_1 Digitale Kräfte — Spiel mit neuen Karten

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Aus den Studien „The Disruption of Industry Logics” (2014) und „Changing the Game Before the Game Changes You” (2012) von Ericsson tragen wir hier zusammen, was die Trends der digitalen Welt und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft, Unternehmen und jeden individuell ausmachen. Diese kompakte Sammlung von digitalen Charakteristika und Entwicklungen kann als Orientierungshilfe dienen und bei der Standortbestimmung helfen: Welche der Trends erkennen Sie in Ihrem Alltag wieder? Wie gut sind Sie, Ihre Abteilung und Ihr Unternehmen bereits dafür aufgestellt? Woraus ließen sich neue Potentiale gewinnen?

Ericsson geht davon aus, dass der digitale Wandel Gesellschaft und ihre Teilsysteme (Wirtschaft, Medien, Politik etc.) grundlegend verändert. Die digitale Transformation verlangt insofern allen Akteuren und Systemen Adaptionen ab — und bietet gleichzeitig ganz neue Möglichkeiten, weil die Karten in vielen Feldern aktuell neu gemischt und verteilt werden. Für Unternehmen ist dabei wichtig, fokussiert vorzugehen, den eigenen Geschäftskern zu kennen und im Blick zu behalten. Es geht darum, sich gezielt für neue Partizipations- und Kooperationschancen zu öffnen, wo dies sinnvoll ist, ohne sich in der Vielzahl digitaler Treiber und einer diffusen Datenflut zu verlieren.

Die folgenden sechs Kräfte bzw. Trends prägen Ericsson zufolge die digitale Transformation aktuell:

1. Hyper-Konnektivität: Das Netz wächst, die Zahl der Verknüpfungen (Mensch-Mensch, Mensch-Maschine, Maschine-Maschine) nimmt stark zu. Informationen von Usern und über diese werden zusammengefügt und zu analysierten Datensets.

2.The Internet of Things“: Alles ist zunehmend mit dem und durch das Internet verbunden, auch Alltagsgegenstände wie Autos, Heizungen, Kühlschränke oder auch Produktionsanlagen. Sich nicht mit der Thematik zu beschäftigen ist fast nirgendwo mehr möglich.

3. Allgemein zugängliche Technologie: IT-Technologie wird günstiger und leichter zugänglich, auf privater und auf geschäftlicher Ebene (Markteintrittshürden). Die Leistung unserer digitalen Geräte und Software-Anwendungen nimmt ständig zu und die Preise sinken.

4. Allgegenwärtiger Zugang: Die Möglichkeiten bei hoher Bandbreite auf das Netz zuzugreifen, nehmen zu. So kann von fast überall und zu jeder Zeit auf Ressourcen zurückgegriffen werden, die früher schwer zugänglich waren. Die boomenden Cloud-Dienste treiben diese Entwicklung voran.

5. Konvergente Märkte: Durch die Vernetzung von Angeboten und die technologische Entwicklung rücken Märke näher zusammen. Viele Unternehmen müssen sich deshalb mit neuen Playern auseinandersetzen. Es entstehen neue Felder („Spielwiesen”) für Wettbewerb und für Kooperation.

6. Die vernetzte Gesellschaft: Die wachsenden Netzwerke bringen Effekte und Möglichkeiten wie „networked marketplaces”, „crowdfunding”, „value networks” oder „third party involvement” hervor. Daran knüpft sich eine gesellschaftliche Entwicklung, die mehr Optionen und zugleich Verantwortung für Wertbeiträge Einzelner schafft.

