Ein E-Auto als Dienstwagen?

Lukas Höfer
Digital H
Published in
7 min readJan 28, 2021

Im Rahmen unserer firmeninternen Initiative „Digital Green“ galt es sich Mitte des letzten Jahres plötzlich mit dem Thema Elektromobilität auseinander zu setzen.

Ich bin wirklich ein absoluter Autoliebhaber und stand dem Thema am Anfang sehr skeptisch gegenüber. Normalerweise lief das Pendeln zwischen unseren Standorten in Düsseldorf und Berlin so ab, dass man sich abends gegen 21:00 Uhr ins Auto gesetzt hat und nach ca. 550km und knapp 4h am Ziel war. Natürlich nicht sonderlich entspannt und mit Sicherheit auch nicht sparsam, aber eben relativ zügig. Doch geht das auch mit einem Elektroauto? Wie ist das Reisen auf Langstrecke und im Business-Kontext? Ich werde in diesem Beitrag nicht auf das Thema Umweltfreundlichkeit eingehen, sondern möchte nach ca. 4 Monaten ein erstes Feedback zur Praxistauglichkeit von Elektroautos für Pendler geben.

Die Wahl des Autos

Bei der Auswahl des Fahrzeugs fing es an. Die meisten E-Autos mit einer vernünftigen Reichweite sind relativ groß und schwer, da der Akku irgendwo unterkommen muss. Marktführer in diesem Bereich ist Tesla, dessen Modelle realistisch ca. 300–400 km auf der Autobahn schaffen. Ein Model 3 wäre auch eigentlich ein schickes Auto gewesen, schließlich passt es auch zum Image eines hippen digitalen Startups. Der Haken? Der Preis! Die Leasingraten sind vergleichsweise hoch und es werden ziemlich große Versicherungssummen fällig. Nach mehreren Gesprächen mit der Konkurrenz von Audi, Mercedes, Volkswagen und KIA stand relativ schnell fest, dass ein EQC 400 von Mercedes die Wahl ist. Im Vergleich zu allen anderen Fahrzeugen wurde uns ein flexibles und günstiges Rundum-Sorglospaket inkl. Versicherung geboten. Zudem war das Fahrzeug innerhalb von nur zwei Monaten lieferbar und auch das Verhältnis von Ladeleistung und Reichweite ließ eine gewisse Langstreckentauglichkeit anmuten.

Laden und Reichweite

Nachdem die Entscheidung getroffen war und das Auto zwei Monate später abgeholt werden konnte, ging es mit der ersten Fahrt direkt von Düsseldorf nach Bielefeld. Der EQC hatte bei Abholung einen Batteriestand von ca. 50% und die Reichweitenanzeige zeigte 158km an. Nunja, nicht ganz die versprochenen 200km, die man mit einem halben Akku eigentlich schaffen sollte. Also musste auf jeden Fall geladen werden. Doch wie lädt man?

Grundsätzlich gibt es eine Vielzahl von öffentlichen Ladesäulen. Anders als bei Tesla gibt es aber keine eigene Ladeinfrastruktur, sondern gefühlt ist jede Steckdose von einem anderen Anbieter. Um Laden zu können, muss man sich sogenannten Ladeverbünden anschließen, die dann wieder bestimmte Anbieter bündeln und eine gemeinschaftliche Abrechnung vornehmen. Gute Erfahrungen habe ich mit Mercedes me Charge, dem Verbund von Mercedes und EnBW mobility+ gemacht. Der Vorteil: Die Partnersäulen von Mercedes MeCharge sind direkt im Navi hinterlegt und werden auch in die Routenführung mit eingeplant. Praktisch ist auch, dass das Navi die Ladesäulen kennt und die unterschiedlichen Ladegeschwindigkeiten und Verfügbarkeiten berücksichtigt. Letzteres sollte man immer bedenken und nicht auf Schilder an der Autobahn vertrauen, denn ich musste nun schon mehrfach die Erfahrung machen, dass die Ladesäulen entweder noch nicht gebaut oder einfach defekt waren. Das ist wirklich ärgerlich und kann den Spaß am Thema E-Mobilität nehmen. In der Regel ist das kein Problem, da es mittlerweile wirklich unzählige Stationen gibt. Im Worst Case muss man an eine langsame Säule fahren und steht bis zu 2h, sodass aus einer normalen Fahrzeit von 6h schnell 8 oder 10h werden können — uncool. In dem Zusammenhang muss man sich auch daran gewöhnen, ab und zu einmal mit 10km oder wenigen Restreichweite an einer Säule anzukommen.

