überlegen.

Wir wünschen ein energiegeladenes Wochenende!

Paula & Nicolas

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