Teslas Lächeln

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5 min readJun 26, 2020

Tesla hat schon lange die besseren Produkte und läutet mit dem Cybertruck eine neue Designära ein. Durch die kann es bessere Produkte günstiger und schneller produzieren als der Rest der Autoindustrie. Wie in einem Puzzle fügen sich nach und nach die Einzelteile zu einem großen Bild zusammen. Das Motiv zeigt Elon Musk, breit grinsend und mit Joint im Raumanzug.

Dieser Text hätte eigentlich “Die Zerstörung der Deutschen Autoindustrie” heißen müssen, aber die Autoren sind nicht fit genug für ein Youtube-Battle mit Rezo und außerdem seriöse Berater. Den Diss brachte dann auch ein anderer, zum Glück jemand mit Gravitas. Ex-Audi-Entwicklungschef Peter Mertens:

Die Quintessenz seines Rants: die Entwicklung der so wichtigen zentralen Software wurde an Zulieferer outgesourct. Die aber haben kein Interesse auf neue Produkte und Steuerungssysteme und auf Synergieffekte, die ihre Margen kannibalisieren würden. Und so entwickeln die Zulieferer vermeintlich am Ziel vorbei. In der Unternehmenszentrale sitzt aber auch keiner im Vorstand mit dem nötigen vertikalen Software-Verständnis. Entstanden ist laut Mertens ein Krake mit acht Armen und keinem Gehirn. Wir wollen an dieser Stelle nicht das Problem nacherzählen, wir wollen es noch schlimmer (und hoffentlich dringlicher) machen.

Einen modernen Verbrennungsmotor zu konstruieren, war sehr kompliziert. So kompliziert, dass die Antriebstechnologie neben Komfort und Sicherheitsaspekten zum Burggraben der deutschen Autoindustrie wurde — und damit auch viel Wohlstand schaffte. Dann kam das Internet, dicht gefolgt von der Elektrotechnik als Antriebstechnologie (nur 250 Bauteile), und das neue komplizierte Problem, das es zu lösen galt, war nicht mehr der Antrieb, sondern die Software — zur Steuerung des Autos und als Schnittstelle zum Fahrer und der Umwelt. 10 Jahre dieses “Problem-Shifts” später und es gibt nur eine Marke, die das neue, schwierige Problem gelöst hat. Das ist Tesla und die haben gut Lachen! Alle anderen Hersteller haben zwar tolle Apps zum Öffnen von Türen entwickelt, zum automatischen Einparken, oder sie haben das Geld gleich in bombastische Retail-Stores gesteckt, in denen man per App ein Auto kaufen kann. Damit haben sie zwar App-Awards gewonnen, aber womöglich den zukünftigen Product-Market-Fit verspielt.

Der größte Fehler der hiesigen (reichen) Autoindustrie ist es, so viel Energie und Momentum in Vertriebs-, Kommunikations- und Retail-Innovationen gesteckt zu haben, denn dieses Theater hat sie gehörig abgelenkt. Was will ich mit drei Audi als Abo im Jahr, wenn das Auto nicht mehr cool ist? Was soll der krasse Shop, wenn es darin kein krasses Produkt gibt? Fragen, die sich erst hinterher so lässig stellen lassen. Diese Innovationen waren alle nicht verkehrt, aber sie haben eben nichts an der Wertschöpfung verändert und nichts oder nicht genug zur Lösung des neuen großen Problems beigetragen. Wir haben in einem Artikel mit dem Titel “Nichts zu lachen mit Elektroautos” mit der Stan Shih Smile Curve ein mögliches “Mental Model” beschrieben, wie die neue Wertschöpfung und damit auch Wettbewerbsrealität des Automobils aussieht. Ein Auszug:

In der Theorie der „IT-relevanten Fertigungsindustrie“ beschreibt die Smile Curve die Veränderung der Wertschöpfung in den verschiedenen Phasen der Markteinführung eines Produkts. Das Modell stammt von dem Gründer von Acer, Stan Shih. Seiner Beobachtung nach verfügen die beiden Enden der Wertschöpfungskette — Konzeption/R&D und Marketing — in der Computerindustrie über eine höhere Wertschöpfung des Produkts als der mittlere Teil der Wertschöpfungskette — die Fertigung an sich. Wird dieses Phänomen in einem Diagramm mit einer Y-Achse für den „Wert der Wertschöpfung“ und einer X-Achse für die Produktionsstufe (Zeitachse) dargestellt, sieht die resultierende Kurve wie ein Lächeln aus. Ein Lächeln, bei dem man als Unternehmen lieber in den Mundwinkeln verortet ist.

