Ein Lagebericht mit Spareribs

Manche Entscheidungen sind auf den ersten Blick schwer verständlich. Unsere Spareribs waren im Fürstenfelder Biergarten ein Verkaufsschlager. Moment… waren? Ja, waren. Denn in der kommenden Saison gibt es den beliebten Klassiker nicht mehr. Ein Anlass, aus unserer Sicht über die Lage der Gastronomie zu sprechen.

Fürstenfelder
Fürstenfelder Magazin
5 min readFeb 28, 2024

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Fürstenfelder-Wirt Gerhard Kohlfürst im Restaurant
Fürstenfelder-Wirt Gerhard Kohlfürst im Restaurant | © Toby Binder

Sie war als vorübergehende Notfall-Maßnahme gedacht: die Senkung der Mehrwertsteuer auf gastronomische Speisen von 19 auf sieben Prozent. Trotz Umsatzeinbußen konnten Wirt:innen dank höherem Nettobetrag ihre Preise stabil halten. Und für die Menschen war die Senkung ein Anreiz, während und nach der Pandemie wieder Essen zu gehen. Dann begann der Ukrainekrieg. Die Energiekosten stiegen. Die Gastronomie bekam noch eine Schonfrist. Doch damit ist seit Beginn des Jahres Schluss. Die Mehrwertsteuer ist wieder auf 19 Prozent angehoben.

Wen trifft die Mehrwertsteuererhöhung?

Für Unternehmenskunden, die wir beispielsweise bei Tagungen und Veranstaltungen versorgen, spielt das keine Rolle. Im Geschäftsbereich ist die Mehrwertsteuer ein Durchlaufposten. Für unsere Restaurantgäste sind die erhöhten Brutto-Preise dagegen spürbar. Wir sind nicht allzu besorgt. Unsere vielen treuen Stammgäste haben das Fürstenfelder Restaurant schon durch andere Zeiten begleitet.

Anders ist die Situation in unserem Biergarten. Biergärten sind traditionell Orte des Zusammenkommens für Freund:innen und Familien, für Jedermann und -frau. Bayerische Gemütlichkeit soll bezahlbar sein. Deshalb fallen steigende Preise hier mehr ins Gewicht. Das ist ein erster Grund für das Ende der Spareribs, die eh schon zum teureren Biergartenangebot zählten.

Insolvenz-Welle in der Branche

Die Betriebe vieler Kolleginnen und Kollegen konnte die Mehrwertsteuersenkung ohnehin nicht retten. Jüngsten Zahlen des Infodienstleisters CRIF zufolge mussten auch 2023 wieder mehr Betriebe schließen als im Vorjahr. 15.000 sind zudem aktuell insolvenzgefährdet. Auch aufgrund des steigenden Mehrwertsteuersatzes rechnet CRIF damit, dass 2024 noch mehr Betriebe schließen müssen als im vorangegangenen Jahr. Im wohlhabenden Bayern geht es uns dabei im Deutschlandvergleich gut. Hierzulande sind Gastronom:innen am wenigsten gefährdet.

Unsere Fürstenfelder GmbH blickt auf ein sehr gutes Geschäftsjahr 2023 zurück. In allen Unternehmensbereichen konnten wir überdurchschnittliche Umsätze erzielen — auch im Vergleich zur Branche. Doch im Vergleich zum Vorjahr haben sich allein die Energiekosten mehr als verdoppelt. Rund 150.000 Euro mussten wir gegenüber 2022 mehr aufwenden. In der Bilanz merken wir daher von einem sehr guten Geschäftsjahr nichts mehr. Die Folge: Wir bilden keine Rücklagen und vermeiden Investitionen. Und das macht uns Sorgen. Was, wenn es so bleibt? Was, wenn es mal schlechter läuft? Der Druck in der Branche nimmt zu. Auch bei uns.

Biergarten-Schmankerl, z.B. das Schnittlauchbrot
Einfach und bezahlbar — Biergarten-Schmankerl | © Fürstenfelder

Maut und Rippchen

Doch zurück zu unseren Biergarten-Spareribs. Als Pioniere der bio-zertifizierten Gastronomie verarbeiten wir möglichst regionale und saisonale Produkte. Das klappt nicht immer. So auch bei den Spareribs, die wir nur zum Teil regional beziehen konnten. Einen Teil kauften wir in Österreich. Hier wie dort sind die Preise gestiegen. Das liegt einerseits an einer grundsätzlichen Teuerung, die von verschiedenen Faktoren beeinflusst ist. Die Erhöhung des Mindestlohns spielt dabei eine Rolle, Energiekosten, Inflation. Viele Kosten, die in der Produktion entstehen, wurden einfach weitergegeben. Die Erzeuger profitieren davon nicht, nur der Handel scheint oftmals der Gewinner zu sein. Neben den ohnehin gestiegenen Einkaufspreisen ist das österreichische Produkt durch den weiten Lieferweg Ende 2023 zusätzlich teurer geworden. Schuld daran sind vor allem die ausgeweitete Maut für Lieferfahrzeuge und die CO₂-Steuer für den Güterverkehr.

