Die Weltuntergangsuhr

Es ist zweieinhalb Minuten vor Mitternacht

David Mehling
Das Sonar
Published in
4 min readFeb 13, 2017

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Von DAVID MEHLING

Am 26. Januar 2017 wurde die Weltuntergangsuhr (Doomsday Clock) neu gestellt. Aktuell steht sie auf zweieinhalb Minuten vor Mitternacht. Die Welt befindet sich damit so nah am Weltuntergang, wie seit 1953 nicht mehr, als die Uhr auf zwei Minuten vor zwölf gestellt wurde.

Die Weltuntergangsuhr besteht seit 1947 als symbolische Vergegenwärtigung der Wahrscheinlichkeit der Auslöschung der Menschheit durch einen nuklearen Konflikt.

Geschaffen wurde die Doomsday Clock von Wissenschaftlern der Universität Chicago, sie hatten vorher im Manhattan Project die ersten Atombomben entwickelt, welche dann auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden. Sie kombinierten den Countdown eines Raketenstarts mit der symbolischen Apokalypse um Mitternacht, ähnlich der Redewendung „fünf vor zwölf“. Mit der Zeit wurde die Weltuntergangsuhr zum anerkannten Indikator der sicherheitspolitischen Weltlage.

Die Uhr wird vom Science and Security Board der Fachzeitschrift „Bulletin of the Atomic Scientist“ gestellt in dem aktuell 18 Nobelpreisträger, darunter Richard Somerville, vertreten sind.
Sie erschien bis 2009 auf dem Cover des Bulletin, seit 2009 ist das Bulletin of the Atomic Scientist eine reine online Publikation.

Die Doomsday Clock zeigte von 1947 bis 1991 im Zeitalter des Kalte Krieges vor allem die Gefahr eines Nuklearen Krieges zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten von Amerika an.
Ihren kritischsten Stand erreichte sie, wie bereits erwähnt, im September 1953 aufgrund der Tests von Wasserstoffbomben durch die USA im Oktober 1952 und des absehbaren Tests einer H-Bombe in der Sowjetunion im August 1953. Das Bulletin verkündete: „Only a few more swings of the pendulum, and, from Moscow to Chicago atomic explosions will strike midnight for Western civilization,”

In den folgenden Jahren war die Uhr Schwankungen entlang den Eiszeiten und zeitweiser Annäherung in den Beziehungen zwischen Moskau und Washington unterworfen.

Einzig 1961 stellt einen Ausreißer auf der Uhr dar, da die Kubakrise bis zur November/Dezember Ausgabe des Bulletins bereits gelöst war. Die längste Zeit bis Mitternacht erreicht die Uhr im Jahr 1991 mit 17 Minuten als Reaktion auf den Kollaps der Sowjetunion und das damit verbundene Ende der Blockkonfrontation.

Den nächsten Meilenstein in der Geschichte der Weltuntergangsuhr markiert das Jahr 2007, als das Board sich entschied neben der nuklearen Gefahr auch den Klimawandel in den Stand der Uhr miteinzubeziehen und damit den Klimawandel als gleichwertige Gefahr für die Existenz der Menschheit einzuschätzen, wie einen Atomkrieg.

Der neue Stand auf zweieinhalb Minuten vor Mitternacht stellt in der Geschichte der Uhr in mehrerlei Hinsicht ein Novum da. Zum ersten Mal wurde die Uhr nicht um eine komplette Minute verstellt sondern nur um Sekunden, außerdem kam es nie zu einer Anpassung lediglich aufgrund einer Person.

Die Situation in der Welt, so das Board, hat sich im Gegensatz zu 2016 nicht grundlegend verändert. In Bezug auf den Klimawandel, gab es mit dem Pariser Klimaabkommen zwar einen diplomatischen Durchbruch, jedoch liegt die tatsächliche Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen hinter den Zielen des Abkommens zurück und die Effekte dieser Maßnahmen würden, wenn einmal ungesetzt, ihre Wirkung erst langfristig entfalten.

Durch das Abkommen mit dem Iran gab es 2016 großen diplomatischen Erfolg in Richtung der Prävention eines nuklear bewaffneten Iran. Nordkorea baut allerdings weiter sein Arsenal aus und produziert, verkauft und testet Trägersysteme. Entsprechend war auch an der Nuklearen Front nicht sehr viel Bewegung entstanden im Letzen Jahr.

Der entscheidende Unterscheid zu 2016 war die Rhetorik Donald Trumps im Wahlkampf, seine Wahl zum US-Präsident und sein Kabinett aus Klimawandelleugnern und rechten Hardlinern. Der neue US-Präsident hält den Klimawandel für einen „chinesischen Schwindel“ und berief einen ausgemachten Klimaskeptiker als Umweltminister.

In seine Reden entwertet Trump die Nuklearen und Konventionellen Beistandsverpflichtungen der Vereinigten Staaten, gegenüber Europa, Japan und Südkorea schlug er vor, dass sie sich selbst nuklear bewaffnen sollten, um ihre Sicherheit selbst zu gewährleisten. Er bewies völlige Unkenntnis in Bezug auf den Typus von Nuklearwaffen und ihre Rolle als politische Waffen und schlug vor, sie einzusetzen, beispielsweise gegen den IS, da man viel Geld verwende sie zu Instandzuhalten und zu Modernisieren.

Nicht nur die Vereinigten Staaten sind aktuell dabei ihre Arsenale aufwendig zu modernisieren, sondern auch Russland ist gerade im Begriff seine Nuklearwaffen umfangreich zu erneuern, was die nukleare Abrüstung unwahrscheinlicher macht.

Seine Abneigung dagegen, sich von Experten beraten zu lassen sowie seine Tendenz wissenschaftliche Fakten nicht anzuerkennen und sich stattdessen an „Alternativen Fakten“ zu orientieren, könnte sich sehr schnell als katastrophal herausstellen.
Nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern in der gesamten westlichen Welt zeigen aufstrebende, meist rechtspopulistische Parteien und Bewegungen eine ablehnende Haltung gegenüber Fakten, professionellem Journalismus und Expertenwissen und bevorzugen stattdessen politisch opportune Fake-News und gelenkte Berichterstattung, insbesondere in sozialen Netzwerken.

“Duck And Cover” (1951) Lehrfilm für Kinder der US-Zivilverteidigungsbehörde.

Die generelle Rückkehr des Nationalismus in die Europäische Politik ist ein Umstand der mit großer Sorge beobachtet wird und der Europa schon zweimal in die Katastrophe des Weltkriegs stürzte.
All diese Umstände bewegten das Board dazu, die Weltuntergangsuhr Uhr 30 Sekunden näher in Richtung Katastrophe zu bewegen. Die Doomsday Clock ist selbstverständlich kein solides wissenschaftliches Messinstrument, ihre Hauptaufgabe ist es einer abstrakten nicht sichtbaren Bedrohung ein Gesicht zu verleihen. Jetzt steht die Uhr also wieder so niedrig wie zu „Duck and Cover“ Zeiten in den 50er Jahren.

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