Evolution der Dysfunktion — Teil 1

Ralf Westphal
Gedankliche Umtriebe
13 min readDec 10, 2017

Warum tun sich Unternehmen oft so schwer bei der Veränderung? Warum arbeiten Unternehmen so ineffizient — und merken es nicht? Das möchte ich besser verstehen.

Als Trainer und Berater stehe ich oft rätselnd vor der Immobilität, die Unternehmen an den Tag legen. Woher kommt sie? Wie kann ich bei der Mobilisierung unterstützen?

Bisher habe ich versucht, diese Dysfunktion von Unternehmen analytisch zu begreifen. Ich habe versucht, das Ganze in Teile zu zerlegen und dabei eine Ursache zu entdecken. Jetzt möchte ich es mal von der anderen Seite her versuchen: synthetisch. Aus Teilen immer größere Ganze zusammensetzen und schauen, wann problematische Verhältnisse entstehen könnten.

Meine „Reise der Erkenntnis“ beginnt dabei ganz am Anfang, sozusagen beim „Urzustand”. Davon ausgehend lasse ich „die Verhältnisse“ sich entwickeln, wie ich meine, dass Unternehmen als Werkzeuge entstanden sind.

Werkzeuge sage ich deshalb, weil sie von Menschen als Mittel zur leichteren Erreichung eines Zwecks hergestellt werden. Gleichzeitig — und das ist das Spannende daran — entwickeln Unternehmen aber auch ein Eigenleben. Sie sind sozusagen soziale Organismen, also eigenständig lebenswillige Systeme.

Raus aus dem Mangel

Alles beginnt beim Mangel. Mangel ist, wenn jemandem etwas fehlt. Dieser Mangel ist unkomfortabel bis lebensbedrohlich. Wer Mangel leidet, möchte ihn ausgleichen.

„Im Urzustand“ geschieht das unmittelbar durch Nutzung einer Ressource. Das ist Konsum. Der Mangelleidende ist der Konsument und als solcher die Senke in die aus einer Quelle (des Überflusses, dem Produzenten) etwas fließt. Der Konsument als Selbstversorger.

So zu leben ist möglich, aber begrenzend. Der Konsument muss ein Tausendsassa sein, um all seine Mangelgefühle auszugleichen.

Leichter wird das Leben, wenn in einer Gemeinschaft nicht mehr jeder alles können muss. Dann kann sich einer auf den Ausgleich bestimmten Mangels spezialisieren.

Die Ressource rückt als Quelle in den Hintergrund. Die primäre Quelle ist nun ein anderer Mensch, ein Leistungserbringer, ein Produzent.

In solcher Arbeitsteilung wird der Mangel aber natürlich nicht einseitig ausgeglichen. Menschen sind selten einfach nur Gönner und Geber. Das Verhältnis zwischen Quelle und Konsument ist vielmehr reziprok.

Menschen in der Arbeitsteilung leben in einem Geflecht von Austauschen, das dafür sorgt, das am Ende jeder weniger Mangel empfindet.

Das nenne ich volle Kopplung. Die im Austausch Befindlichen geben sich gegenseitig etwas, das ihr Leben leichter macht, das einen persönlich empfundenen Mangel ausgleicht. Sie helfen sich sozusagen gegenseitig aus Egoismus heraus.

Mit Geld in die Vielfalt

Aber auch der Tauschhandel hat seine Grenze. Es kann passieren, dass ein Konsument einer Quelle nichts anbieten kann, das sie konsumieren möchte. Es kommt dann kein Tausch zustande und der Mangel bleibt bestehen. Das ist für beide Seiten unerquicklich.

Geld als universelles Tauschmittel hilft, diese Blockade zu überwinden. Wo Geld als Tauschmittel anerkannt ist, nimmt eine Quelle es gern, um es an anderer Stelle gegen ein für sie relevantes Konsumgut einzutauschen. Die volle Kopplung bleibt dabei erhalten.