Dieses neue Ökosystem für Unternehmen rückt den End-User (nicht mehr „Kunde”) noch stärker in den Vordergrund — sowohl in seiner Rolle als „aktiver” Konsument (bewertend, empfehlend, Teilleistungen selbst erbringend) als auch als Produzent von Leistungen (Stichwort: „prosumerism”). Auch der Trend, mehr zu teilen und weniger zu besitzen (Sharing Economy) spielt in diese Entwicklung hinein. Konsummuster verändern sich also und (globale) Markteintrittsbarrieren schrumpfen auch für kleinere Akteure. Ericsson fasst die Implikationen dieser Verschiebung von ökonomischer Macht und Aufmerksamkeit wie folgt zusammen:

1. Tech leverage & cheap startups: Günstig verfügbare Technologie ermöglicht, bestehende Leistungen deutlich einfacher für sehr große User-Gruppen anzubieten (z.B. Uber, Airbnb, Local motors).

2. Networked funding, production & organization: Digitale Plattformen ermöglichen, finanzielle Mittel, Produktions- oder Personalressourcen unkompliziert an Bord zu holen — das Netz entscheidet.

3. Digital distribution: Für den Vertrieb von Services und Produkten tun sich Möglichkeiten auf — durch webbasierten Direktvertrieb (z.B. Netflix), digitale Marktplätze (z.B. Amazon) oder Online-Plattformen (z.B. YouTube).

4. Lower risks means more players: Dass es günstiger und einfacher wird, in digitale Märkte vorzustoßen, erzeugt Wettbewerb — oft aus unerwarteten Richtungen. Die Möglichkeiten zur Skalierung von Geschäftsmodellen machen den Einstieg attraktiv.

5. New forms of competition: Die Digitalisierung bringt neuen Wettbewerb hervor, erstens durch entstehende Potentiale für Effizienz (Ericsson spricht von „super-efficient competitors”, die Vorteile aus Cloud-Lösungen, Crowdsourcing oder User-generierten Daten beziehen), zweitens durch die Konvergenz von Märkten, die Akteure aus ursprünglich „fremden” Feldern auf den Plan ruft (z.B. wenn es um das vernetzte Zuhause geht), drittens durch den „Schwarm der Nische” (so wird die Nische in der digitalen Masse attraktiv, z.B. wenn es um Mikro-Kredite geht) und viertens durch gänzlich neue Geschäftsmodelle („business logics”), wie sie etwa Google in Bezug auf Online-Werbung etabliert hat.

Die Rollen auf den globalen digitalen Märkten changieren — dabei rücken User stärker in den Mittelpunkt (als vernetzte Kontrollinstanzen, als gut informierte Konsumenten und nicht zuletzt als Produzenten von Dienstleistungen und Produkten) und zugleich bilden sich neue Zentren, die viel ökonomisches Gewicht und Marktmacht akkumulieren (wie Amazon im Online-Handel oder Facebook im Bereich sozialer Netzwerkservices). Eine zunehmend wichtige digitale Ressource ist dabei „Big Data” und die Kompetenz im Umgang damit. Wenn, wie beschrieben, Rollen und Märkte weniger definitiv sind, entstehen durch Big Data an den Schnittstellen Potentiale der Zusammenarbeit, wo Unternehmen an Grenzen stoßen (sonst keinen Zugang haben), wo sich Interessen überschneiden. Die große Frage, die sich am Ende stellt, ist, wie sich Unternehmen und das Wirtschaftssystem flexibel auf die neuen systemischen Dynamiken einstellen und diese gestalten können.

Diese Zusammenstellung digitaler Trends wirft viele Fragen auf und lädt zur systemischen Reflexion und Standortbestimmung ein: Wovon ist mein Unternehmen und bin ich wie stark betroffen? Bin ich und ist es gewappnet für diese neue Welt? Was brauche ich, was meine Funktion, was das Unternehmen? Wo sind wir bereits in Kontakt und Kooperation mit Usern? Und viele Fragen mehr. Welche Fragen tauchen nach der Lektüre bei Ihnen auf?

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Heitger Consulting
Digitalisierung, mein Unternehmen & ich

Heitger Consulting, 2007 gegründet von Dr. Barbara Heitger mit Sitz in Wien, versteht sich als Pionier in der systemischen Unternehmensberatung.