Morgengrauen in Teheran?
Wie verändert sich der Iran unter Hassan Rohani? Dritter und abschließender Teil der Iran-Reihe.
Teil 1 und Teil 2 finden sie unter diesen Links.
Als sich Mahmud Ahmadinedschads zweite Amtszeit dem Ende näherte kam sowohl im Iran, wie auch im Ausland die Hoffnung auf eine positive Veränderung der Politik auf. Innenpolitisch war die „Grüne Revolution“ im Anschluss an die vermutlich manipulierten Präsidentschaftswahlen 2009 zwar verhindert worden (genauer geht der zweite Teil dieser Reihe darauf ein), es zeigte sich allerdings, dass insbesondere junge Iraner — die Bevölkerung des Iran ist sehr jung (siehe Teil 1)— auf eine Öffnung der Gesellschaft und eine damit einhergehende Verbesserung der wirtschaftlichen Ausgangslage abzielten.
Außenpolitisch war durch Ahmadinedschad so viel Porzellan zerschlagen worden, dass sein Nachfolger die Beziehungen fast von null an aufzubauen habe. Allerdings lässt sich auch durch die Rückkehr zu den geschriebenen und ungeschriebenen Regeln diplomatischen Verhaltens Kapital schlagen, allein schon weil der neue Staatspräsident nicht Ahmadinedschad heißen werde.
Ein neuer Anfang
Hassan Rohani wurde am 14. Juni 1013 zum eben jenem hoffnungsvoll erwarteten siebten Staatspräsidenten der Islamischen Republik Iran gewählt. Im Vorfeld der Wahl hatte das Madschles (Parlament) versucht das Wahlgesetz zu verändern. Dies kann als Reaktion auf die umstrittene und vermutlich manipulierte Präsidentschaftswahl 2009 gesehen werden. Insbesondere der Sieg eines systemtreuen Kritikers wie Rohani stellte die nach den Aufständen zu großen Teilen verloren gegangene Legitimität des politischen Systems wieder her.
Dies führte allerdings zu einem verfassungsrechtlichen Streit innerhalb des politischen Systems (dieses wurde im ersten Teil genauer beleuchtet), schließlich sind in der Islamischen Republik der Wächterrat und das Innenministerium für die Durchführung von Wahlen verantwortlich.
Insbesondere von einer Verschärfung der Anforderungskriterien, die ein Präsidentschaftskandidat erfüllen muss, wurde abgesehen, die Auswahl der Kandidaten trifft wie zuvor der Wächterrat. Allerdings wurden die TV-Duelle im Vorfeld der Wahl abgeschafft und Wahlwerbung im Fernsehen wurde beschränkt. Die wichtigste Neuerung ist jedoch, dass die Wahlen nicht mehr vom Innenministerium allein überwacht werden, sondern von einem neu geschaffenen Ausschuss, dem zwar noch immer das Innenministerium vorsitzt, der sich des weiteren aber aus Mitgliedern des Madschles und Vertretern der Gesellschaft zusammensetzt.
Rohani erreichte im ersten Wahlgang bereits 50.71 Prozent. Der zweitplatzierte war der Teheraner Bürgermeister Mohammad Ghalibaf mit 16 Prozent, der moderateste der Konservativen Kandidaten. Gemeinsam erreichten die Beiden also etwa zwei Drittel der Wählerstimmen, woran man den Wunsch der Bevölkerung nach einer gemäßigten Regierung ablesen kann. Insbesondere die konservativen Hardliner wurden abgestraft. Der Wahlkampf war hauptsächlich auf die wirtschaftliche Lage, gesellschaftspolitische Themen und der Außenpolitik fokussiert. Abgesehen von der (bereits im ersten Teil) zu kritisierenden Auswahl der Kandidaten — nachdem zwei Kandidaten kurz vor der Wahl ihre Kandidatur zurückzogen, standen lediglich 4 zur Auswahl — gibt es keine Anzeichen für systematischen Wahlbetrug, wie noch 2009. Insbesondere der Rückzug von Mohammed Reza Aref, dem einzigen zugelassenen wirklichen Reformkandidaten ermöglichte den Erstrundensieg Rohanis.