Das, so scheint mir, öffnet nun auch einer wachsenden Vielfalt von Angeboten Tür und Tor. Konsumenten können immer individuellere, verfeinerte Mangelempfindungen entwickeln und durch Tausch mit Geld befriedigen.

Dadurch wird der Austausch zwischen Quelle und Konsument aber auch komplizierter. Wo vorher klar war, was der eine und der andere braucht, muss das nun genauer spezifiziert werden. Eine Quelle hat nicht einfach, was der Konsument wünscht, sondern leistet gegen einen Auftrag.

Der Auftrag ist die Information an die Quelle, was der Konsument wünscht. Das liefert die Quelle als Ware oder Dienstleistung. Daraufhin zahlt der Konsument mit Geld.

Reflexion 1

Dieser Evolutionsstand zum Ausgleich von Mangel lohnt einen Moment der Reflexion. Oberflächlich mag er selbstverständlich aussehen, doch darin steckt etwas, das Betonung verdient: die Unmittelbarkeit.

Quelle und Konsument sind unmittelbar miteinander verbunden. Die Quelle als Produzent steht in direktem Kontakt mit dem Konsumenten, der wiederum ihre Quelle für Geld ist.

Es ist eine symbiotische Beziehung. Beide brauchen einander. Beide entwickeln sich voll gekoppelt miteinander in Co-Evolution.

Insbesondere wird dabei die Quelle versuchen, es sich leichter zu machen, ihren Mangel auszugleichen. Wer bei gleicher Vergütung den Aufwand für die Produktion seiner Leistung reduziert, der wird produktiver. Das anzustreben scheint mir in der Natur des Menschen zu liegen.

Damit verbunden ist auch Freiheit.

Die Quelle ich abhängig vom Konsumenten, der ihr Geld für ihre Leistung gibt. Umso abhängiger ist die Quelle, je weniger Gestaltungsspielraum sie dabei hat, insbesondere in Bezug auf ihre Zeit. Das kann so weit gehen, dass das Geld, das sie in der ganzen ihr zur Verfügung stehenden Zeit von Konsumenten ergattern kann, gerade so dafür reicht, nur ihre grundlegenden Mängel auszugleichen.

Das ist natürlich eine bedrückende Situation. Die Quelle ist dann sehr unfrei. Unfrei in ihrer zeitlichen Gestaltung und unfrei in Entwicklung und Ausgleich von Bedürfnissen/Mangelgefühlen.

Aber Menschen sind kreativ. In solchen Situationen wachsen sie über sich hinaus, um sich zu befreien. Sie finden Wege, ihr Los zu verbessern. Das nenne ich Innovation.

Wesentlich dafür ist jedoch der unmittelbare Kontakt zum Konsumenten gepaart mit Autonomie, d.h. die volle Kopplung. In der Autonomie experimentiert die Quelle mit neuen Ansätzen und bekommt durch eine Veränderung des Geldflusses von den Konsumenten Feedback, ob sie sich auf dem Weg zu mehr Freiheit (oder sonstigen angenehmen Zuständen) befindet.

Externe Arbeitsteilung für mehr Produktivität

Eine Innovation für mehr Produktivität und also für mehr Freiheit ist die Arbeitsteilung. Eine Leistung wird nicht mehr von einer Quelle allein produziert, sondern in einer Kette:

Die Quellen in dieser Kette stehen sich wiederum in einem Quelle-Konsument-Verhältnis gegenüber.

Auch hier ist der Kontakt unmittelbar in voller Kopplung. Quellen bekommen von den Empfängern ihrer Leistungen das, was sie wollen: Geld bzw. das, was sie zu Geld machen können im Tausch.

Einmal „erfunden“, lassen sich solche Leistungsketten natürlich beliebig verlängern:

Je länger die Kette, desto spezialisierter die Teilleistungen der produzierenden Akteure in ihr.

Interne Arbeitsteilung zur Konsumsicherung

Höhere Spezialisierung jeder Quelle in einer Leistungskette macht zwar produktiver durch die Reduktion von Umschaltaufwänden zwischen Teilleistungen — verringert gleichzeitig allerdings die Wahrscheinlichkeit, einen Konsumenten zu finden. Je spezifischer, individueller der Mangel, den eine Quelle ausgleichen kann, desto geringer die Dichte derjenigen, die diesen Mangel empfinden.

Aus einer Spezialisierung erwächst daher die Notwendigkeit, sich bewusster um den Kontakt zu Konsumenten zu kümmern.

Das bedeutet zunächst, denke ich, Marketing zu machen. Jede Quelle braucht nun zwei Kompetenzen: nicht nur Produktion, sondern auch Marketing.

Marketing vergrößert die Reichweite einer Quelle. Sie macht sie mit Signalen an einen Konsumentenmarkt sichtbarer. Es geht um den war for the eyeballs. Das Resultat ist Aufmerksamkeit bei potenziellen Konsumenten, die dann der erkannten Quelle einen Auftrag geben und am Ende Geld bezahlen.

Je spezieller jedoch das Produkt und/oder je geringer der Mangel in einer Marketingzielgruppe, desto mehr muss die Quelle sich anstrengen, die Leistung tatsächlich an den aufmerksam gewordenen Konsumenten zu bringen.

Als nächstes prägt sich daher ein expliziter Verkauf in Quellen heraus, eine dritte Kompetenz also. Verkauf hat die Funktion, potenzielle Konsumenten zu überzeugen. Er liefert ihnen Argumente dafür, die Leistung zu beauftragen und am Ende zu bezahlen.

In Quellen ist auf diese Weise eine Leistungskette entstanden. Hatte der Konsumentenauftrag sich früher noch quasi von selbst ergeben, da überhaupt ein Angebot der Quelle an einen offensichtlichen, mangelgebeutelten Markt bestand, muss er nun explizit hergestellt werden.

Die Aufmerksamkeit potenzieller Konsumenten und der Auftrag sind in dieser internen Kette Resultate, jedoch noch keine Leistung. Die entsteht erst am Ende in der Produktion, bedarf jedoch nun einer Vorarbeit, ohne eigenen direkten Konsumentenkontakt.

Das ist eine (notwendige) Innovation, um angesichts der zuvor extern entstandenen Arbeitsteilung im Geschäft zu bleiben. Die errungene Freiheit wird gesichert — und weiterer Spezialisierung wird der Weg geebnet, die zu noch mehr Freiheitsgraden und Produktivität führen soll.

Externe Differenzierung und interne Differenzierung entwickeln sich gemeinsam. Extern ist die Kopplung voll, intern jedoch nur teilweise. Resultate gleichen zwar einen Mangel downstream aus, doch es fließt nichts zurück. Vor allem erhält das produzierende Kettenglied eines Resultats dafür kein Geld vom konsumierenden. Und warum auch? Der autonome Akteur vollbringt die zusätzlichen Leistungen ja alle selbst. Er tut es für sich.

Unternehmen für noch mehr Produktivität

Eine immer feinere externe Arbeitsteilung behält in jedem Schritt das volle Innovationspotenzial. Sie ist sehr flexibel bzw. resilient, weil jede Quelle voll autonom reagieren kann.

Solche Flexibilität hat andererseits aber auch ihren Preis. Der besteht in Ineffizienz. Es kostet Aufwand, die direkten, aber lockeren Verhältnisse zwischen den Akteueren immer wieder anzupassen und auszutarieren. Das sind Transaktionskosten, die der Produktivität nicht zur Verfügung stehen. Marketing und Verkauf kosten Kapazität, die nicht für die Produktion guter und morgen besserer Leistung zur Verfügung steht.

Deshalb besteht die nächste Innovation darin, die Arbeitsteilung aus dem Markt der Quellen in ein Unternehmen zu verlagern. Aus externer Arbeitsteilung wird interne.

Naiv gedacht sieht das vielleicht so aus:

Jetzt müssen die Quellen in der Leistungskette nicht immer wieder verhandeln, weil sie fixiert sind. Sie können ihre Kraft auf die Produktion konzentrieren. Energie, die jede Quelle in Marketing und Verkauf gesteckt hat, wird frei. Das Unternehmen spannt einen geschützten Raum auf, in dem Vertrauen und enger Kontakt die Produktion beflügeln können.

Jedes Leitungskettenglied kann sich auf sein Spezialgebiet der Produktion konzentrieren. Marketing und Verkauf werden in diesem Sinne sogar ebenfalls eigenständige Produktionsstationen.

Reflexion 2

Die natürlichen Verhältnisse zwischen Quellen und Konsumenten bestehen in einem dreifachen Fluss, der vollen Kopplung:

Die Beziehungspartner sind autonom und auf den Ausgleich ihres Mangels in Co-Evolution konzentriert. Jeder hat etwas für den anderen, das der möchte.

Daran ändert sich auch nichts, wenn die Quelle sich intern differenziert.

Zwar gibt es jetzt einen inneren Fluss von Resultaten, doch die autonome Einheit, der Akteur bleibt derselbe. Er tut lediglich verschiedene Dinge im Wechsel.

Wenn Akteure jedoch fusionieren, dann ändern sich die Verhältnisse gravierend. Es entsteht ein neuer übergeordneter Akteur: das Unternehmen. Darin haben die Akteure weiterhin Autonomie, denn die ist existenziell — allerdings sind sie nicht mehr voll gekoppelt.

Die Leistung fließt noch von der Produktion zum Konsumenten — aber der externe Konsument zahlt nicht mehr die Produktion, sondern die Quelle, das Unternehmen.

Wo Produktion und Quelle zunächst eins waren, besteht nun eine Trennung. Produktion und Quelle sind nicht mehr synonym. Die Quelle besteht vielmehr aus mehreren Teilen, die intern in einer Austauschbeziehung stehen. Es gibt einen internen Fluss, der in einer Leistung nach außen kulminiert.

Die Produktion mag ihre Leistung am Ende noch direkt an den Konsumenten liefern. Doch was vom Kunden zur Quelle fließt, fließt ins Unternehmen — und wird darin verteilt. Allemal kommt das Geld des Konsumenten nicht direkt bei den Leistungsträgern an.

Es ist Sinn und Zweck von Unternehmen, die internalisierten Produktionskerne von ihrer vollen Kopplung zu befreien. Die kostet ja gerade zunehmend Energie bei externer Arbeitsteilung am Markt.

Damit stellt sich allerdings die Frage, wie denn die internen Verhältnisse zu organisieren sind jenseits der Produktionsflusses. Wie kommen Auftrag und Geld zu den Leistungsträgern?

Der letzte Produktionsschritt bekommt das Geld nicht und der erste nicht den Auftrag. Der letzte hat es nicht allein verdient. Und der erste hat keinen Überblick über all das, was nötig zur Produktion ist.

Daraus folgt ganz fundamental: Die Akteure innerhalb eines Unternehmens, das ja nun eine aggregierte Quelle darstellt, stehen in keinem Leistung-Geld-Austausch mit dem Konsumenten mehr. Und sie stehen auch in keinem Leistung-Geld-Austausch untereinander.

Vom Anfang der Leistungskette bis zu ihrem Ende fließen lediglich Resultate. Doch warum sollte auch nur eines produziert werden? Es wird dadurch ja kein Mangel ausgeglichen. Den Mangel an Geld, den jedes Kettenglied verspürt, gleicht der Konsument seiner Resultate downstream nicht aus.

Einer internen Leistungskette fehlt daher zunächst die Motivation, überhaupt Resultate zu produzieren. Das scheint mir ein fundamentales Problem von Unternehmen.

Und anschließend stellt sich die Frage, welche Resultate überhaupt produziert werden sollten. Auch nach draußen hin gibt es keine Motivation zur Leistung gegenüber einem Konsumenten. Denn der gleicht ebenfalls den Geldmangel nicht aus.

