Antikorruption — verbindlicher Bestandteil der deutschen EZ?

Wie es um die Umsetzung der Antikorruptions-Strategie des BMZ steht

Autorin: Karen Ziemek

Korruptionsprävention und -bekämpfung sollte in allen Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) berücksichtigt werden — das ist mittlerweile eine allgemein anerkannte Erkenntnis. Vor diesem Hintergrund sollte die BMZ-Strategie für Antikorruption und Integrität aus dem Jahr 2012 dieses Anliegen zu einem zentralen Bestandteil der deutschen staatlichen EZ machen. Doch während die Bundesregierung die Strategie als Erfolg ansieht, ist sie selbst unter Mitarbeiter*innen im BMZ weitgehend unbekannt geblieben.

„Aus Sicht der Bundesregierung ist Korruption eines der größten Entwicklungshemmnisse. Daher ist Korruptionsbekämpfung ein wesentlicher Bestandteil der Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Die Bundesregierung richtet ihre Vorhaben korruptionssensibel aus und nutzt einen risikobasierten Gesamtansatz. Darüber hinaus bestehen umfassende Risikomanagement-Systeme in den Durchführungsorganisationen. Korruptionsbekämpfung ist ein Querschnittsthema, das in allen Vorhaben der EZ berücksichtigt werden muss. Weiterhin unterstützt die Bundesregierung ihre Partnerländer mit konkreten Maßnahmen im Bereich der Korruptionsbekämpfung vor Ort.“

Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Bündnis 90 / Die Grünen vom 20. Januar 2020

Seit Juli 2012 gibt es die BMZ-Strategie für Antikorruption und Integrität, die für die fünf Durchführungsorganisationen verbindlich sein soll: die Entwicklungsbank der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) einschließlich Centrum für internationale Migration (CIM), die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) und Engagement Global gGmbH. Für alle weiteren Akteure der Entwicklungszusammenarbeit soll die Strategie einen Orientierungsrahmen darstellen.

Der Strategieansatz basiert auf neun Leitprinzipien und dem sogenannten 3x3-Prinzip aus Interventionsebenen und Akteuren:

Interventionsebenen

  1. Compliance- und Risikomanagement (insbesondere administrative und finanzielle Vorgaben)
  2. Kooperationsländer (Intervention von technischer und finanzieller Zusammenarbeit auf Ebene der Regionen und Länder)
  3. Internationale Abkommen (zum Beispiel die Konvention der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC))

Akteure

1. Staatliche Institutionen

2. Privatsektor

3. Zivilgesellschaft

Die Strategie setzt voraus, dass eine Einstufung der Partnerländer in Hochrisiko- und Niedrigrisikoland erfolgt, erklärt aber nicht, an welcher Stelle und durch wen dies wie erfolgen soll. Auf der Interventionsebene in Ländern mit hohem Korruptionsrisiko ist es laut Strategie erforderlich, dass Antikorruption, Integrität und Transparenz bei den Regierungsverhandlungen erörtert werden. Auch stehen gesonderte Prüfungen für Neuvorhaben an. Laut Strategie sollen hier verbindliche und entscheidungsrelevante Vorgaben enthalten sein, die sich wiederum auf die Regional- und Länderkonzepte, Schwerpunktstrategiepapiere und Vorhaben der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit auswirken.

Daraus ergibt sich, dass in Hochrisikoländern explizite Maßnahmen der Antikorruption jeweils für den Kontext zugeschnitten, konzipiert und umgesetzt werden sollten. Außerdem sollten auch die anderen Schwerpunktsektoren daraufhin geprüft werden, inwieweit die Aktivitäten Korruptionsrisiken mindern können. Inzwischen werden diese Risiken mehr und mehr systematisch geprüft, allerdings beschränkt man sich hier auf die nicht-intendierten Folgen der Entwicklungszusammenarbeit.