Was hat Rohani vor?
Hassan Rohanis Wahlprogramm ist zwar nicht so reformorientiert wie das Chātamis bei seinem Amtsantritt 1997, jedoch erhielt er ein starkes Mandat und kündigte gesellschaftspolitische Veränderungen und insbesondere wirtschaftliche Verbesserungen an. Er lässt sich in seiner konsequenten Orientierung in die Mitte des politischen Spektrums wohl am besten mit dem vierten Staatspräsidenten Akbar Hashemit Rafsandschani vergleichen.
Insgesamt hat sich gezeigt, dass die vier Präsidenten, die während der Amtszeit des Ajatollah Khamenei ihr Amt ausführten, ihr eigenes Profil oftmals in der ersten Legislaturperiode stärker einbringen konnten, als nach ihrer Wiederwahl.
Die zentralen Probleme der Iranischen Wirtschaft sind neben den Folgen der internationalen Sanktionen die hohe Inflation, Korruption sowie die hohe Involvierung des Staates, der paramilitärischen Revolutionsgarden (Pasdaran) und der Armee in die Privatwirtschaft.
Insbesondere die Pasdaran sind während der Amtszeit Ahmadinedschads zum größten Unternehmer des Landes geworden. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind von der Steuer- und Zollpflicht befreit. Insbesondere an Großprojekten, wie der Teheraner U-Bahn, dem Bau von Flughäfen oder Ölraffinerien sind sie beteiligt. Der große Einfluss der öffentlichen Institutionen wirkt auf die Privatwirtschaft lähmend und befördert Korruption. Im September 2013 verkündeten Rohani und Khamenei gemeinsam, dass der politische Einfluss der Pasdaran ab sofort der Vergangenheit angehöre. Dies hat sich zwar in dieser Intensität nicht bewahrheitet, aber ihr Einfluss ist seitdem deutlich gesunken.
Das wichtigste Ziel muss dabei der Abbau der grassierenden Korruption sein, insbesondere wenn durch die voraussichtliche Rücknahme der Sanktionen in Folge des Atomabkommens bald ausländische Investoren in das Land strömen und die Isolation beenden. Dabei hielt die Regierung im Dezember 2014 eine Tagung ab, bei der wichtige Veränderungen angekündigt wurden. Ob tatsächlich eine Wende in diesem Punkt gelingt, wird die Zukunft zeigen.
Die Menschenrechtssituation hat sich leider kaum verbessert. Zwar entließen Rohani und Khamenei etwa ein Dutzend politische Gefangene, die seit den Unruhen im Sommer 2009 inhaftiert waren, angesichts der tausenden verbliebenen Gefangenen ist dies jedoch lediglich als politisches Signal im Vorfeld des ersten Auftrittes Rohanis vor der UNO- Generalversammlung im September 2013 zu bewerten.
Auch an der Situation des seit Februar 2011 unter Hausarrest stehenden ehemaligen Ministerpräsidenten und Präsidentschaftskandidaten Mir Hossein Mussawi hat sich nichts geändert, obwohl seine Freilassung eine der Kernforderung der iranischen Studenten ist. Die Anzahl der Hinrichtungen stieg unter Hassan Rohani sogar massiv an. Bis zum 1.Dezember 2015 bereits über 900 Menschen hingerichtet — so viele wie seit 1989 nicht mehr.
