Gute und böse Geschichten. Oder: Storytelling in der Content Strategie

Sonja Radkohl
Content Mines
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4 min readJul 24, 2017

Was hat Storytelling mit Content Strategie zu tun? Ganz schön viel. Denn gute Stories leiten nicht nur unsere Gefühle sondern beeinflussen auch unser Handeln.

Richtiges Storytelling heißt: Ich tauche in eine Geschichte ein. Vergesse alles um mich herum, bin gefangen, gerührt. So gerührt, dass ich die Geschichte weitererzählen will. Storytelling kann ganz schön viel auslösen in mir. Und deshalb schreibe ich diesen Post.

  1. Storytelling ist mächtig.
  2. Es gibt auch Schattenseiten von Storytelling.
  3. Content Strategie und Storytelling gehören zusammen.

1. Was ist jetzt eigtentlich Storytelling?

Geschichten sind wohl so alt, wie wir Menschen. Sie dienten schon immer dazu, unser Überleben zu sichern — von der Futtersuche bis zur Anleitung „Wie entwische ich einem Säbelzahntiger“. Der Klassiker darunter: Die Heldenreise. Ein Hauptcharakter (oder: der Held) hat ein Problem. Daraufhin begibt er sich auf Wanderschaft, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Er wird mit einigen Herausforderungen konfrontiert (Drachen, sprechende Katzen, Hunger) und findet schlussendlich die Lösung (Drachen töten, Katzen überlisten, Snickers essen). Und von dieser berichtet er seinen Kumpanen. Klingt einfach, ist aber wirkungsvoll. „Harry Potter“ oder „Star Wars“ sind (zugegeben: etwas komplexere) Formen der Heldenreise.

Heldenreise superknapp: Snickers.

Geschichten berühren uns, weil wir uns darin selbst erkennen können. Besser: Wir identifizieren uns mit den Helden in der Geschichte. Wir fühlen mit ihnen, wir stimmen mit ihnen überein oder kommen zu eigenen Erkenntnissen, wenn wir ihre Geschichte hören. Und das wiederum beeinflusst unsere Entscheidungen. Denn wir sind weniger rational, als wir glauben. Öfter als wir glauben spielen nämlich Emotionen oder das gute alte Bauchgefühl eine wichtige Rolle, wenn wir Entscheidungen treffen müssen.

Das MUSE Storytelling-Prinzip gießt diese Erkenntnisse in eine Formel, die helfen kann, bessere Geschichten zu erählen:

Storytelling nach MUSE: Der Held

Eine gute Geschichte lebt von ihrem Helden. Er ist echt, lebensnah, wir fühlen mit ihm. Zentral dabei ist aber der Konflikt. Erst dieser macht die Heldenreise möglich.

Schauen wir uns Cyrano aus dem Stück „Cyrano de Bergerac“ (1897) an: Er ist verliebt in seine schöne Cousine, möchte mit ihr zusammen sein, traut sich aber nicht, sie anzusprechen, weil er sich für hässlich hält. Denn Cyrano hat eine übermäßig große Nase. Wie überkommt er seine Zweifel? Mit wem tut er sich zusammen, welche Mittel ergreift er, um seinen Traum zu verwirklichen? Cyrano kämpft somit gegen sich selbst und sein mangelndes Selbstvertrauen— Man vs. Self — einer von sieben Konflikttypen. Et voilà — das Grundgerüst der Story steht.

Cyrano hadert mit seiner übergroßen Nase

Storytelling nach MUSE: Der Plot

Nach MUSE folgt der Plot einem sehr strikten Aufbau: In den ersten 25% finden wir den Beginn, die Vorstellung des Helden und den Konflikt. Im Mittelteil (50%) kommt es zur Heldenreise, dessen Ende der Held seinen Konflikt löst. Zum Abschluss (weitere 25%) lernen wir etwas vom Helden bzw. werden aufgefordert etwas zu tun.

