Besteuerung von Kapitalerträgen

Alex Schneider
5 min readApr 5, 2023

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Folgende Hinweise dienen als Diskussionsgrundlage für Privatanleger, die berechnen möchten, wieviel Geld die Bank von ihren Gewinnen einbehält.

Ich stelle hier ein Rechenbeispiel vor. Damit möchte ich helfen, bessere Entscheidungen über den Verkauf eines Assets treffen zu können. Dazu sollten die steuerlichen Konsequenzen richtig kalkuliert werden. Die Angaben gelten für Deutschland.

Ich lade ein, meine Hinweise auf mögliche Fehler zu überprüfen, bzw. anzumerken, was noch zu beachten wäre.

Vorneweg — das ganze Thema sollte man einmal verstanden haben, und dann einfach nur noch verwalten. Das primäre Ziel sollte sein, Gewinne zu machen. Wann es Sinn macht, Verluste zu realisieren, ist ein verwandtes Thema, welches ich selbst noch erforschen will.

Der Anlass für diesen Artikel ist die Entscheidung, mit der sich Kunden von Vivid im April 2023 konfrontiert sehen, insbesondere diejenigen, die sich mit der Kündigung von CM-Equity abgefunden haben, und sich jetzt fragen, “soll ich migrieren oder nicht?”

(Hinweis: Ich habe mich nicht mit der Kündigung abgefunden 😋)

Ich bin kein Steuerexperte. Ich gebe hier nur meine Methode und mein Wissen an.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Ich bin anhand meiner Excel Tools in der Lage, am ersten Tag eines Jahres meine Einkommensteuererklärung abzugeben.

Ich brauche nicht erst auf den Nachweis der Bank über die Kapitalerträge, die Summe der einbehaltenen Abgeltungssteuer und des einbehaltenen Solidaritätszuschlags zu warten.

Per 5. April 2023 hat Vivid noch keinen solchen Nachweis für 2022 erbracht. Die Steuererklärung habe ich aber schon eingereicht.

Die Kalkulation, die ich hier vorstelle, habe ich anhand des Nachweises der Bank für das Jahr 2021 verifiziert. Die Kalkulation ist somit verlässlich.

Daten von 2021

Berechnung der einbehaltenen Abgaben für das Jahr 2021

Der Screenshot zeigt die Kalkulation der einbehaltenen Beträge anhand meiner konkreten Verkäufe per Vivid App. Dreh-und Angelpunkt ist die Spalte M (Verlustkonto).

Wenn du 10 EUR Verlust machst, und anschließend 15 EUR Gewinn, dann dienen nicht die 15 EUR als Steuerbasis, sondern 5 EUR. Das muss man verstehen. Die Bank wird 26,375% von 5 EUR einbehalten.

In der Tabelle sieht man, dass nach dem realisierten Verlust am 23.03.21 keine Beträge einbehalten wurden; erst am 22.06.21 wieder. Die Bank führt dieses Verlustkonto im Hintergrund.

Die Spalte I (Kostenbasis) ist der komplizierteste Aspekt. Die Zahlen die man dort einzutragen hat, basieren auf der FIFO Methode (first-in, first-out). Dafür habe ich eine seperate Excel Tabelle. Anhand der FIFO Methode wird die Kostenbasis für Teilverkäufe ermittelt.

Beispiel: Du hast 2 Anteile für 5 EUR und 6 Anteile für 3 EUR gekauft, und verkaufst dann 4 Anteile. Die Kostenbasis für die 4 Anteile beträgt 16 EUR. Ohne die Kostenbasis kannst du den Gewinn nicht kennen. Ohne den Gewinn kannst du die Steuerbasis nicht kennen.

In der Spalte I (Berechnet) sieht man, dass die von Vivid tatsächlich einbehaltenen Beträge manchmal im Centbereich abweichen, was ich auf Abrundungen zurückführe.

(In meiner Tabelle für 2022 gibt es bei nur 20% der Verkäufe Abweichungen, und keine ist höher als 0,01 EUR. Das spricht auch für die Verlässlichkeit der Kalkulation).

Wichtig! Diese Tabelle kalkuliert die einbehaltenen Beträge. Du kannst deine Bank anhand dieser Tabelle überprüfen. Die einbehaltenen Beträge werden mit der Steuerlast verrechnet, die du im Endeffekt im Rahmen der Einkommensteuererklärung zu zahlen hast.

Rechenbeispiel: Crypto Assets migrieren

Dieses Beispiel ist für Vivid Kunden. “Migrieren” bedeutet einfach nur, dass eine Position verkauft und (fast) zeitgleich sofort wieder gekauft wird. Man erwirbt die gleiche Anzahl von Coins wieder zurück. Diese liegen dann auf einem anderen Konto – deswegen die Bezeichnung “Migration”.

So eine Aktion ist unlogisch. Warum eine Position verkaufen, wenn du sie behalten willst? Die einzige Konstellation, in der so ein Unsinn Sinn macht, ist wenn man dich zwingt zu verkaufen (trifft hier zu), und du mit dem Erlös ohnehin nichts besseres vor hast, als exakt die gleiche Menge von demselben Kryptowert zu kaufen.

Ob das zutrifft, kannst du mit folgender Frage überprüfen: Wenn ich dir Geld schenken würde, wie würdest du dieses Geld investieren?

Falls du glaubst, dass die gleiche Menge vom selben Kryptowert die beste Verwendung deines Geldes ist, prüfe erst, ob deine Gedanken der sunk cost fallacy unterliegen. Mein VWL Professor hatte immer gewarnt:

“Sunk cost are sunk”.

Ich würde lieber den Erlös nehmen, und dann selber entscheiden, was und wieviel ich kaufe!

Aber hier soll es hauptsächlich um die steuerlichen Aspekte gehen — also weiter im Kontext.

Fiktives Beispiel: Position im Minus verkaufen

1000 Coins zu 2 EUR gekauft = 2000 EUR Investment

Der Preis sinkt erst und steigt später wieder auf 2 EUR. Du könntest die Coins somit halten und irgendwann wieder zu 2 EUR verkaufen.

Gewinn/Verlust = 0
Einbehaltene Steuer/Soli = 0

Die Freiheit zu halten, hast du aber nicht! Du kannst entweder verkaufen oder migrieren. Migrieren sähe zum Beispiel so aus:

1000 Coins zu 1 EUR verkauft = 1000 EUR Erlös
Gewinn/Verlust = -1000 EUR
Einbehaltene Steuer/Soli = 0 EUR

Zeitgleich 1000 Coins zu 1 EUR gekauft = 1000 EUR Investment

Wie oben beschrieben, steigt der Preis irgendwann wieder auf 2 EUR.

1000 Coins zu 2 EUR verkauft = 2000 EUR Erlös
Gewinn/Verlust: 1000 EUR

Vielleicht denkst du jetzt, dass vom Gewinn 26,375% einbehalten werden? Das wäre falsch.

Wieviel Steuer/Soli wird einbehalten?

Diese Frage läßt sich mit Blick auf das Verlustkonto beantworten.

Die Migration ist in der Tabelle in Zeile 4 zu sehen. Am 05.04.23 wurden 1000 EUR Verlust realisiert, 1000 EUR eingenommen und re-investiert.

Der spätere Gewinn am 05.06.23 übersteigt die -1000 EUR im Verlustkonto nicht. Deswegen ist die Steuerbasis = 0.

Wären die Coins statt für 2 EUR für 2,50 EUR pro Coin verkauft worden, sähe das wie folgt aus und es wären 131,88 EUR einbehalten worden:

Nachfolgend das gleiche Beispiel, mit dem Unterschied, dass der Migration am 01.04.23 ein Verlust vorausging. In dem Fall wird weniger einbehalten.

Was bedeutet das für deine Entscheidung?

Verkaufen + Re-Investieren (Migration) ist aus steuerlicher Sicht weder besser noch schlechter als nur Verkaufen. Steuerliche Aspekte dürften irrelevant für diese Entscheidung sein.

Das Ziel sollte sein, Gewinne zu erzielen. Wenn du im Minus bist, und zum Verkaufen gezwungen wirst, warum solltest du der Firma, die dich zwingt, eine Re-Investition anvertrauen?

Es ist dieser moralische Aspekte, der meine Entscheidung beeinflusst. Ich werde nicht verkaufen. Ich lasse mich nicht zwingen. Ich halte mir lieber die Möglichkeit offen, später zu klagen.

Falls ich etwas übersehen habe, wäre ich dankbar für den Hinweis (entweder hier auf Medium oder per Twitter.)

Excel Tool kaufen

Kann ich das Excel Workbook inkl. FIFO Kalkulation haben?

Ja, für 25 EUR. Einmalige Anleitung per Telefon inklusive. 😉

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