Vertiefte Absprachen und Koordinierung mit anderen Gebern sowie die verstärkte Anwendung des Multiakteursansatzes gelten als vielversprechende Ansatzpunkte auf der Interventionsebene. Der Multiakteursansatz sieht eine verstärkte Aufnahme unterschiedlicher Akteure in das Kooperationssystem vor, von Parlament und Kommunen bis zu nichtstaatlichen Akteuren wie Medien, NGOs, dem Privatsektor und Verbänden. Gleichzeitig sollen die Partner strenger geprüft werden.

In Bezug auf die eher kaufmännische Seite der Antikorruption nimmt die Strategie im Wesentlichen Bezug auf die Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention von 2004. Dazu zählen:

· Sorgfalt der Personalauswahl

· Geeignete Maßnahmen in den besonders risikoanfälligen Arbeitsgebieten, z.B. Rotation bei Führungspositionen, Transparenz und Mehraugenprinzip

· Trennung von Vergabe und Abrechnung

· Dienstaufsicht der Leitung

· Einrichtung von Ansprechpersonen / Organisationseinheiten der Korruptionsprävention

· Regelmäßige Schulung des Personals

Das BMZ hat im Anschluss an die Veröffentlichung ein Thementeam mit einer Roadmap auf die Beine gestellt und einen Instrumentenkoffer namens “Anticorruption WORKS” beauftragt. Dieser beinhaltet ein Workshopformat, bei dem im Team die Risiken des Vorhabens analysiert werden und somit gezielter umgesteuert werden kann. Der Einsatz ist nicht verbindlich und geht auf Kosten der Projektmittel.

Fazit

Die Strategie enthält eine Vielzahl von wichtigen Punkten zur Einordnung und zum Umgang mit Korruption in Partnerländern. Sie wurde unter Einbeziehung von externen Organisationen wie Transparency International Deutschland innerhalb eines Jahres erstellt und war zum Zeitpunkt 2012 sicherlich ein großer Fortschritt gegenüber dem vormaligen 10-Punkte-Plan des BMZ. Die Strategie möchte die Mitarbeiter*innen der nationalen und internationalen Entwicklungszusammenarbeit gleichermaßen dazu ermutigen, sich dem Thema explizit zu widmen, und bietet einige gut durchdachte Ansatzpunkte.

Gleichzeitig sollte die Strategie auch Verbindlichkeit herstellen und in der Breite der Entwicklungszusammenarbeit Beachtung finden. Mit Blick darauf wird die Umsetzung der Strategie von Fachleuten und Praktiker*innen unterschiedlich bewertet. Die Bundesregierung sieht sie jedoch als Erfolg an. Dabei blieb sie selbst unter den Mitarbeiter*innen im BMZ weitestgehend unbekannt. Trotz verschiedener Verfahrensreformen ist Antikorruption noch weit davon entfernt, als Entwicklungshemmnis spezifisch, explizit und querschnittsmäßig von allen Durchführungsorganisationen bei der Prüfung, Planung, Durchführung (inklusive Risikomanagement) und Evaluierung aufgegriffen zu werden. Inzwischen gibt es jedoch Arbeitshilfen und Vorgaben in der GIZ, die zumindest die Vermeidung nicht-intendierter Korruptionsrisiken zum Ziel haben. Außerdem ist es Ziel des BMZ, Antikorruption als allgemeines Qualitätsmerkmal für die gesamte Entwicklungszusammenarbeit aufzuwerten.

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Weiterführende Informationen

Vorschau

Im nächsten Beitrag möchten wir auf die Entwicklung des Portfolios zu Antikorruption eingehen: Gibt es mehr Projekte? Sind diese ausreichend finanziert? Im Jahr 2019 flossen nach Angaben der Bundesregierung nur 0,52 Prozent der öffentlichen Mittel der Entwicklungszusammenarbeit in die Bekämpfung von Korruption.

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Transparente Entwicklungszusammenarbeit

Blog der Arbeitsgruppe staatliche Entwicklungszusammenarbeit von Transparency International Deutschland e.V., der Koalition gegen Korruption.