Unter Präsident Rohani wurde auch der seit der Islamischen Revolution geführte Stellvertreterkrieg mit Saudi Arabien fortgeführt. Dieser “Kalte Krieg” des nahen Ostens verdient sicherlich einen eigenen Artikel und soll hier nur kurz angerissen werden. Insbesondere im Yemen, wo der Iran mutmaßlich seit den frühen 2000er Jahren die Sunnitischen Huthi-Rebellen unterstützt, welche im Februar 2015 die Macht im Jemen übernahmen und seit März im militärischen Eingreifen mehrerer Länder unter Saudi-Arabischer Führung gipfelte. Außerdem unterstützt der Iran die Hisbollah im Syrien-Konflikt und Saudi Arabien verschiedene sunnitische Gruppen
Auch für die vielen, zum großen Teil auch iranischen Opfer bei der Massenpanik auf der Hadsch in Mekka im September 2015 machte der Iran Saudi Arabien verantwortlich. Saudi Arabien beteiligte sich an der Eskalation des Konfliktes durch die Exekution von 47 Häftlingen, unter anderem dem schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr was international und insbesondere im Iran zu starken Protesten, die zur Erstürmung der Saudischen Botschaft gipfelten, führte, was von Präsident Rohani verurteilt wurde. 5 Tage nach den Übergriffen auf die Botschaft in Teheran wurde die Iranische Botschaft in Sanaa (Yemen) — angeblich aus Versehen — von Saudischen Kampfflugzeugen angegriffen.
Auf die Lockerung der Sanktionen verschiedener Staaten gegen den Iran im Januar 2016 reagierte Saudi Arabien durch eine immense Erhöhung der Erdölfördermenge. Dies führt auf der einen Seite zu den niedrigsten Ölpreisen seit 13 Jahren, gleichzeitig jedoch auch zu massiven finanziellen Einbußen auf beiden Seiten, die aber der Iran stärker spürt.
Trotz dieser äußerst unerfreulichen Nachrichten muss man Rohani zu Gute halten, dass unter Ahmadinedschad viele Schlüsselpositionen des Landes mit konservativen Getreuen besetzt wurden, die jegliche Maßnahmen, die auf einen gesellschaftlichen Umbruch abzielen energisch zu blockieren versuchen. Doch selbst innerhalb dieses geringen Spielraumes bleibt Rohani hinter den Erwartungen zurück.
Am stärksten spürbar ist die Veränderung unter der neuen Regierung in der Atompolitik. Rohani war Chefunterhändler in den Atomverhandlungen mit den EU-3 (Frankreich, Großbritannien und Deutschland), dabei setzte er die Urananreicherung kurzzeitig aus um zu verhindern, dass sich der Weltsicherheitsrat mit dem Thema auseinandersetzen würde.
Das Atomabkommen im Sommer 2015
Im Sommer 2015 kam es zum vielbeachteten Atomabkommen. Beteiligt waren die USA, EU-3 und der Iran. Das Abkommen stellt eine Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen die Islamische Republik in Aussicht, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Iran sich seinerseits an die ausgehandelten Bedingungen hält.
Der Vertrag sieht vor, dass der Iran jegliches angereicherte Uran, welches über die Menge von 300 kg mit maximal 3,67 % Uran 235 in ebensolches umwandelt und keine weitere Anreicherung spaltbaren Materials über 300 kg mit 3.67% mehr durchführt. Darüber hinaus benötigten Brennstoff darf der Iran im Ausland zu marktüblichen Preisen erstehen. Dieses Material ist dann für die zivile Kernkraftnutzung geeignet, allerdings nicht mehr für militärische Zwecke. Für genauere Informationen über Nukleartechnik reicht hier leider der Platz nicht aus, es sei deshalb exemplarisch auf den entsprechenden Wikipedia-Artikel zur Uran-Anreicherung verwiesen.
Des weiteren wird Inspekteuren der IAEO umfassender Zugang zu allen Nuklearanlagen im Iran gewährt. Den Zeitpunkt der Aufhebung der Sanktionen hat man bewusst unbestimmt formuliert um den Zeitrahmen eventuell anzupassen, sodass ein „Versagen“ des Iran, die Bedingungen bis zu einem Stichtag zu erfüllen nicht zur Nichtigkeit des Vertrages führt.