Das Absurde ist, dass wir viele dieser Maßnahmen mit Blick auf Klimaschutz und soziale Standards unterstützen. Doch sind die Zusammenhänge komplex und selten profitieren Jene, die es nötig hätten. Es ist uns wichtig, klar zu machen, welche Auswirkungen das auf ganze Branchen hat. Schließlich betrifft das Ende der Spareribs im Biergarten nicht nur unsere Gäste, sondern eben auch die Landwirtin, den Lieferanten und die Schlachterin, wenn die Nachfrage aufgrund der gestiegenen Kosten nachlässt.

Kurzfristige Entscheidungen, mangelnde Planbarkeit

Besonders herausfordernd ist, wie kurzfristig diese politischen Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden. Im Sturm kann man keine Segel setzen. Doch gutes Haushalten, das jetzt umso wichtiger ist, will geplant sein. Wir konnten beispielsweise zum Ende des vergangenen Jahres den Paaren, die uns als Hochzeitslocation in Betracht zogen, noch keine Infomappen mit aktuellen Preisen für 2024 schicken. Der unklare Mehrwertsteuersatz und die möglichen Teuerungen verzögerten die Drucklegung.

Sicher ist weder Politiker-Beschimpfung die Lösung, noch mit fragwürdigen Parolen auf die Straße zu gehen. Der aufbrandende Unmut zeigt jedoch, dass all die Nachjustierungen ins Leere laufen oder den Kostendruck nur verlagern. Das erleben wir nun mit dem Ende der Mehrwertsteuersenkung am eigenen Geschäft. Es ist Zeit für eine grundlegende Reform. Die Landwirtschaft als Ursprung unserer Lebensmittel braucht faire Erzeugerpreise statt unsinniger Subventionen. Das wird nicht von Heute auf Morgen geschehen. Diese notwendige Veränderung wird uns und unsere Gäste noch eine Weile begleiten und verunsichern. Wir hoffen auf Verständnis. Auch für Entscheidungen, die Unmut hervorrufen. Man muss genau hinsehen, um sie zu verstehen. Dazu wollen wir hiermit einen kleinen Beitrag leisten.

Der Fürstenfelder Biergarten
Der Fürstenfelder Biergarten | © Wolfgang Pulfer

Treue Menschen sind Gold wert

Das wichtigste Ziel aller Gastronomie ist, dass Gäste kommen und vor allem: wiederkommen. Und wir wissen jetzt schon, dass die Spareribs im Biergarten schmerzlich vermisst werden. Vielleicht wird die eine oder der andere sogar denken: Dann geh ich da nicht mehr hin. Einer YouGov-Umfrage im Januar 2024 zufolge wollen ohnehin mehr als ein Viertel der Deutschen beim Essengehen sparen — aufgrund der gestiegenen Mehrwertsteuer.

Statt Spareribs nehmen wir ein regionales Bio-Produkt auf die Karte: knusprigen Schweinebauch. Und vielleicht steckt darin am Ende sogar eine Chance. Denn sich regionaler und saisonaler aufzustellen ist künftig nicht nur nachhaltiger, sondern kann sich auch auszahlen.

Wir hoffen, dass unser Service im Biergarten auch diesen Sommer wieder ins Schwitzen kommt. Und damit zu einem Punkt, der uns erfreulicherweise nicht betrifft: Denn der Fachkräfte- und Personalmangel, der die Gastronomie zu allem Übel fest im Griff hat, macht ums Fürstenfelder einen Bogen. Halleluja! Wir sind sehr dankbar dafür. Wir sind gut besetzt und viele Mitglieder unseres bunten Teams zählen seit Jahren zur Familie. Unser Ausbildungskonzept, das wir als aktive Nachwuchsförderung verstehen, zahlt sich aus. Es macht jeden Tag Spaß, den Jungen im Team dabei zuzusehen, wie sie sich entwickeln und wachsen. Wie sie nach der Ausbildung in die Welt hinausgehen. Und wie viele von ihnen irgendwann wieder zurückkehren. Das gibt uns die Hoffnung, dass uns die Gäste ebenso treu bleiben und dass der Sommer ein erneuter Biergartensommer wird. Denn Menschen sind es, die das Fürstenfelder ausmachen — mehr als Spareribs oder Schweinebauch. Auch Letzterer schmeckt übrigens hervorragend.

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