Die besten Geschichten brauchen Zeit

JaciWinkler
#wegoyugo jpr13
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4 min readNov 10, 2015

Die Slowenin Meta Krese arbeitet seit Jahren als Fotografin und Journalistin. In Ljubljana gibt sie einen sehr persönlichen und ehrlichen Einblick in ihre Arbeit. Zu einem persönlichen Anliegen ist mittlerweile auch ihr neuestes Projekt “Welcome to Europe” geworden.

Von Camilla Annabith und Jacqueline Winkler

Mitten in einem Wohnviertel in Ljubljana, zwischen Einfamilienhäusern und Vorgärten steht die Visoka šola za storitve (VIST). Im Inneren des Hauses sind die Wände gepflastert mit Fotos. Ein dunkles Gesicht blickt, umrahmt von weißem Schaum, aus einer Badewanne in den Raum, eine Bildfolge zeigt eine Frau beim herzhaften Niesen. Auch auf den quer im Raum verteilten Tischen neben gemütlichen Sofas liegen Alben, die mit Fotos gefüllt sind. Es sind Projekte der Studenten, die hier an der VIST ihre Ausbildung absolvieren. Ob sie sich in die Richtungen künstlerischer, kommerzieller oder journalistischer Fotografie vertiefen möchten, steht ihnen offen. “Die Meisten hier zieht es aber in die Kunst”, bedauert Meta Krese, die hier Fotojournalismus unterrichtet.

Ⓒ Boris Böttger

Schon seit vielen Jahren ist sie selbst als Fotografin und Journalistin tätig. Die Geschichten der Menschen zu erzählen, die sie trifft, ist für sie schon fast zwanghaft geworden. Allerdings sei es heute schwierig, sich in diesem Berufsfeld noch finanziell über Wasser zu halten. Dass sich mitunter deshalb immer weniger junge Menschen für Fotografie zu interessieren scheinen, findet sie sehr schade. Im ersten Jahr des Studiengangs gab es noch 45 Studenten in einem Jahrgang, mittlerweile sind es nur mehr um die 18.

„Guter Fotojournalismus bedeutet, sich für eine Geschichte Zeit zu nehmen, viel Zeit“, erklärt Meta Krese. Leider sei das heutzutage schwierig geworden, denn Zeitungen und Magazine, die früher noch für sämtliche Unkosten von Reisen aufkamen, wollen sich das nun nicht mehr leisten. Als Krese 2001 und auch 2006 für eine Fotostory nach Gaza reiste, da hätte der Auftraggeber alles bezahlt. Heute ist eine Story, für die sie 14 Tage Arbeit investiert hat, gerade einmal 280€ wert. Nur gut, dass der finanzielle Aspekt ihr nicht so wichtig ist. „Das Geld interessiert mich nicht so sehr. Viel wichtiger ist, dass die Menschen in Slowenien die Dinge sehen, die ich auch sehe.“

Ⓒ Boris Böttger

Meta Krese legt den Fokus ihrer Geschichten zumeist auf Menschen. Sie stehen im Mittelpunkt, auf sie konzentriert sie sich. Bewusstsein für deren Situation zu schaffen und Dinge zu verändern ist ihr Ziel. So auch bei ihrem neuesten Projekt. Zu Anfangs noch „Walls of the World“ genannt, wollte sie mit ihrem Team nach Bangladesch, in den Gaza Streifen und zu anderen Mauern in der modernen Welt reisen und das Leben dort dokumentieren. Doch dann kam die Flüchtlingskrise. Und Krese konnte nicht einfach nur dabei zusehen, was in ihrem eigenen Land geschieht: „Ich bin keine Ärztin, ich kann diesen Menschen keine Häuser bauen. Das Einzige, das ich kann, ist darüber zu berichten.“ Also änderte sie den ursprünglichen Plan und begann, gemeinsam mit einem Filmteam rund um ihren Neffen Jakob Weidner, Flüchtlinge auf ihrer Reise zu begleiten. Es ist ihr vor allem wichtig zu zeigen, wieso diese Menschen ihre Heimat verlassen und wie sich der lange Weg nach Europa für sie gestaltet. Das Projekt geht ihr sichtlich nahe. Mit vielen Flüchtlingen, die sie gefilmt haben, steht sie noch in persönlichem Kontakt, verfolgt, wie es ihnen in ihrem neuen Leben ergeht. „Natürlich sind ihre Geschichten schrecklich“, sagt sie.

Ⓒ Boris Böttger

Momente der Hoffnung gibt es aber trotzdem. Manche der Geschichten haben auch ein gutes Ende. Wie die eines 15-jährigen Afghanen, der allein floh und nun in Schweden schon die Schule besucht. Der Trailer zu „Welcome to Europe“ — wie der neue Name des Projekts lautet — den sie wenig später zeigt, ist brutal und einfühlsam zugleich, und lässt die Zuseher in betroffenes Schweigen verfallen. Jeder scheint den eigenen Gedanken nachzuhängen, versucht zu begreifen, was man gerade gesehen hat. „Die Arbeit an solchen Geschichten ist niemals leicht”, meint Meta Krese mit brüchiger Stimme. Wie schafft sie es also, professionelle Distanz zu halten, sich nicht zu sehr hineinziehen zu lassen? Gar nicht. Es wäre zwar einfacher, wenn man sich manchmal emotional von der Arbeit distanzieren könnte, sie bringe das aber nicht übers Herz.

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JaciWinkler
#wegoyugo jpr13

studiert Journalismus und PR, begeisterte Hobbybäckerin und Schokoholic