Holacracy als Katalysator für Potentialentfaltung
Warum haben wir uns eigentlich entschlossen, Holacracy bei uns zur Grundlage unserer Zusammenarbeit zu machen? Was hat den Ausschlag gegeben? Was waren die Hintergründe und Überlegungen dahinter? In diesem Beitrag wollen wir einige Antworten auf diese Fragen geben.
Der Anfang: Potenzialentfaltung funktioniert
Als wir Xpreneurs gründeten, war Potenzialentfaltung unser zentrales Thema. Unser Ziel war und ist, Unternehmen bei der Schaffung von Rahmenbedingungen zu unterstützen damit sich das Potenzial ihrer Mitarbeiter maximal und wirkungsvoll entfalten kann. Konkret heisst das, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Mitarbeitenden erlauben ihre grössten Talente und Stärken wirkungsvoll zum Einsatz zu bringen. Seit unserer Gründung 2014 konnten wir einige spannende Projekte bei Kunden absolvieren, in welchen es genau um dieses Thema ging.
Nach einigen Iterationen hatten wir einen Prozess entwickelt, der sehr wirkungsvoll war und für den wir auch viel positives Feedback erhielten. In unseren Workshops bekamen die Teilnehmer die Gelegenheit, in einem stufenweisen Prozess herauszufinden, was ihre natürlichen Talente und Stärken sind und wie sie auf deren Basis einen Beitrag in ihrem Team, in der Rolle als Führungskraft und für das Unternehmen als Ganzes leisten konnten. Dieser Bewusstwerdungsprozess war für viele ein Augenöffner. Die meisten von ihnen hatten sich noch nie so intensiv mit sich selbst und ihrer Persönlichkeit auseinandergesetzt. Und so konnten die meisten Teilnehmenden wertvolle Einsichten über sich selbst gewinnen, neue Seiten an sich entdecken, Themen aufarbeiten, die sie zum Teil seit vielen Jahren beschäftigt hatten und die ihnen immer wieder in die Quere gekommen waren. Die Teilnehmer erreichten ein sehr klares Bewusstsein dafür, was sie richtig gut können, welche Tätigkeiten ihnen Energie verleihen und und welche sie Energie kosten. Gewappnet mit diesem neuen Selbstbewusstsein gingen sie zurück in ihren Arbeitsalltag.
Häufige Gründe für fehlende Nachhaltigkeit
Nach einiger Zeit wurde uns in Reflexionen über unsere Kundenprojekte immer öfter schmerzlich bewusst, dass die Wirkung unserer Arbeit meist sehr lokal begrenzt war. Bei Individuen und auf Team-Ebene funktionierten unsere Prozesse zur Potentialentfaltung sehr zuverlässig. Doch bei den meisten Kunden stiessen wir auf ähnliche Herausforderungen : das Momentum flachte nach einigen Wochen oder Monaten wieder ab. Nur wenige schafften es, das Thema nachhaltig bei sich selber und in ihren Teams zu verankern und systematisch Personen im Bereich ihrer Stärken einzusetzen.
Eine interessante Erkenntnis für uns war, dass es oft nicht an mangelndem Interesse oder fehlender Initiative der Personen lag. Viele unternahmen ganz konkrete Aktionen, um die stärken-fokussierte Arbeit und Entwicklung in ihrem eigenen Arbeitsalltag zu verankern und ihre Teams systematisch in diese Richtung zu entwickeln.
Die Gründe dafür, dass die Energie oft nach einiger Zeit nachliess, waren oft subtil und nur schwer auszumachen. Wir sprachen mit vielen Menschen darüber, was Sie in ihrem Arbeitsalltag erlebten, was sie dabei unterstützte, ihre eigene Arbeit schrittweise stärken-fokussierter auszurichten und was sie in diesem Prozess hinderte. Die fördernden Faktoren waren Entscheidungs- und Gestaltungsfreiräume. Vorgesetzte, welche als Unterstützer agierten und sich selber aktiv mit dem Thema befassten. Die Hinderungsgründe waren zu viel Stress, keine Entwicklungsmöglichkeiten, Performance-Management-Prozesse, welche den Fokus auf Ausmerzung von Schwächen legten.
Management-Hierarchie als Sand im Getriebe
Nach vielen Gesprächen sind wir für uns zu einer Hypothese gekommen: der Grund warum Potenzialentfaltung in fast allen Organisationen an ein gläsernes Dach stösst, liegt nicht an den Menschen, sondern vielmehr an der Organisation selbst. Genau genommen an der konkreten Form und der Steuerungslogik der Organisation. Noch konkreter: das Übel liegt in der Management-Hierarchie.
Wir stellten fest, dass viele der Unternehmen versuchen, einen unmöglichen Spagat zu bewältigen: einerseits wünscht man sich pro-aktive, veränderungsoffene und unternehmerisch denkende Mitarbeiter, andererseits sollen Stabilität, Vorhersagbarkeit und Planbarkeit bestehen bleiben/herrschen.
Die Aufgabe des Managements war es seit je her, Prozesse und Abläufe zu planen, zu überwachen und zu steuern. Management ist dafür verantwortlich, die Zukunft auf Basis von Daten aus der Vergangenheit vorauszuplanen und die gefassten Ziele kontrolliert herbeizuführen. Während diese Aufgabe vor 100 Jahren noch sinnvoll und machbar erschienen sein mag, ist sie heute weitgehend unrealistisch. Warum das so ist, werden wir im Blog-Post von nächster Woche genauer unter die Lupe nehmen.
Alternativen gesucht!
