Jemen: Letzte Chance
Das UN World Food Programme (WFP) ist bereit, die Hälfte der jemenitischen Bevölkerung zu unterstützen, da der Hunger im Land weiter zu explodieren droht.
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WFP warnt ausdrücklich: „Die Gewalt muss jetzt aufhören, damit der Jemen eine Chance hat, vom Rande des Abgrunds zu entkommen. Wenn das nicht geschieht, wird der Jemen ein Land der lebenden Geister mit Menschen aus Haut und Knochen.”
„Humanitäre Helfer können nur begrenzt arbeiten: Niemand wird von unerbittlichen Bombenangriffen und skrupellosen Kriegstaktiken verschont”, fügte WFP hinzu. Diese Woche ist auch WFP-Exekutivdirektor David Beasley vor Ort.
Drei Jahre Konflikt, der wirtschaftliche Zusammenbruch, die steigenden Preise und zerstörte Lieferketten treiben immer mehr Jemeniten in den Hunger.
Es gibt eine international anerkannte Methode, um den Hunger zu messen, die sogenannte Integrated Phase Classification (IPC). Derzeit befinden sich fast 8 Millionen Menschen auf der vorletzten Stufe — im „Notfall“. Schlimmer ist nur noch die Stufe „Hungersnot”. Die nächste Analyse aus dem Jemen soll noch diesen Monat veröffentlicht werden und zeigt aller Voraussicht nach, dass die Zahlen auf bis zu 14 Millionen Menschen angestiegen sind. Das ist die Hälfte der jemenitischen Bevölkerung.
Fast zwei Millionen Kinder sind akut mangelernährt. Das macht sie anfälliger für Krankheiten. In vielen Krankenhäusern trifft WFP auf Kinder, die fast zu schwach zum Atmen sind. Ohne Sofortmaßnahmen ist eine ganze Generation gefährdet.
Da zu erwarten ist, dass der Hunger dramatisch ansteigt, bringt sich WFP aktuell in Stellung, um bei Bedarf bis zu 14 Millionen Menschen zu helfen.
Dazu benötigt WFP sicheren, sofortigen und ungehinderten Zugang, um Nahrungsmittel und andere überlebenswichtige Hilfsgüter zu den Menschen in Not zu bringen. Schwere Gefechte in und um die Hafenstadt Hodeidah haben zu erheblichen Verzögerungen bei der Ankunft von Hilfsgütern und kommerziellen Ware geführt. Rund 70 Prozent der Importe des Jemens werden über diesen Hafen abgewickelt. Die Nahrungsmittelpreise sind durch die Engpässe stark angestiegen und für viele Familien nicht leistbar.
Während seines Besuchs in Hodeidah forderte der WFP-Exekutivdirektor alle Konfliktparteien auf, den Hafen zu verschonen. “Hodeidah ist die Lebensader des Jemens. Die Stadt muss verschont bleiben, damit wir überlebenswichtige Hilfsgüter, Nahrungsmittel und Treibstoff ins Land bringen können,” sagte er.
WFP unterstützt auch die Forderungen der jemenitischen Zentralbank. Diese hat Notfallmaßnahmen durch internationale Finanzinstitutionen — etwa dem Internationalen Währungsfonds — gefordert, um die Preise zu stabilisieren. Drei von vier Menschen im Land können sich selbst einfachste Waren nicht leisten.
Der Beamte und dreifache Vater Walid ist einer von ihnen. Er und seine Familie können sich die Miete und auch nicht genügend Essen leisten. Sie sind auf die Hilfe anderer angewiesen: Der Vermieter verzichtet auf die Miete, die Nachbarn bringen ihnen täglich Brot und WFP monatlich Notrationen.
„Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme und sehe, dass die Kinder schlafen, sage ich zu mir selbst: ‚Lass sie weiterschlafen‘. Ich wecke sie nie auf. Wenn ich sie aufwecken würde, würden sie mir sagen, dass sie Abendessen wollen“, sagt er.
Seine Worte spiegeln die Situation von über 1,2 Millionen Beamten im Jemen wieder. Sie haben seit mehr als zwei Jahren kein Gehalt mehr bekommen. Für sie und Millionen andere im Land läuft die Zeit davon.