Die Einigung wurde in weiten Teilen der Welt — insbesondere in Europa — als wichtiger Durchbruch gesehen und viele Firmen begannen sogleich damit, Investitionsmöglichkeiten auszuloten und die Regierung Rohani steht vor der Aufgabe das Investitionsklima zu verbessern, sowie die oben genannten Probleme anzugehen. Auch im Tourismus erhofft man sich einen starken Anstieg, da insbesondere die das Bankwesen betreffenden Sanktionen sich hier als Hindernisse erwiesen. Sehr empfehlenswert ist hierbei die Ausgabe der Sendung „Makro“ des 3sat, die sich speziell mit dieser Anpassung beschäftigt.
Es gibt allerdings nicht nur wohlwollende Töne. Insbesondere die Israelische Regierung unter Benjamin Netanyahu und die Republikanische Partei in den USA äußerten sich extrem kritisch. Man behauptet, die Obama Administration habe dem Iran den Zugang zu Atomwaffen erleichtert und das Land durch die zu erwartenden Investitionen gestärkt. Mindestens die Behauptung, das Abkommen eröffne dem Iran Zugang zu Nuklearwaffen bzw. waffenfähigen Materialien ist schlicht falsch. Die Kritik setzte unmittelbar nach Verabschiedung des Abkommens ein und es wurde teilweise sogar öffentlich zugegeben, dass der Text des Abkommens zum Zeitpunkt nicht gelesen wurde.
Insbesondere im aktuellen Wettbewerb um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner gibt es einen Wettstreit darum, wer gegen den Iran die schärfere Kante zeigt. Es kann also — nicht nur im Sinne der US-iranischen Beziehungen — gehofft werden, dass sich diese Einstellung nicht im Präsidentschaftswahlkampf durchsetzt und in der Folge Politik der USA wird. Dies könnte nämlich dazu führen, dass die Geschichte sich wiederholt und wie zu Beginn der 2000er Jahre, als Präsident Bush den Iran auf die Achse des Bösen setzte und somit die Entspannungspolitik Chātamis und Clintons zunichte machte.
Allerdings gibt es auch von Seiten des Iran schlechte Neuigkeiten, dem man jüngst im Weltsicherheitsrat mangelnde Kooperationsbereitschaft und Verstöße gegen verschiedene UN-Resolutionen attestierte und die Generalversammlung der UNO verurteilte am 18.12.2015 die Menschenrechtspraxis in der Islamischen Republik in einer Resolution.
Im Januar 2016 reagierten die USA mit Wiedereinführung einiger Sanktionen auf einen iranischen Raketentest, der als Signal an Saudi Arabien zu deuten ist.
Es scheint, dass das Jahr 2016 ein entscheidendes für den Iran wird. Gelingt es Präsident Rohani gegen interne Widerstände die Umsetzung der im Atomabkommen vereinbarten Bedingungen zu erfüllen, somit die Sanktionen aufzuheben und somit wirtschaftspolitisch das Ruder herumzureißen? Dies wird auch entscheidend in Bezug auf seine Wiederwahl im Sommer 2017. Oder scheitert das Abkommen an fehlender Kompromissbereitschaft und ändert sich im Falle eines republikanischen US-Präsidenten die Haltung der US-Präsidentschaft und alle Fortschritte werden wieder zunichte gemacht? Von den derzeitigen Republikanischen Kandidaten ist zu diesem Zeitpunkt des Vorwahlkampfes (Dezember 2015) lediglich Rand Paul eine besonnene und umsichtige Haltung in dieser Frage zuzutrauen. Im Falle eines Sieges von Hillary Clinton oder Bernie Sanders würde die unter Obama begonnene Entspannungspolitik vermutlich fortgeführt. Und wie entwickelt sich der zuspitzende Konflikt mit Saudi Arabien?
Die Möglichkeiten der weiteren Entspannung und der erneuten Eskalation stehen zur Zeit offen und die nächsten Monate werden die Weichen über die Zukunft des Iran in der internationalen Gemeinschaft stellen.