10 km Restreichweite
10 km Restreichweite auf dem Weg zu einer alternativen Ladesäule nachdem die erste Säule defekt war

Was am Anfang noch ein Nervenkitzel ist, kann man nach einiger Zeit relativ gut einschätzen. In diesem Fall wirklich der Hinweis bei längeren Strecken auf das Navi zu vertrauen und nicht auf eigene Faust zu laden.

Die Reichweite an sich ist im Vergleich zur Werksangabe ungefähr so realistisch wie die Verbrauchsangaben bei einem Verbrenner. Wer sein Auto mit den angegebenen 4l fahren möchte, muss mit 80km/h hinter den LKWs fahren — macht man nicht. So werden aus den angegebenen 400km Reichweite auf der Autobahn ca. 250–300km — abhängig vom Fahrstil und der Temperatur. Gerade im Winter muss der Innenraum beheizt werden, was die Reichweite einschränkt. Auch sind Winterreifen ineffizienter bzw. haben einen höheren Rollwiderstand, was im Winter zu ca. 40–50km weniger Reichweite führt. Gleichzeitig wirkt sich die Geschwindigkeit auf Grund eines höheren Windwiderstands massiv auf die Reichweite aus. Man ist natürlich schneller, kommt aber auch weniger weit und hängt öfter am Stecker. Für die Strecke Düsseldorf/Berlin habe ich eine Rechnung mit dem Tool ecalc.ch gemacht. Dabei hat sich herausgestellt, dass eine Geschwindigkeit von 130km/h ideal ist. So komme ich nach drei Ladestopps von insgesamt 1:20 nach 5:51 in Berlin an.

Auswertung von Ladezeit, Gesamtfahrzeit und Verbrauch in Abhängigkeit von der gefahrenen Geschwindigkeit auf der Strecke Berlin/Düsseldorf von ecalc.ch

Man könnte schneller fahren, würde dann aber 4-mal halten müssen. So oft muss man dann doch keinen Kaffee trinken oder aufs Örtchen. Anzumerken ist, dass man das Fahrzeug nicht immer bis 100% voll lädt, da die Ladeleistung im Bereich zwischen 5% und 80% am höchsten ist. So braucht der EQC an einem Schnelllader ca. 40 min bis auf 80%. Man macht also eher drei kleine Stopps von 25–30min als einen großen mit 40 min oder länger.

Die Ladezeit selbst habe ich bisher nicht als störend wahrgenommen. Man rast nicht mehr so wie noch vor einem halben Jahr und kommt deutlich entspannter am Ziel an. Aus eigener Erfahrung kann man die Zeit sehr gut für Telefonkonferenzen nutzen. Da man seine Reise ohnehin besser plant als vorher, kann man entsprechende Slots gleich berücksichtigen. Wo die Zeit natürlich nervig sein kann, ist wenn man abends nach Hause will und dann 100km vor dem Ziel nochmal für 20min rausfahren muss. In dem Zusammenhang der Hinweis, dass eine Wallbox zuhause unabdingbar ist, da man so auch mal mit 5km Rest zuhause ankommen kann und auch immer mit einem vollen Auto los fährt. Nichts ist ärgerlicher, als wenn man losfährt und dann nach 50km schon 30min laden muss.

Fahrgefühl

Das eigentlich Fahren und das hätte ich nie gedacht, ist wirklich eine andere Welt. Das Interessante ist, dass man den Unterschied erst dann merkt, wenn man mal wieder mit einem “normalen Auto” fährt. Es kommt einem alles sehr laut vor und wenn man aufs Gas drückt, passiert einfach nichts. Die Fahrt mit einem Elektroauto ist wirklich um ein Vielfaches komfortabler als mit einem Verbrenner. Es gibt keine Störgeräusche, man kann wirklich super Musik hören und sich bei Zimmerlautstärke unterhalten. Auch beschleunigt ein Elektroauto deutlich rasanter, was insbesondere in der Stadt ordentlich Spaß macht (aber auch schnell ein Knöllchen beschert). Wichtig, ich meine damit nicht speziell den EQC, sondern auch einen VW E-Golf oder einen Renault Zoe. Wer in Berlin mal mit einem WeShare gefahren ist, wird wissen was ich meine. Man fragt sich wirklich, warum es überhaupt noch was anderes gibt.

Kosten

Eine Kostenbetrachtung muss man aus zwei Perspektiven angehen. Zum einen aus Sicht des Unternehmens und zum anderen aus der Sicht des Arbeitnehmers, welcher das Auto versteuern muss.

