Mehr Raum für deine Ideen

Wie ein gut eingerichteter Raum deiner Effektivität und Kreativität auf die Sprünge hilft und was du bei der Gestaltung beachten solltest.

XO-Stories
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7 min readMay 3, 2019

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I m Studium habe ich gelernt: Architekten und Industriedesigner mögen sich einfach nicht. Denn sie haben zwei unterschiedliche Herangehensweisen an Raumdesign. Jedoch beide im Auftrag der Effektivität und Kreativität. Lassen wir also die Rivalität beiseite und schauen uns an, wie das geht.

Wie sieht ein auf Kreativität und Effektivität getrimmter Raum aus?

Unser Workshopraum in Hamburg-Ottensen, der noch schöner werden soll

Eine meiner Aufgaben bei X-O Projects ist es, unseren Workshopraum zu optimieren. Während der Recherche bin ich auf einige interessante Publikationen, Personen und Produkte gestoßen. Vielleicht kann dieser Artikel dich dazu anregen zu überlegen, welche Elemente du verändern und verbessern könntest, damit du effektiver und kreativer arbeiten kannst.

Schritt 1: Nutzerrecherche

Am Anfang steht der Nutzer und seine Gewohnheiten.
Wer nutzt meinen Raum? Und wofür wird der Raum überhaupt gebraucht? Wenn er nicht nur von dir genutzt wird, solltest du auf die Bedürfnisse und Probleme der anderen Nutzer eingehen und Interviews führen. Ein Beispiel: Häufig habe ich gelesen, dass runde Tische für Workshopräume besser sind, um eine Hierarchiebildung zu verhindern. Mein Team hat dies beispielsweise nicht so gesehen. Hätte ich das nicht geklärt, würden wir jetzt vermutlich unglücklich an — für unser Umfeld sehr unpraktischen, aber laut dem Internet super praktischen — runden Tischen sitzen. Hilfreich war für das Erstellen der Interviews folgender Artikel von Dan Nessler.

Wichtigste Überlegung: Was sind wirklich Probleme deiner Nutzer? Und bei welchen Aspekten würdest du eher eine Lösung für deine Ansichten finden, anstatt das wahre Problem anzupacken?

Als Zusammenfassung der Recherche solltest du die drei zentralen Aufgaben (aus Sicht des Teams) des neuen Raumes festhalten.

Schritt 2: Inspiration

“We want our teams to get up and try stuff, not sit around and talk in long meetings, so we make seating uncomfortable and the tables too small.”

— Kembel, George (2012): Make Space: How to Set the Stage for Creative Collaboration

In meiner Recherche bin ich auf einige Produzenten gestoßen, die besondere Produktlinien für agiles Arbeiten oder Design Thinking produzieren. Bei PIXEL by bene handelt es sich um ein modulares Büromöbelsystem, welches als Sitz- und Stehtisch, Bank, Tribüne, Hocker — aber auch als Bar oder DJ-Pult funktioniert. Eine Kollegin und ich haben diese Elemente bereits auf dem Tchibo Hackathon testen können und waren begeistert.

Auch die Berliner Firma System180 hat sowohl eine Möbelserie für Design Thinking — entwickelt mit der School of Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut in Babelsberg — als auch Elemente für agiles Arbeiten. Zufällig habe ich bei dieser Recherche auch eine interessante Methode entdeckt:

Überlege dir, welche “Work Spaces” du hast.

Die typischen sind laut System180 ein Team Space, Share Space, Make Space und ein Network Space. Der Team Space bietet hierbei eine Basis für Teamarbeit, dein Share Space sollte eine Präsentationsfläche bereitstellen und euch als Team helfen, voneinander zu lernen, um das erlernte Wissen sofort in neue Projekte zu übersetzen. Dein Make Space ist dein Platz, an dem du mit verschiedenen verfügbaren Materialien erste Prototypen erstellen kannst, um deine Ideen zu unterstützen. Und dein Network Space sollte eine lockere Atmosphäre bieten, bei der du aber auch auf Ideen kommen kannst.

Obwohl er so heißt, wird unser Workshopraum nicht nur für Workshops verwendet. Sondern auch für Events, wie unser Campfire On Mars oder HackFast, Mittagslunches, externe Vermietungen sowie für unser internes Yoga. Damit haben wir eine ganze Menge an Anwendungsfeldern, wofür dieser Raum mit verschiedenen Personen funktionieren muss.
Aus diesem Grund habe ich versucht, unsere Anwendungsfelder in Spaces einzuteilen. Neben den oben genannten besitzen wir z.B. auch noch einen “Relax-Space” beim Yoga, bei welchem wir v.a. viel freien Platz brauchen. Also brauchen wir auch eine Möglichkeit, die Möbel und das Zubehör einfach wegzuräumen.

Schritt 3: Eingrenzung und Ideenfindung

“When people become glued to a particular place, their perspective stays glued, too. Put things on wheels, or having rotating desks allows people to meet new coworkers and invites collaboration. […]”

— Xin Xin: 13 Ways to Make Your Workspace More Creative

Standing Table von StudioTools

Viele Produzenten machen die Elemente ihrer agilen Möbel rollbar. Auch wir haben darüber geredet, ob wir das möchten. Natürlich ist dies hilfreich, aber es ist natürlich auch ein Zubehör, das schnell kaputt gehen könnte. Wäge einfach ab, wie oft du in deinem Raum verschiedene Anwendungsfelder hast und, ob du diese Flexibilität wirklich brauchst. Oder ob es reicht, wenn zwei Personen den Tisch dann doch einfach anheben und durch den Raum tragen.

“When there are creative tools in the main space, more stuff gets made. Don’t silo the maker space. Out of sight, out of mind. In sight, in practice.”