Links: Konzept der Smile Curve. Rechts: Tesla-Innovationen Exoskelett, LIDAR und Marketing-Stunts und Stores

VW, BMW & Co finden sich seit dem Problem-Shift nicht mehr hoch in den Mundwinkeln wieder. Tesla ist aber klar genau da: breit lächelnd. Um das zu beweisen, muss man sich eines der letzten Produkte ansehen: den Cybertruck. Auf den ersten Blick folgt er dem PR-Narrativ Teslas, denn der Cybertruck sieht aus wie ein fahrendes Meme. Wie soll die Vision eines CEOs auch sonst aussehen, wenn der nebenbei mit seiner anderen Firma Raketen baut? Der Tesla Cybertruck ist ein Meme, eine mutige Firmenvision und möglicherweise sogar der Beginn einer neuen Ära im Design. Damit ist nicht allein die Ästhetik gemeint, sondern die Fertigungslogik insgesamt.

Ein Cybertruck kommt genauso rough und geremixed daher wie Content auf TikTok. Nicht nur, dass beide die gleiche Zielgruppe beeindrucken wollen, mehr noch teilen sich Tesla und TikTok einen ähnlichen Engineering-Ansatz. Als “erstes Social Network, bei dem die AI das Produkt ist” wird TikTok beschrieben, so überlegen sei deren Algorithmus im Arrangieren von Inhalten. Tesla baut eine ähnliche Engine mit seinen Fabriken für Modelle wie den Cybertruck. Ein Video des Auto-Gurus Sandy Munro zeigt die Produktionsperspektive hinter dem Design, vor allem die Kostenseite:

Der Cybertruck wird mit Materialien und Fertigungstechnologien gebaut, die Tesla aus Space X übernimmt. Das allein ist noch Marketing, aber Space X stellt sich ganz andere Fragen an Materialien und Kosten der Fertigung, die sich Tesla nun auch stellt (und die sich Audi nicht stellt). So entsteht ein Auto, das deutlich einfacher zu produzieren ist und das eine eigene Ästhetik findet. Sandy Munro macht im Videoausschnitt die Kosten-Kalkulation dieser neuen Ästhetik:

Eine Produktionsstrasse, die im Jahr 50.000 Ford F150 Pick-Ups Trucks produzieren kann, kostet 210 Millionen US-Dollar im Bau. Die Produktionsstrasse eines Cybertrucks mit dem gleichen Output kostet 30 Millionen US-Dollar (das ist ein Siebtel der Kosten!). Der Kostenunterschied für 600.000 Units pro Jahr ist entsprechend noch spektakulärer: 615 Millionen US-Dollar beim F150 und 125 Millionen US-Dollar beim Cybertruck. Und das ausschließlich aufgrund des Designs, hier vor allem die einfachere Blech-Verarbeitung weil es kaum Kurven gibt und der fehlenden Lackierarbeit.

Ein Tesla updated sich über Nacht selbst und macht möglich, dass man am nächsten Morgen in ein anderes Auto einsteigt. Ein Tesla überrascht mit unterhaltsamen Mods wie den Ludacris-Mode, fährt autonom und hat mehr Power als ein Porsche Taycan. Nun kommt möglicherweise eine neue Ästhetik hinzu, die Kosten reduziert, sehr wahrscheinlich die Produktion massiv beschleunigt und wahrscheinlich ganz neue Baureihen ermöglicht.

Das alles passiert, während der ehemalige Audi-Chef im Gefängnis sitzt wie ein James Bond Villain. Nicht für Moving Fast And Breaking Things, sondern für Vorwürfe der Abgasmanipulation. Wake Up, Germany!

Der Cybertruck mag vielleicht nur Cyberpunk sein, ein Marketing-Gag. Aber: who cares was als nächstes en-vogue sein wird! Tesla wird die erste und vielleicht einzige Marke sein, die daraus Kapital schlagen können wird. Die bittere Erkenntnis: Bei diesem Innovators Dilemma hat am Ende nur einer gut Lachen. Und das ist Elon Musk.

child kollaboriert mit ambitionierten Unternehmen, um sie bei der Digitalisierung durch radikale Vereinfachung von Null auf Eins zu bringen.

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