Ein Geldschein zu Visualisierungszwecken einer Steuer.

Die Social-Steuer.

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4 min readJun 13, 2018

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Die Welt war früher so einfach, was ausnahmsweise sogar mal stimmt, denn im Marketing war früher wirklich alles besser, also leichter (zumindest aus Perspektive der Steuerpflichtigen, dazu gleich mehr). Es war für Marken von 1950 bis 2007 im Grunde nur wichtig, in den drei nationalen Tages- und Wochenzeitungen zu sein und eine Agentur zu haben, die einen guten TV Spot an die Hand gibt, um in den drei, vier relevanten Fernsehsendern aufzutauchen und da mit der Botschaft irgendwie hängen zu bleiben.

Bild-Credit: https://www.ariplikat.de/cartoons/page/47/

Dann kam das Web und die Geschichte ist bekannt, Schnelldurchlauf: Neue Gatekeeper, Attention Economy, freiwilliger Konsum, Algorithmen. Plötzlich ist es überhaupt nicht mehr leicht, gehört zu werden, sondern ziemlich knifflig. Vor allem Social, also die Sozialen Netzwerke, machen die Vermarktung von Produkten zur Alchemie — Kein Marketingverantwortlicher hat mehr eine Ahnung, wie er seine Zielgruppe nur erreichen soll, wenn die lieber Pamela Reif sehen will oder diese Musical.ly Schwestern. Mit der Social-Steuer ist das aber kein Problem mehr.

Die Social-Steuer ist von Unternehmen zu entrichten, die den Draht zu ihrer Zielgruppe verloren haben.

Unternehmen, die im Dickicht des Webs untergehen, keine Ahnung davon haben, wie sie ihre Zielgruppe länger erreichen sollen und deshalb eben eine Steuer dafür zahlen, wieder relevant zu werden. Wenn die meisten dann auch nicht lange relevant bleiben! Wie es eben so ist mit einer Steuer, man muss sie jedes Jahr entrichten (oder monatlich) um dann eben ein zweites Mal für den kurzen Moment im Instagram-Feed aufzutauchen oder in einen der vielen Hype-Blogs, die heute längst zu “Gatekeepern of Cool” geworden sind.

Die Social-Steuer ist in erster Linie in der Modewelt zu bestaunen, wenn längst vergessene Marken wieder aus der (mittlerweile) indo-chinesischen Lagerhalle krauchen und plötzlich wieder auf dem gesellschaftlichen Radar auftauchen, weil ein bekannter Mensch oder eine bekannte Firma mit ihr kooperiert. Es gibt nämlich einige wenige Menschen und noch einige wenigere Firmen, die den Draht zu ihrer Zielgruppe nicht verloren haben, im Gegenteil, die wissen, wie man shareable Posts postet, Hashtags richtig setzt, zurück kommentiert, Like for Like nutzt, aber in erster Linie natürlich so spannendes Zeug macht, dass ihre Inhalte überhaupt gesehen werden wollen.

Die Social-Steuer müsste natürlich eigentlich Abloh-Steuer oder Influencer-Steuer heißen, denn Virgil Abloh ist im Moment das dauerinfluencende Gesicht dieses Phänomens. Aus der Kanye-Clique kommend, monetarisiert er im Moment wie kein anderer seinen Sinn für Zeitgeist. Für Nike macht er Schuhe und eine ganze Sportkollektion, für Ikea Möbel, Taschen, Teppiche. Für Rimowa Koffer, warum auch immer. Die Jungs von Dandy Diary haben ihm einen Artikel dazu geschrieben, dem nichts mehr hinzuzufügen ist (“Jeder mit jedem”).

Bei der Arbeit: Fashiondesigner Abloh und Influencer Abloh

Zurück zur Businessperspektive. Es gibt die Mega-Influencer, wie die Frau von Kanye West, samt ihrer 19 identisch aussehenden Schwestern, oder diese blonde Italienerin, die über Mode schreibt; viel heißer aber aus Sicht der Marketingexperten sind heutzutage die Micro-Influenzer, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie weniger erfolgreich sind als ihre Mega-Pendants und das die Reichweiten-Interaktions-Ratio dadurch natürlich besser ist. Das soll auch gar kein Bashing sein, soll jeder Geld verdienen wie er will, aber weil Hate sich besser liest, bleiben wir im Doberman-Duktus.

Und machen ein kleines Gedankenspiel! Denn auch die Tech-Größen dieser Welt (Musk, Zuck, Bezos, Pichai, Evan Spiegel, ausdrücklich nicht mehr Travis Kalanick, aber dafür Satja Nadella) sind heute genauso Influencer. Nehmen wir eine hoffnungslose Firma, an die keiner mehr glaubt und die im Grunde schlafwandelnd in die Insolvenz schlürft: also Nokia. Wenn morgen Elon Musk den CEO-Posten übernähme, oder noch besser, Mark Zuckerberg (wegen Connecting People und weil Elon Musk schon so viele Firmen führt), kommen natürlich sehr talentierte Führungskräfte ins Unternehmen, die wissen, wo es langgeht und sicher mit großem Vertrauensbonus ins Rennen gehen.

Aber sie bringen eben auch eine Gegenöffentlichkeit mit, nämlich ihre eigenen Follower auf Twitter, Linked-In, Facebook, Instagram.

Die Medien können berichten was sie wollen, jubeln oder ächzen, kritisieren, analysieren, dechiffrieren - Am Ende bekommt das Unternehmen mit dem CEO ein Sprachrohr samt Öffentlichkeit, gegen das die Medien antreten (Twitter ist Trump’s Gegenöffentlichkeit). Auch dieses Phänomen ist die Social-Steuer. Sie muss von allen Unternehmen bezahlt werden, die keinen charismatischen twitternden CEO haben und die die sozialen Medien auch sonst nicht über ein PR-Geplänkel hinaus bedienen können. Theranos zum Beispiel. Wäre Elizabeth Holmes nicht so verschwiegen und hätte sie besagte Gegenöffentlichkeit aufbringen können, wäre ihr Fall so hart gewesen? Wäre sie überhaupt gefallen? Oder Gegenbeispiel: wäre Tesla ohne Elon Musk noch da? Oder so wertvoll?

In der “Purpose Tour” haben wir darüber geschrieben, dass es in der Strategie nicht länger darum geht, das Why zu finden, sondern es neu zu erfinden. Diese Abhandlung kann als zweiter Teil verstanden werden, eben jenes Why besser schnell zu finden und sich so steuerbefreien zu lassen.

child kollaboriert mit ambitionierten Unternehmen, um sie bei der Digitalisierung durch radikale Vereinfachung von Null auf Eins zu bringen..

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