Olympische Medien-Spiele: Innovatives Storytelling zu #Rio2016

Highlights im Überblick — von 360-Grad-Video bis Roboterjournalismus.

Frederic Huwendiek
6 min readAug 8, 2016
Beeindruckend: Scrollytelling der “New York Times” — hier zu Dreispringer Christian Taylor.

Ich aktualisiere diesen Artikel fortlaufend (zuletzt am 15.8., um 12 Uhr). Großartige Datenvisualisierungen zu Rio findest du hier. Freue mich über weitere Hinweise via Twitter. Danke!

Daten-Grafiken bei “Guardian” und “New York Times”

Aus der Not, keine Olympia-Bewegtbildrechte zu haben, machen Medien wie “Guardian” und “New York Times” eine Tugend — und zeigen stattdessen in den Nachberichten sehenswerte interaktive Animationen und Daten-Analysen der Wettkämpfe. Großartige Idee: Die “Times” lässt Usain Bolt gegen alle Medaillengewinner über 100 Meter seit 1896 antreten. (Toll zudem: das scrollbare Panorama-Foto zu Bolts Lauf, alle grafisch unterstützten NYT-Nachberichte hier). Auch charmant: Michael Phelps, 32 Mal Gold, schwimmt gegen sich selbst. Sehr gelungen auch die “How …”-Reihe des “Guardian”, etwa zum 100-Meter-Lauf von Bolt. Auch sehenswert: die launig-spielerischen Ansätze bei “Guardian” und “Financial Times”, wo man etwa einen T-Rex gegen Moh Farah antreten lassen kann.

Video-driven Scrollytelling bei der “New York Times” u.a.

Die “Times”, die mit “Snowfall” 2012 das Genre ja quasi erfunden hat, hatte auch schon zu Sotschi 2014 videogetriebene Scroll-Storys zu einzelnen US-Athleten. Zu Rio setzt sie jetzt noch einen drauf und liefert zu Turnerin Simon Biles, dem kanadischen Hochspringer Derek Drouin, Schwimmer Ryan Lochte und Dreispringer Christian Taylor absolute State-Of-The-Art-Geschichten. Hochwertige Videos, die die Bewegungsabläufe mit Linien und Animationen deutlich machen, kombiniert mit kurzen Interviewsequenzen. Verglichen mit “Snowfall” fast kein Text. Dafür dürften deutlich mehr Nutzer den Inhalt auch wirklich konsumieren - und nicht nur durchscrollen. Beeindruckende 360-Grad-Video-Storys zu Rio gibt es auch bei der “Washington Post” und von Google. Auch die “Süddeutsche Zeitung” hat im Vorfeld der Spiele sehenswerte 360-Video-Porträts von Favela-Bewohnern produziert. 360-Grad-Kurzreportagen von ZDF-Korrespondent Andreas Wunn finden sich hier. (mehr zu 360-Grad-Videos unten). Die FAZ setzt in ihrem “Multimedia-Spezial” über Rio dagegen auf 2D-Bewegtbild.

Mehr dazu: New York TimesWashington PostGoogleSüddeutsche ZeitungZDF

Roboter-Reporter bei der “Washington Post”

Dass clevere Software ziemlich gut Sportberichte schreiben kann, ist nicht neu. Die “Washington Post” lässt jetzt das selbst entwickelte Programm “Heliograf” kurze Echtzeit-News über die Olympischen Spiele schreiben — sowohl für das Liveblog , für den Twitter-Account als auch für den Facebook-Messenger-Service der Zeitung. Dass auch Künstlicher Intelligenz manches chinesisch vorkommt, zeigt diese Korrektur:

“Automated storytelling has the potential to transform The Post’s coverage. More stories, powered by data and machine learning, will lead to a dramatically more personal and customized news experience,” said Jeremy Gilbert, director of strategic initiatives at The Washington Post. “The Olympics are the perfect way to prove the potential of this technology. In 2014, the sports staff spent countless hours manually publishing event results. Heliograf will free up Post reporters and editors to add analysis, color from the scene and real insight to stories in ways only they can.”

Mehr dazu: Washington PostTechCrunchNieman Report on Automation in News Rooms

Persönlicher Rio-Reporter der “New York Times”

Die NYT setzt dagegen auf echte Menschen. Genauer gesagt auf einen: Sport-Redakteur Sam Manchester schreibt allen Nachrichten aus Rio, die sich mit ihrer Handynummer für den Service anmelden. Er verspricht News, einen Blick hinter die Kulissen der Spiele und will so viele Nutzer-Fragen wie möglich selbst beantworten. (Fraglich, ob nicht doch mehr Manpower hinter dem Account steckt…) Spannend auch, wie CNN zu Rio auf Messenger-/Chat-Apps setzt.

