Von den Königen der Republik und den wahren Rebellensorgen

Bruno Habegger
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3 min readMay 7, 2017

Es läuft gut im Ex-Puff. Die Macher von «Republik», dem Medienprojekt, das gerade den Weltrekord im Crowdfunding für journalistische Projekte gebrochen hat, haben sich dort eingerichtet, wo die Wirkung gross ist: Die Verteidiger der Demokratie sitzen mitten im Rotlichtmilieu. Verdammt gute Geschichte.

Seibt & Co. sind grossartige Geschichtenerzähler. Ihre Kampagne scheint bis ins letzte Detail durchdacht. Vom Ex-Puff bis zum maroden Medienbetrieb, der die Demokratie schädigt, die es zu retten gilt, von Erdogan bis Supino. Vom Herzen bis zum Verstand. Von den Bösen bis zu den Helden. Alles da, was den Zeigefinger rebellisch macht. Doch nach über 11000 Mitgliedern, die den Abopreis einer Zeitung zum Voraus bezahlen, die es noch gar nicht gibt, ist der Schwung etwas erlahmt. Nach eigener Aussage braucht es mehr als 20000, um profitabel zu werden.

Schon 11002 Mitglieder (7. Mai 2017).

Peter Hogenkamp, der Scope-Mann und Ex-NZZ-Digitalchef, hat Recht, wenn er schreibt: «Brillant orchestriert aus dem Ex-Puff». Und er warnt, dass die paar Millionen nicht genügen werden, schon gar nicht mit der Entwicklung einer eigenen IT und den nun allerhöchsten Erwartungen der 11000 Verleger im Nacken.

Natürlich ist jedes Publikum launisch wie ein Server. Wird höhnisch lachen oder maulen, wenn die Journalistinnen und Journalisten die Welt anders sehen als es selbst. Wird den Daumen nach unten kehren, wird das Abo klickigen, den Tag verfluchen, an dem der echte, wahre Journalismus den warmen Filz des Nestes mit Schmutz bestreicht. Die Heterogenität der Unterstützer der ersten Stunde wird homogener werden, die Politik ihre Furcht verlieren, die Begeisterung sich in Nüchternheit kehren. Die sollen doch erst mal. Aber das wissen Seibt & Co selbst.

Die Geschichtenerzähler

Constantin Seibt (Stillshot aus dem Werbefilm von republik.ch)

Da sind im Ex-Puff begnadete Geschichtenerzähler am Werk, die heute schon Freude bereiten, ganz ohne journalistische Stoffe. Einfach mit den Mitteln des Content-Marketing. Ihre Heldenstory liest sich leicht. Und die dunkle Seite der Macht spielt ihnen in die Hand. Mit «radikalen Szenarien» etwa oder der Gegenlesekultur Ringier: «Die Gegenlese-Kultur ist höchst problematisch» — Medien, gegen die sich die Verlage und Chefredaktoren nie gewehrt haben. Oder wenn das Gratisblatt aus dem Haus des nun seibtlosen Qualitätsverlages und Ringier die «Republik» schlicht ignorieren Republik: NZZ und Ringier dementieren Vorwürfe — Medien, ist das ein Steilpass für alle jene, die in ihrem Jahresbeitrag einen Protest gegen die Verschwörung des Medienestablishment sehen. Systemprotest durch Förderung von Antihelden ist gerade in Mode und Ausdruck der virtuell gestärkten Ichbezogenheit. So, me is the best.

I alone can fixit.

Das wahre Problem der Republik

Das Marketing der Republik zielt auf das politische Gewissen und auf die Frage aller journalistischen Fragen: Was ist Journalismus? Und wie setzt man ihn durch in einem Land, dessen Medien sich schon immer als Kompagnons der Politik (oder eines Teils davon) und der Showszene (längst fusioniert!) verhalten, es jedoch leugnen, verdrängen und verheimlichen? Ups. Verschwörung. Wie stark sind die Rebellen wirklich, sind sie bereit, journalistische Bomben abzuwerfen? Wie stark sind ihre «Verleger», halten sie ihren Drang nach Infotainment unter Kontrolle? Wie einflussreich sind ihre anderen Financiers im Hintergrund (bestimmt keine aus der Blocher/Tettamanti-Ecke)?

Guter Journalismus serviert die Essenz des Lebens, ist eine Gegenkraft zur Dummheit, nicht eine gegen gesellschaftliche und politische Strömungen jeder Art. Es gibt gute Gründe, konservativ zu sein, gute gegen den Staat zu kämpfen und gute, die Familie zu hegen. Es gibt aber auch viele gute Gründe, die wahren Dummköpfe hüben wie drüben zu entlarven, die trojanischen Pferde aufzubrechen, alle Lügengeschichten wahr zu erzählen. Ausserhalb der eigenen Existenz und seines Denkens stehen, das wäre der Idealzustand auf dem Pfad zur Objektivität, den nie jemand erreichen wird. Aber vielleicht die wahre Kunst des Journalisten: mit Gleichmut die Welt zu sezieren. Das fordert Opfer unter Freunden und Feinden. Himmel und Hölle!

Guter Journalismus ist ein Infrastrukturgut des «Volkes» und sollte von ihm direkt gefördert werden: Der Start der «Republik» ist gelungen, möge sie lange und in Frieden leben.

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Bruno Habegger
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Unternehmensjournalist. Langjähriger freier Mitarbeiter diverser Zeitschriften und Zeitungen. Mitglied Gründungsteam zweier Newsplattformen in den 90ern.