Sand und Schlamm — die Böden und die Topografie sind das gemeinsame Fundament Berlin-Brandenburgs

von Kenneth Anders

Landschaft im Oderbruch. Foto: Janina Briesemeister / Pixelio

Das Oderbruch erscheint als eine flache Landschaft, wer aber genau hinsieht, erkennt, dass die großen Schläge Vertiefungen und leichte Erhebungen aufweisen. In den tieferen Lagen ist der Boden zwar fruchtbar, aber schnell sammelt sich hier das Wasser und erschwert die Bewirtschaftung. Auf den Kuppen ist der Boden dagegen sandig und leicht, lässt sich gut bearbeiten, bringt aber weniger Ertrag und leidet oft unter der Trockenheit. Dieser Wechsel zwischen Ackersenken und Schrindstellen ist für die Landwirte eine große Herausforderung, die einen differenzierten Feldbau erfordert. Die Bauern sagen: „Der Boden verschießt.“

Was für das Oderbruch gilt, lässt sich in größerem Maßstab für ganz Brandenburg und auch für das aus ihm hervorgewachsene Berlin sagen: Da ist zu viel Wasser, dort zu wenig, hier sind die Böden fruchtbar, aber schwer zu bearbeiten, dort sind sie karg, aber gefügig. Sumpf, Luch und Bruch gehen in wellige Moränenformationen oder Formationen der erdgeschichtlichen Wind- und Wassererosion über. Der ständige Wechsel in der Topografie prägt nicht nur die gegenwärtige Landnutzung, er ist einer der wichtigsten Aspekte in der gesamten neuzeitlichen Geschichte der Mark. Darin unterscheidet sich das Land von Gebirgsregionen oder Lößgebieten und rückt es in die Nähe anderer Landschaften der norddeutschen Tiefebene.

Das hartnäckigste Klischee der Preußen arbeitet sich immer wieder an seinem Militarismus ab, der sich nach außen gerichtet hat: Landmehrung im Krieg. Man übersieht dabei oft, dass die größten und nachhaltigsten Landgewinne in der Binnenkolonisation erreicht wurden, also in einer jahrhundertelangen gesellschaftlichen Anstrengung, die Heterogenität zwischen Senke und Kuppe auszugleichen und nutzbares Land zu gewinnen, auf dem man siedeln und ackern kann.

Melioration — heute beinahe ein Schimpfwort — war lange Zeit die Verheißung selbst erarbeiteten Wohlstands. Die gravierenden Eingriffe in die junge, stark von der Eiszeit geprägte brandenburgische Landschaft waren nur zu bewältigen, indem staatliche Organisation und individuelles Interesse in eine fortwährende Dynamik gerieten und sich wechselseitig befeuerten.

Dass dieser Prozess Kosten und Fehler aufweist, sollte nicht verschwiegen werden. In den großen Durchströmungsmooren des Welse- oder Havelbruchs hat die Melioration organische Böden vernichtet. Aber im Oderbruch und in vielen anderen märkischen Regionen gewann man mit diesen Methoden nachhaltig nutzbares Land und in Berlin oder Eberswalde entstanden neue Siedlungsräume.

Heute ist es die Aufgabe der demokratisch verfassten Wasser- und Bodenverbände, den historisch gewachsenen Kompromiss zwischen Senke und Kuppe zu erhalten und zu entwickeln. Diese Arbeit ist nicht nur technisch anspruchsvoll, sie wird auch unter den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen immer schwieriger. Denn die meisten Menschen leben heute nicht mehr in einem Ressourcenverhältnis zu ihrer Landschaft und bringen immer weniger Verständnis für diese Aufgaben auf. Wer Berlin-Brandenburg verstehen will, sollte sich aber auf jeden Fall mit seinen Gräben und Schöpfwerken, mit Be- und Entwässerung, mit Flut und Vorflut, mit Wasserrückhalt und -regulierung beschäftigen. Diese Techniken haben das Land zu dem gemacht, was es heute ist, und sie werden auch weiter benötigt.

Kenneth Anders, Foto: Torsten Stapel

Dr. Kenneth Anders (*1969) studierte Kulturwissenschaften, Philosophie und Soziologie in Leipzig und Berlin. Sein zentrales Arbeitsthema sind Landschaften als Habitate des Menschen. Mit Lars Fischer gründete er das Büro für Landschaftskommunikation und den Aufland Verlag. Er lebt als freier Kulturwissenschaftler im Oderbruch, ist Programmleiter des Oderbruch Museums Altranft und Festivalleiter des Eberswalder Filmfestes „Provinziale“.

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