The innovation is an effort to reach readers on the platforms that are central to their lives, Andrew Phelps, the Times’ Director of Personalization, told CNNMoney. “For a lot of users, messaging apps are the new homescreen,” said Phelps, who helped lead the effort. “We’ve spent a lot of time thinking about how we might tell stories through that lens and bring readers closer to the journalism and to the journalists.” “People have asked, ‘Couldn’t you just do this on Twitter,’” Phelps continued. “We could, except this is a much more personal relationship. We can show up in the same place as your friend, your mom and your work colleague.”

Mehr dazu: CNN Money Nieman LabNew York Times

Push-Quizze vom "Guardian"

Auch der "Guardian" will auf den Homescreen der Nutzer. Sein "Mobile Innovation Lab" experimentiert während der Spiele mit gleich vier verschiedene Typen von Push-Meldungen. Und zum ersten Mal länger als nur bei eintägigen Events wie dem Brexit-Referendum. Neben zweierlei Medaillen-Alerts gibt es zu Rio "Morale Meter" genannte Umfragen, wie bestimmte Wettbewerbe ausgehen und - besonders spannend - Quizze, die innerhalb der Push-Meldung funktionieren.

Mehr dazu: Guardian Mobile Innovation LabNieman Labjournalism.co.uk zu Push-Meldungen zu EU-Referendum

The Mobile Innovation Lab is hoping to answer some questions around:
— How people respond to web notifications that last more than 1–2 days
— How people interact with a fairly complex signup page for notifications
— How to create individual alert subscriptions on-the-fly for multiple countries
— If the morale meter encourages people to follow our event-based live blogs
— If people enjoy taking a quiz through notifications

Spielerisches von “Spiegel Online”, “Wallstreet Journal”, BBC, “New York Times” und “Guardian”

Beim “WSJ” kann ich als “Armchair Olympian” in Mini-Games etwa meine Reaktionszeit testen, die ja so entscheidend für Sprinter ist. Außerdem im Programm: Rudern und Weitsprung. Schöne Idee — bestechend-minimalistisch umgesetzt. Im hervorragenden “Data Blog” des “Guardian” kann ich meine persönliche Schwimmgeschwindigkeit mit der eines Olympia-Schwimmers, Ruder-Teams oder mit Killerwalen, Meeresschildkröten und sogar Plesiosauriern vergleichen. (Ich sehe mich knapp vor dem Seepferdchen). Bei “Spiegel Online” kann ich im “Olympiomat” herausfinden, in welcher Sportart ich Edelmetall gewinnen könnte. (“Ich hab Rücken!”) Und die BBC verrät uns in einer tollen #DDJ-Anwendung, welcher Athleten-Körper unserem am ehesten entspricht (irgendein kolumbianischer Segler). Die “New York Times” hat ein Quiz in bestechender Optik umgesetzt: Dort kann ich kann ich anhand der Athletenkörper raten, in welcher Disziplin antreten.

Mehr dazu: “Wall Street Journal”“Guardian” — “Spiegel Online” — BBCNew York TimesGute Übersicht zu Olympia-Datenvisualisierungen

360-Grad-Videos bei ARD, ZDF, BBC u.a.

Immersive Storytelling klang bis vor zwei Jahren nach Nische und “Noch lange hin”. Umso überraschender, dass uns heute nicht mehr überrascht, wie groß das Virtual-Reality-Angebot jetzt zu den Olympischen Spielen ist: Neben der Eröffnungs- und Schlussfeier gibt es auf den jeweiligen Senderangeboten jeden Tag ausgewählte Wettkämpfe live in 360 Grad und in VR, außerdem die Highlights der Wettbewerbe als Abrufvideo. Dazu haben die Sender auch noch eigene Apps im Angebot. Die Kameras, die das Ganze filmen, wurden übrigens speziell für die Spiele in Rio entwickelt. Wem die Jogi-Cam noch nicht genug war.

Mehr dazu; ARD ZDFBBCInformationen der Olympic Broadcasting Services

Karen Mullins, Production Manager for the host operator OBS (Olympic Broadcasting Services), says that after successfully testing 180-degree cameras at the Lillehammer 2016 Winter Youth Olympic Games, true 360-degree VR tech will be deployed for the first time at Rio 2016. “VR is not about viewing in a traditional sense,” says Mullins. “It’s about an ‘experience’ and we always tend to describe it as that, rather than as coverage. In each venue, each sport, we try to take the viewer to a place that they couldn’t buy a ticket for.”

(Disclaimer: Ich arbeite fürs ZDF)

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Frederic Huwendiek

Medienmacher. #webvideo #ddj #storytelling / Twitter: @huwendiek