Aus Sicht des Unternehmens ist ein Elektroauto in etwa so teuer oder günstig wie ein sparsamer Diesel. Vor einem halben Jahr waren die Leasingraten für verfügbare Modelle mit größeren Reichweiten vergleichsweise hoch, da es sich primär um relativ teure Autos handelte. Für Autos mit einem Listenpreis von unter 60T EUR gibt es die E-Auto Prämie, welche als Anzahlung genutzt werden kann. Damit lässt sich die Rate in etwa auf das Niveau eines vergleichbaren konventionellen Fahrzeugs drücken. Wie bereits angedeutet, sind die zugehörigen Versicherungen nicht ganz günstig. Wir haben bei Mercedes ein sehr lukratives Gesamtpaket angeboten bekommen.

Mit dem EQC an der Schnell-Ladesäule

Was wirklich einen Unterschied macht, sind die Stromkosten. Hier herrscht allgemeine Verwirrung und man muss aufpassen, dass man nicht in eine Kostenfalle tappt. Am günstigsten ist das Laden zuhause oder bei diversen Supermarktketten, die kostenlose Lademöglichkeiten bieten. Da das auf der Langstrecke nicht praktikabel ist, muss man sich mit fremden Ladesäulen anfreunden. Grundsätzlich gilt: Je schneller die Säule laden kann, desto teurer ist die kWh. Die Preise variieren von 0,29 €/kWh bis zu 0,79 €/kWh. Es gibt aber auch pauschale Abrechnungen pro Ladevorgang oder pro Minute. Es gibt einiges zu beachten. Dies mussten wir im ersten E-Monat mit einer Abrechnung von über 600€ erfahren. Wir hatten natürlich fleißig an der Autobahn am Schnelllader für 0,79 €/kWh geladen. Da man nicht direkt bezahlt, sondern am Ende des Monats eine Abrechnung kommt, ist einem das Fiasko gar nicht direkt bewusst. Um Ordnung in den Tarifjungle zu bringen, schließt man sich einem Partnernetzwerk an. In unserem Fall die beiden genannten Mercedes me Charge und EnBW mobility+. Meistens zahlt man eine geringe monatliche Gebühr (ca. 5€) und kann dann zu einem festen Preis laden. Das macht einen riesen Unterschied, sodass in den folgenden Monaten unsere Rechnung bei ca. 3.000km im Monat bei +-200€ lag — wohlgemerkt an denselben Ladesäulen und mit einem ähnlichen Ladeverhalten. Somit landet man bei 6–7€ pro 100km an Stromkosten. Kleinere Autos kommen locker auf unter 5€ oder sogar 4€ pro 100km.

Den wirklichen Kostenvorteil erfährt letztendlich der Arbeitnehmer, da sich der geldwerter Vorteil bei einer Pauschalversteuerung auf 0,5% des Bruttolistenpreises reduziert. So kann man durch die Wahl eines Elektroautos bis zu 200 € mehr Nettogehalt bekommen. Auch ist nicht zu verachten, dass man bspw. in Düsseldorf an vielen Stellen kostenlos parken darf.

Fazit

Zusammengefasst ist die Entscheidung auf keinen Fall zu bereuen. Der Komfort und das Fahrverhalten ist um einiges höher als bei einem Auto mit Verbrennungsmotor. Für längere Strecken muss man sich definitiv mehr Zeit nehmen. Das kann unter Zeitdruck nervig sein. Mir hat es geholfen, meine Reisen besser zu planen und entspannter am Ziel anzukommen. Alle Termine im Umkreis von 140km lassen sich ohne Probleme und ohne Laden wahrnehmen. Die Reichweite auf längeren Strecken ist auch kein wirkliches Problem, sondern ebenfalls Planungssache.

Ein klares Manko ist die Ladeinfrastruktur. Hier muss noch einiges passieren. Sowohl was die Anzahl der Ladepunkte angeht als auch die Zuverlässigkeit und die Abrechnung. Es hilft leider wenig, wenn die Förderung von Elektroautos funktioniert, es aber eine instabile Ladeinfrastruktur gibt.

Ich bin wirklich gespannt, wo die Entwicklung in den nächsten Jahren hingeht. Die Technologie entwickelt sich rasant weiter und neue Modelle kommen mit immer größeren Reichweiten und schnelleren Ladegeschwindigkeiten. Ich werde nicht mehr zurück switchen und glaube daran, dass E-Mobilität mit allen Herausforderungen definitiv die Zukunft ist.

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