Clark Scheffy

Lochplattenkombination von IKEA

Aus den Augen, aus dem Sinn. Das kennt wahrscheinlich jeder. Aus diesem Grund möchten wir bei X-O für unseren “Make Space” Lochplatten anbringen, gefüllt mit verschiedenen Materialien, von Post-Its, über Zeitschriften, Washi-Tape, bis hin zum Müsliriegel, wenn man mal einen Zuckerkick braucht, um auf die nächste Idee zu kommen.

Diese Lochplatten und ihre Bestandteile sollen auch die Teilnehmer der Workshops in eine kreative Produktivität bringen — umgeben von kreativen und lustigen Bestandteilen kommt man häufig doch eher auf eine Idee, an die man noch gar nicht gedacht hat.

Schritt 4: Prototyping

Doch wie visualisiert man das alles nun schnell und erlebbar für das Team? Einen Prototypen für einen Raum baut man schließlich nicht so schnell, wie einen Prototypen für ein doch etwas handlicheres Produkt. Meine Empfehlung: Die Prototyping Software Rhino. Mit dieser habe ich schon im Studium Erfahrungen gesammelt. Auch, wenn sie vorrangig für digitale(s) Objektprototyping und -modellierung geeignet ist, fand ich, dass sie auch für den Aufbau von Räumen ganz gut funktioniert.

Modellierung einer Team Space Möglichkeit für unseren Workshopraum in Rhino, Das Rendering und eine Walkthrough Visualisierung erfolgte über Modelo.

Und um kostenintensive Rendering Softwares mit störenden Wasserzeichen zu umgehen, habe ich die Software Modelo verwendet. Diese unterstützt eine Vielzahl an 3D-Dateiformaten und rendert die Projekte sehr schnell. Modelo bietet — auch in der eingeschränkten kostenlosen Version — die Möglichkeit sogenannte Walkthroughs zu konzipieren. Dies erstellt eine Animation mit maximal drei Zwischenstopps, in der man erleben kann, wie sich der Raum anfühlen würde. Die 3D-Visualisierung, inklusive des Walkthroughs kann mit den Teammitgliedern geteilt werden, wodurch man den Raum bei der nächsten Besprechung direkt vor sich hat. Die kostenlose Version bietet natürlich nicht alle Funktionen, so sind geteilte Links beispielsweise nur einen Tag verfügbar, für ein Ausprobieren und Herumspielen mit dem Tool reicht es aber auf jeden Fall. Die Modelle können auch für eine VR Tour des eigenen Raumes für das Google Cardboard exportiert werden. So kann natürlich viel schneller und einfacher ausprobiert werden, wie die Raumwirkung wirklich ist.

Schritt 5: Funktionscheck

Im Campfire on Mars Mission #11 zum Thema “Design Regeln und Regelbrüche“ hat unser Experte Kim Marc Bobsin über Raumwirkungen gesprochen und uns am Ende eine Checkliste mitgegeben. Damit kannst du dir eine Reihe von Fragen stellen, mit der du in Zukunft Räume bewusster wahrnimmst und die du noch einmal zu Rate ziehen kannst, bevor du deinen Prototypen in den Test gibst:

  • Unterstützt die Gestaltung die Funktion des Raumes?
  • Welche Aussage hat der Raum?
  • Spricht der Raum mich emotional an?
  • Welche Rolle spielt das Licht im Raum?
  • Harmonieren Möbel und Raum?

Schritt 6: Umsetzung

Auch wenn ich hier inspirierende, käufliche Linien und Möbelsysteme vorgestellt habe, sind wir der Meinung, dass man mit Do It Yourself auch viel erreichen kann. Wir selbst kombinieren fertige und selbstgefertigte Bauelemente und Möbel. So haben wir bei dem Event mit Kim Marc Bobsin eine Reihe “Berliner Hocker” selbst gebaut, welche wir in unserem Workshopraum verwenden werden. Übernächste Woche folgt die “Lichtenberger Bar”, die man als Bar, Tisch und Raumtrenner verwenden kann.

Die wichtigsten Fragen auf einen Blick:

  • Für wen ist dein Arbeitsraum / Workshopraum überhaupt? Und möchtest du etwas umgestalten, weil du denkst, dass deine Nutzer es brauchen oder, weil sie es wirklich brauchen?
  • Welche verschiedenen Anwendungsfelder und Spaces hast du? Welche Flexibilität brauchst du? Welche Ideen gibt es schon, die dich inspirieren?
  • Hast du schon einmal Materialien und Möglichkeiten deines Raumes vergessen/übersehen? Wie kannst du sie für alle einfach sichtbar machen?
  • Du hast eine Idee, wie du den Raum ändern könntest, aber nicht wie du dein Team überzeugen sollst? Dann baue doch den Raum mit einem 3D-Tool auf und zeige die Vorteile mithilfe eines Walkthroughs.
  • Passt dein Erlebnis zur ursprünglichen Aufgabe des Raumes? Wird hier vielleicht nochmal eine Anpassung fällig?
  • Was ist schon vorhanden? Was musst du kaufen? Was kannst du selbst herstellen? Ein Möbel-DIY ist vielleicht auch eine Idee für deinen nächsten Team Tag.

Was ich aus dieser Aufgabe gelernt habe? Dass Räume mehr sind, als ich anfangs dachte. Und dass man beim Prozess der Raum(um)gestaltung ziemlich viel über Design Thinking lernt.

Schreib mir gern, was du mitgenommen hast und vielleicht gleich umsetzt. Und wenn du jetzt auf unseren Workshopraum gespannt bist und ihn für deine nächste Kreativsession nutzen willst, dann kannst du ihn gern mieten.

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Industriedesign Studentin aus Bayern, isst gerne Brezen, trinkt Maracujasaftschorlen und trägt Streifenshirts.