Klingt einfach? Nicht so wirklich. Benni und ich haben uns an einer fiktiven Geschichte für ein kleines Theaterprojekt versucht. Und sind kläglich gescheitert. Wir sind dabei gleich in mehrere Fallen getappt:

  • Zu viele Charaktere, obwohl es vielleicht nur 2 braucht.
  • Ein großer, dramatischer Konflikt (was an sich ja gut ist) aber:
  • Der Konflikt wird plötzlich von einer anderen Person gelöst, obwohl der Hauptcharakter dazu alleine in der Lage gewesen wäre.
  • Damit entsteht zu viel Drama, zu viele Nebengeschichten, der Blick für das Wesentliche geht verloren, und so weiter.

Wir haben gelernt:

Storytelling braucht Übung!

Der Storytelling-Prozess nach MUSE

2. Schattenseiten von Storytelling

Gutes Storytelling löst starke Gefühle in uns aus. Und Gefühle führen zu Handlungen. Doch müssen diese Gefühle nicht immer positive Erscheinungsformen wie Freude oder Hoffnung sein. Man könnte sogar sagen, dass negative Beispiele wie Wut oder Angst noch stärkere Reaktionen auslösen.

Angst ist ein sehr mächtiges Gefühl, das uns zu irrationalen Handlungen treibt. Denken wir etwa an die aktuelle Flüchtlingskrise und die Berichterstattung darüber.

Eine weiterer negativer Punkt: Storytelling kann einseitig sein. Wenn eine Ansicht in vielen Geschichten in einem gewissen Licht dargestellt wird, kann sie für das Publikum schnell zur Realität werden, egal ob die Erzählung die Faktenlage korrekt spiegelt oder nicht. Die Nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie bringt das auf den Punkt:

Als junges Mädchen las Chimamanda Ngozi Adichie Bücher, in denen die Heldinnen weiß waren, blonde Zöpfe hatten, Äpfel aßen und über das Wetter sprachen. Ihre Haut aber sieht aus wie Schokolade, sie isst Mangos und in Nigeria spricht niemand über das Wetter, weil es jeden Tag gleich ist.

Geschichten können Stereotypen fördern. Sie haben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sie können immer nur einen Ausschnitt zeigen. Und genau deshalb dürfen wir nicht alles, was wir hören, lesen oder sehen für bare Münze nehmen, nur weil die Erzählung gut gemacht ist.

Chimamanda Ngozi Adichie über die Gefahren einer einzigen Geschichte

3. Storytelling und Content Strategie gehören zusammen

Eine inspirierende Geschichte packt uns und beeinflusst unsere Handlungen. Anders als eine reine Aufzählung von Fakten bleibt sie länger im Gedächtnis und schafft Verbindung. Richtig eingesetzt kann Storytelling damit viel bei Kunden auslösen. Und das möchte auch jede Content Strategie erreichen, indem sie Storytelling aktiv in die Planung von Content einbindet. Zum Abschluss hier noch ein paar Tipps für die Umsetzung (u. a. nach Miriam Löffler):

  1. Lerne deine Zielgruppe kennen, nur so weißt du, welche Geschichten sie hören will.
  2. Überprüfe, ob dein Content Storytelling-Kriterien erfüllt. Das kann in einem Audit passieren.
  3. Eine Konkurrenzanalyse ist eine große Inspirationsquelle. Besonders wenn die Mitbewerber Fehler machen ;-)
  4. Beherzige, was eine gute Story ausmacht. Du musst mehr wollen, als nur verkaufen.
  5. Vom Makro- ins Mikrostorytelling: Habe ich eine gute Geschichte gefunden, erzähle ich sie öfter, auf verschiedenen Kanälen, und verbreite sie weiter.
  6. Gute Geschichten erzählen. Ganz einfach.

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Sonja Radkohl
Content Mines

culture, arts, music and public relations, books-lover, content strategist (yeah, i’ll explain that one later)