Als sich diese Hypothese für uns immer klarer herauszubilden begann, fingen wir an, uns darüber Gedanken zu machen, was zu tun ist, um unser Ziel, Organisationen zu schaffen, in welchen sich menschliche Potentiale maximal und wirkungsvoll entfalten können, trotzdem weiterverfolgen zu können. Welche Qualitäten müsste ein Unternehmen haben, in welchem das möglich ist? Wie müssten sich die Menschen darin organisieren? Welche Formen der Zusammenarbeit bräuchte es? Auf der Suche nach möglichen Antworten erinnerte ich mich an ein Organisationsmodell, über das ich vor einigen Jahren gelesen hatte, ihm damals aber noch wenig Beachtung schenkte. Holacracy war der Name. Ich begann zu googeln und zu lesen und je mehr ich darüber las, desto mehr begannen sich die Fragen zu klären. Holacracy schien auf viele unserer Fragen konkrete Antworten zu liefern. Dieses neuartige Organisationssystem setzt auf komplette Selbstorganisation und verteilte Führung. Es gibt keine traditionelle Hierarchie und keine Management-Funktionen mehr. Es gibt Rollen und Zirkel, die autonom in klaren Verantwortlichkeiten und dem Zweck des Unternehmens dienend arbeiten, auf der Grundlage einer Verfassung.
Der Zufall wollte es, dass nur zwei Wochen nachdem wir diesen Research Deep-Dive unternahmen, ein Holacracy Practitioner Training in Amsterdam stattfand. Also machte ich mich auf nach Amsterdam, um mir dieses alternative Model eine Organisation zu strukturieren, genauer anzuschauen. Nach einer Woche kehrte ich mit einem veränderten Bewusstsein zurück, wie Organisationen funktionieren können. Mein Referenzrahmen dafür, wie man über Organisationen denken kann und sich alltägliche organisationale Prozesse (Meetings, Entscheidungsfindung, Abstimmung und Koordination) gestalten lassen, hatte sich komplett verändert.
Wenn wir aber wirklich herausfinden wollten, ob Holacracy eine Antwort auf unsere Frage sein könnte, gab es nur einen Weg: Wir mussten uns selbst als Holakratie (so die deutsche Übersetzung von Holacracy) organisieren. Und so begannen wir wenige Tage später damit, unsere initiale Zirkelstruktur zu definieren und unsere ersten Governance und Tactical Meetings durchzuführen. Diese Tage sind nun 8 Monate her. Wir haben inzwischen viel gelernt und und gleichzeitig lernen wir jede Woche wieder viel über uns persönlich, über uns als Team und über Holacracy. Holacracy ist simpel — aber nicht einfach — und es erfordert in vielen Bereichen ein radikales Umdenken. Doch lohnt sich der Aufwand? Ist Holacracy nun eine Antwort auf unsere Frage? Holacracy selbst gibt keine direkt Antwort darauf, aber soviel sei schon mal verraten: Holacracy schafft es auf sehr wirkungsvolle Weise Rahmenbedingungen zu schaffen, in welchen sich Menschen auf ihre Art und Weise entwickeln können. Ja sie erzwingt diese Entwicklung regelrecht. Das kann manchmal ganz schön anstrengend und frustrierend sein. Aber es ist bemerkenswert, wie viel man in kürzester Zeit über sich selbst, seine eignen Denk- und Verhaltensmuster und die seiner Kolleginnen und Kollegen lernt.
Holacracy ist wie ein Katalysator für persönliche Entwicklung. Es gibt keine Antwort darauf, wie diese Entwicklung geschehen soll und es gibt auch keine Unterstützung dabei, aber es schafft sehr wirkungsvolle Rahmenbedingungen, welche diese Entwicklungsprozesse ermöglichen und schützen.
Holacracy gibt keine Antwort darauf, wie persönliche Entwicklung stattfinden soll, aber es schafft wertvolle Rahmenbedingungen dafür.
Kein abschliessendes Fazit
Als Zwischen-Fazit lässt sich folgendes festhalten: um in unserer hoch-dynamischen Welt nicht nur überleben sondern florieren zu können, müssen Unternehmen ein hohes Mass an Lern- und Veränderungsfähigkeit entwickeln. Aber Organisationen können sich nur in dem Masse entwickeln, wie sich die Menschen entwickeln, welche die Organisation beleben. In diesem Sinne ist Holacracy eine sehr mächtige Praxis, um in Zeiten ständiger Veränderung ständiges Lernen zu ermöglichen. Holacracy eliminiert grossangelegte Reorganisationen komplett, da fast jedes Governance-Meeting eine kleine Mini-Reorg darstellt. Doch dieser Prozess fühlt sich weder traumatisch an, noch lähmt er die Organisation über Monate. In ein bis zwei Stunden lassen sich ganze Unternehmensbereiche umstrukturieren und das auf transparente, partizipative und effiziente Weise. Diese neue Struktur kann innerhalb kürzester Zeit energetisiert werden, oft treten die Veränderungen schon gleich nach dem Meeting in Kraft.
Wir werden weiterhin über unsere Erfahrungen mit Holacracy berichten, über die guten wie die weniger guten. Schon in einem der nächsten Blog-Posts werden wir beschreiben, welche Werkzeuge wir in der Zwischenzeit entwickelt haben, um diesen Entwicklungsprozess bei uns intern und auch bei einigen unserer Pionier-Kunden zu unterstützen.
Wenn Sie herausfinden möchten, ob Holacracy auch für Ihr Unternehmen interessant sein könnte und wie es konkret Ihre aktuellen Herausforderungen adressieren könnte, nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf.