Particl — was soll denn das?

Als Particl das Licht der Welt erblickte, fehlte zunächst mehr als nur ein “e”.

Woody Part
8 min readJun 22, 2020

Offiziell wurde das Projekt Particl zu Beginn des Jahres 2017 geboren. Zunächst noch still und leise in den wohlgemeinten Gedanken einiger Software-Entwickler und Kryptologie-Begeisterter. Im März 2017 dann mit lautem Knall, dessen Ursprung jedoch viel mehr im Implodieren der ShadowCash-Community begründet war, als beim zunächst zaghaften Aufblitzen eines neuen Privacy-Coins am Krypto-Himmel.

Particl — A new star is born

Als neuer Particl Interessierter gibt es einiges zu erkunden. Nicht nur der erweiterte Funktionsumfang im Vergleich zur Bitcoin-Technologie, sondern auch dessen im Vergleich zu ähnlich “alten” Kryptowährungen ereignisreiche Geschichte. So kommt es hin und wieder vor, dass auch heute noch die Zeit vor dem Particl Genesis-Block kontrovers diskutiert wird.

Für jemanden wie mich, der erst ab 2018 mit Particl Bekanntschaft machen durfte, könnte es daher von Interesse sein, etwas mehr über Particls “Vorgeschichte” in Erfahrung zu bringen. Deshalb folgt hier eine kurze Darstellung, wie es 2017 zu der etwas ungewöhnlichen Geburt der Part-Token gekommen ist.

Particl ist zwar ein eigenständiges, aber irgendwie auch an das ehemalige ShadowCash anknüpfendes, Privacy-Projekt. Particl stand insbesondere aufgrund seines unglücklich und zugegebenermaßen wenig professionell durchgeführten Token-Exchange, lange Zeit in der Kritik der Shadow- und Krypto-Community.

Entstehung von ShadowCash (SDC)

Der damals für das ShadowCash Projekt hauptverantwortliche Entwickler und Vorsitzende der Particl-Foundation, Ryno Mathee, hatte die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) um verteilte Speichernetzwerke (DSN) basierend auf einem abgewandelten BitMessage-Protokoll (SMSG — Secure Messaging) erweitert.[1] Vor der Gründung des Shadow-Projektes war Mathee als Freelancer für das Cinni-Project tätig, wo er bereits an Secure-Messaging-Lösungen arbeitete. Mit Beendigung seiner Tätigkeit beim Cinni-Project gründete er SDCoin, das spätere ShadowCash.[2]

Zunächst startete ein User namens „shadowcoin“, vermutlich Ryno Mathee, am 8. Januar 2014 im Bitcoin Forum von bitcointalk.org den Versuch eines IPO, bei welchem 96 Mio. ShadowCoins in Form eines Initial-Public-Offerings (IPO bzw. Pre-Mine) an frühe Investoren ausgeschüttet werden sollten. Der IPO scheiterte bzw. wurde abgebrochen, gegebenenfalls aufgrund eines Hinweis des Users „StewartJ“, und die gespendeten Gelder wurden zumindest teilweise wieder zurückerstattet.[3]

Am 19. Juli 2014 schließlich startete Ryno Mathee alias „sdcoin“ erfolgreich das Shadow-Projekt (SDCoin). SDCoin war eine eigenständige, neue Blockchain, und als Hardfork aus BlackCoin hervorgegangen. Die initiale Tokenverteilung erfolgte ohne Pre-Mine und über einen auf Scrypt basierenden PoW-Konsensalgorithmus. Nach einigen Tagen wurde das Shadow-Netzwerk angeblich durch Mining-Pools bzw. ASIC-Mining „attackiert“, was zu einer einseitigen Token-Verteilung geführt hätte. Der Konsenmechanismus wurde deshalb nach 14 Tagen, bzw. nach 31.000 von ursprünglich 50.000 vorgesehenen Blöcken und nach ca. 6,4 Mio. erzeugten (“geschürften”) SDCoin, vorzeitig auf Proof-of-Stake (PoS) umgestellt. Nach erfolgreichem Start der Shadow-Blockchain wurde SDCoin zunächst in ShadowCoin und anschließend in ShadowCash umbenannt.[4][5]

Das Shadow-Projekt verstand sich selbst als technologischer Vorreiter im Bereich von nicht nachverfolgbaren Blockchain-Transaktionen. Damit stand man in direkter Konkurrenz zu anderen Privacy-Technologien wie z.B. Coinjoin oder RingCT, sowie anderen Krypto-Projekten wie Dash oder Monero. ShadowCash setzte neben seinem öffentlich nachverfolgbaren SDC-Token, ab Dezember 2014 auch einen auf ShadowSend v2 basierenden anonymen SDT-Token ein. ShadowSend v2 nutzte Dual-Key Stealth-Adressen mit Ring-Signaturen und nicht interaktiven Zero-Knowledge-Proofs.[5] Am 11. Februar 2016 veröffentlichte der Monero-Entwickler Shen Noether einen Angriffsvektor zur Offenlegung der ShadowSend Privatsphäre[6] . Nach Auszahlung einer Bounty wurde dieser Bug gemeinsam mit Noether weitestgehend behoben, die Privatsphäre der bis dahin getätigten Transaktionen blieb aber weiterhin kompromittiert.[7][8] Trotz aller Sicherheitsbedenken kam die angepasste ShadowCash Privatsphären-Technologie aber auch weiterhin in alternativen Krypto-Projekten, wie z. B. Verge, zum Einsatz.[9][10]

Der Token-Exchange von SDC nach PART

Am 10. Januar 2017 trafen sich 15 aktive Entwickler und Unterstützer des Shadow-Projektes in Hongkong um über den Fortgang des Projektes zu beraten, und um potentielle Geldgeber zu aquirieren. Nach Abschluss des 4-tägigen Treffens kamen die Teilnehmer zu dem Entschluss, das Shadow-Projekt aufgrund regulatorischer- und potentiell zukünftig strafrechtlicher Konsequenzen mittelfristig aufzugeben. Die Weiterentwicklung des beim Shadow-Projekt vorgesehenen anonymen P2P-Marktplatzes, Umbra genannt, sollte nur noch im Rahmen des neuen, regulierten Particl-Projekts erfolgen.[11][12] Dies beinhaltete u.a. auch die Gründung und Finanzierung einer in der Schweiz ansässigen Stiftung, der Particl-Foundation.[13] Dieser Entschluss wurde allerdings erst am 17. März 2017 im Zusammenhang mit dem am 18. März 2017 beginnenden SDC/PART-Token-Exchange der Shadow-Community gegenüber veröffentlicht.[14] Nicht wenige Mitglieder der Shadow-Community hatten sich im Vorfeld der mit einer „Überraschung“ angekündigten Bekanntmachung, auf einen baldigen Release des P2P-Marktplatzes Umbra gefreut. Entsprechend groß war die Enttäuschung, als stattdessen die Einstellung des gesamten Shadow-Projektes bekanntgegeben wurde.

Während zu Beginn des Jahres 2017 der Kurs des SDC-Tokens noch zwischen 1,40 USD und 1,70 USD pendelte, erreichte der Kurs unmittelbar vor Veröffentlichung am 17. März seinen Höchstkurs von knapp 5 USD, um gleich anschließend wieder auf den Bereich um 1,50 USD zurückzufallen.[15] Die Umtauschbedingungen sahen neben dem 1:1 Umtausch von SDC- in PART-Token, auch einen befristeten Bezug von bis zu 15% zusätzlichen PART-Token, bei gleichzeitiger BTC-Spende vor.[16] Da das Umtauschverhältnis bei zusätzlicher BTC-Spende 1 USD/PART entsprach, der SDC-Token aber oberhalb von 1,50 USD notierte, war es für Investoren günstiger Anteile der besessenen SDC-Token zu verkaufen, um mit den BTC-Erlösen an der 15%igen Mehrzuteilung teilzunehmen. Unter anderem auch dadurch bedingt, kam es unmittelbar nach Ankündigung der Umtauschbedingungen zu einem Abgabedruck auf den SDC-Token, welcher ihn deutlich von seinem Höchstkurs hat abfallen lassen. Anschließend wurden nicht nur innerhalb der Shadow-Community Beschuldigungen laut, dass einzelne Vertreter des Shadow-Teams den vorangegangenen Kursanstieg bewußt genutzt hätten, um persönlichen Profit zu generieren.[17]

Bis zum Ablauf der Umtauschfrist am 15. April wurden lediglich 77% aller SDC-Token in PART-Token umgetauscht. Dies wurde unter anderem damit begründet, dass Token-Inhaber ihre SDC eigenständig auf eine Particl-Umtausch-Adresse transferieren mussten und der Token-Exchange nicht mit den größten SDC-Verwahrern (Krypto-Börsen wie z.B. Poloniex) abgestimmt war. So wurde manchen SDC-Investoren ein zeitliches Entnahme-Limit von ihren SDC-Verwahrern vorgegeben, welches ihnen angeblich nicht erlaubte fristgerecht sämtliche SDC-Token auf die geforderte Particl-Umtausch-Adresse zu transferieren. Wiederum andere SDC-Investoren wurden angeblich erst nach Ablauf der 4-wöchigen Umtauschfrist von dem Token-Exchange in Kenntnis gesetzt. Sämtliche nicht zum Umtausch angeforderten PART-Token, wurden anschließend gemäß angepassten Umtauschbedingungen im Verhältnis 80/20 auf die neuen Particl-Investoren und die Particl Foundation aufgeteilt.[18] Zu den Umständen des Token-Exchange hatte das Shadow- bzw. Particl-Team am 20. März 2017 auf einer öffentlichen Fragerunde (AMA) Stellung bezogen und sich in Form eines offenen Briefs für die Vorgehensweise gegenüber der Shadow-Community entschuldigt.[12][20]

Für die Verstimmungen innerhalb der Shadow-Community, so wie für die teils heftigen Betrugsvorwürfe von Seiten anderer Krypto-Interessierter, wurde in erster Linie das Shadow-Team verantwortlich gemacht.[21][22] Am 20. April 2017 rief Paul Schmitzer, Director of Communications, eine Initiative der Particl-Community ins Leben, mit dem Ziel durch Spenden aus der Community und der Particl-Foundation, auch noch jenen SDC-Investoren den Umtausch in PART-Token zu ermöglichen, die zuvor den Token-Exchange verpasst hatten.[23] Von den gespendeten ca. 156.000 PART-Token wurden bis Ende 2017 SDC-Token im Gegenwert von ca. 122.182,36 PART, zumeist im Umtauschverhältnis 2:1, eingetauscht. Die verbliebenen 33.817,64 PART-Token gingen in die Verfügungsgewalt der Particl-Community über.[24]

Nachbetrachtung zum Token-Exchange

Bei der Ausarbeitung der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Token-Exchange hatte sich das Particl-Team von der auf FinTech spezialisierten schweizerischen Anwaltskanzlei MME beraten lassen, welche zuvor ebenfalls für die Ethereum Foundation beratend tätig war. Die Particl Foundation legt besonderen Wert auf die Tatsache, dass es sich bei der Finanzierung des Particl-Projektes um kein klassisches ICO handelt. Eine Abgrenzung von klassischen ICOs ist für Utility-Token wie PART von Bedeutung, um nicht unter vergleichbare regulatorische Vorgaben wie Security-Token zu fallen. Außerdem hätten SDC-Investoren bei einem klassischen ICO keine Bevorzugung bei der Ausgabe der PART-Token erhalten können.[25]

Die Konstruktion des SDC/PART-Token-Exchange, bei gleichzeitiger BTC-Spende, ist die Konsequenz aus der Vermeidung eines ICO. Die vorgesehene Umtauschfrist wurde von der SDC-Community in Anbetracht der kurzfristigen Informationspolitik als zu kurz und dadurch ungerecht empfunden. Die Spekulation auf eine angekündigte „Überraschung“ ließ den SDC-Kurs zunächst stark ansteigen um nach Bekanntgabe des Token-Exchange ebenso stark abzufallen. Der anschließende Versuch den Wünschen der SDC-Community durch Anpassung der Token-Exchange-Bedingungen besser gerecht zu werden, führte erneut zu teils heftigen Kursausschlägen. Die starken Kursbewegungen boten deshalb durchaus die Möglichkeit, sich mit dem Wissen um die vorgesehenen Veröffentlichungen finanzielle Vorteile zu verschaffen. Aufgrundessen ist gegenüber dem früheren SDC- und jetzigen Particl-Team Betrug und Manipulation, sogenannter Scam, vorgeworfen worden.[26]

Fazit

Obwohl das Shadow- bzw. Particl-Team wahrscheinlich mit besten Vorsätzen die Community für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit im Particl-Projekt gewinnen wollte, haben stringente und im Vorfeld nicht rechtzeitig mit der Community kommunizierte Token-Exchange-Vorgaben zu starken kursrelevanten Anpassungen noch während des Token-Exchange geführt. Die daraus resultierenden Marktverzerrungen ließen zunächst Scam-Vorwürfe aufkommen, welche sich schlussendlich aber als nicht zutreffend herausstellten.

So, … wer sich jetzt noch nicht hat abschrecken lassen vom etwas holprigen Start von Particl, den lade ich herzlich dazu ein, meinen weiteren Bericht über die Faszination zum Particl-Projekt zu lesen.

[1] Data Storage Network (DSN). In: Particl Project Wiki.Abgerufen am 5. Juni 2020 (englisch).

[2] CryptoCandor: Particl — A Privacy-Focused Marketplace(ab 0:00:56) auf YouTube, 5. April 2018, abgerufen am 5. Juni 2020.

[3] [IPO] ShadowCoin(SDC) Project. The Currency with PoS and P2P features. In: bitcointalk.org. Bitcoin Forum, 10. Januar 2014, abgerufen am 5. Juni 2020 (englisch).

[4] [ANN][SDC] ShadowCoin | ShadowChat [EM] | ShadowSend [Anon] | ShadowGo [Mobile]. In: bitcointalk.org. Bitcoin Forum, 18. Juli 2014, abgerufen am 5. Juni 2020 (englisch).

[5] What is ShadowCash. In: WeUseCoins.com.Abgerufen am 5. Juni 2020 (englisch).

[6] https://github.com/shadowproject/shadow/issues/25

[7] SDC deanonymization. In: GitHub.com.shadowproject/shadow, 11. Februar 2016, abgerufen am 5. Juni 2020 (englisch).

[8] Ring signature. In: Wikipedia — the free encyclopedia.Abgerufen am 5. Juni 2020 (englisch).

[9] Christoph Bergmann: 7 Kryptocoins, die mehr Privatsphäre versprechen. In: BitcoinBlog.de. 26. April 2018, abgerufen am 5. Juni 2020.

[10] Desi-Rae Campbell: The Privacy Coin Guide. 1. Auflage. 2019, ISBN 978–1–73300–361–2, S. 32 (englisch).

[11] [SDC] ShadowCash | Welcome to the UMBRA. In: bitcointalk.org. Bitcoin Forum, 18. August 2014, abgerufen am 5. Juni 2020 (englisch).

[12] Ryno Mathee: A message from the team. Particl News, 20. März 2017, abgerufen am 5. Juni 2020 (englisch).

[13] Particl Foundation, Zug (CH). Particl Foundation,abgerufen am 5. Juni 2020 (englisch).

[14] Ryno Mathee: Dear Umbra users and Shadow Project community. Particl News, 17. März 2017, abgerufen am 5. Juni 2020 (englisch).

[15] ShadowCash Charts. In: CoinMarketCap.com.Abgerufen am 5. Juni 2020.

[16] Leon Fu Dot Com: Particl For Investors #1: Preliminary Valuation. In: Cryptocurrency.market. 17. März 2017,abgerufen am 5. Juni 2020 (englisch).

[17] [ANN] Particl/ShadowCash- SCAM EXPOSED ALERT -DETAILS INSIDE — COMMUNITY WARNING. In: bitcointalk.org. Bitcoin Forum, 10. April 2017, abgerufen am 5. Juni 2020 (englisch).

[18] Unclaimed PART and the 80/20 split. Particl News, 20. April 2017, abgerufen am 5. Juni 2020 (englisch).

[20] AMA with the Particl Team. In: reddit.com. r/Particl, 20. März 2017, abgerufen am 5. Juni 2020 (englisch).

[21] Jabba-Q: ShadowCash is Dead. Long Live Particl. (or NOT?). In: steemit.com / satoshiwatch.com. 26. März 2017, abgerufen am 5. Juni 2020 (englisch).

[22] CCR: Passionate Defense of SDC / Particl. In: satoshiwatch.com. Abgerufen am 5. Juni 2020 (englisch).

[23] A community driven initiative! Particl News, 20. März 2017, abgerufen am 5. Juni 2020 (englisch).

[24] Decentralized Project Governance Update. Particl News, 8. August 2018, abgerufen am 5. Juni 2020(englisch).

[25] Blockgeeks: Utility Tokens vs. Security Tokens — Learn the Difference auf YouTube, 5. April 2019, abgerufen am 5. Juni 2020.

[26] Cryptocurrency Market: Massive Trolling During Particl Rebranding Project (ab 0:00:50) auf YouTube, 19. Mai 2017, abgerufen am 5. Juni 2020.

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