Interne Arbeitsteilung braucht Koordination

Solange die Arbeitsteilung auf einem Markt stattfand, haben sich die Glieder einer Leistungskette bilateral über Angebot und Nachfrage koordiniert. Das funktioniert — ist jedoch wegen des fehlenden Überblicks ineffizient, dafür flexibel.

Im Unternehmen wird die bilaterale, lokale Selbstkoordination ersetzt durch eine globale. Die wird gespeist aus den vom Verkauf generierten Aufträgen und übersieht alle Produktionsschritte.

Die Aufträge kommen nicht vom externen Konsumenten, sondern von einer internen, den Kunden vertretenden Instanz, der Koordination. Die weiß nicht nur, was alles zur Erbringung einer Leistung im Rahmen eines Auftrags an einzelnen Schritten nötig ist, sondern überblickt sogar mehrere Aufträge. Das verspricht eine enorme Effizienzsteigerung durch zentrale Kontrolle.

Die Koordination ist allwissend, was die Aufträge angeht; die Produktionsschritte verlassen sich auf ihre Anweisungen, gemäß derer sie Resultate produzieren, die downstream fließen.

Upstream fließt hier (möglichst) nichts mehr, denn das wäre an der Koordination vorbei. Stattdessen fließen Daten von den Produktionsschritten zur Koordination nach oben, um dort zukünftige Anweisungen zu beeinflussen.

Koordination repräsentiert insofern ein Ganzes, das es bei externer Arbeitsteilung so nicht gegeben hat. Die Leistungen externer Arbeitsteilung ohne explizite Koordination sind deshalb in ihrem Umfang begrenzt.

Solange bei externer Arbeitsteilung ein Konsument nur am Ende einer Leistungskette „gezogen hat“, hat die Kette kein Bewusstsein über sich als Ganzes gehabt. Jedes Glied hat nur seinen Vorgänger upstream als Quelle und seinen Nachfolger downstream als Konsument gesehen. Jedes Kettenglied konnte dabei nur Aufträge erfüllen, die es selbst bewältigen konnte. Ohne interne Arbeitsteilung im Sinne der Produktion war die sehr begrenzt.

Durch explizite Koordination einer Leistungskette jedoch wird Größeres möglich. Es entsteht dadurch ein Ganzes als Quelle auf höherem Niveau, das bisherige Quellen integriert.

Solche Koordination ist eine eigenständige Leistung, die virtuell für die ganze Leistungskette steht und somit auch für die Leistung dem Konsumenten gegenüber.

Konkret ist ihr Produkt jedoch nicht die vom Konsumenten beauftragte Leistung, sondern eine tatsächlich produzierende Leistungskette im Tagesgeschäft.

Abkopplung vom Konsumenten braucht Führung

Eine effiziente und effektive interne Produktion in Arbeitsteilung wird durch die Koordination sichergestellt. Sie übersetzt Aufträge in Arbeitsanweisungen. Damit ist nun sogar ein weiterer interner Akteur ausgeprägt. Die Frage, woher das Geld für alle kommt, stellt sich umso dringender.

Die Antwort darauf lautet: Führung. Die (Unternehmens)Führung ist die Instanz, die das Unternehmen als Ganzes innen wie außen repräsentiert. Zumindest initial ist sie ja auch die Gründerin des Unternehmens. Sie ist also schon deshalb die Empfängerin und Verwalterin des Geldes, weil sie vorher Geld ins Unternehmen investiert hat. Deshalb verteilt Führung das Geld nach innen.

Wenn nun aber Geld das ist, woran es allen Akteuren (innen wie außen) mangelt und sie deshalb versuchen, es durch Leistung gegenüber Konsumenten zu ergattern, dann macht sich Führung im Innenverhältnis durch ihre Geldgabe an die Glieder der Leistungskette zum Konsumenten. Und zwar zu einem Konsumenten in voller Kopplung.

Doch wofür bezahlt Führung mit dem Geld? Führung will keine Resultate und auch nicht die finale Leistung ihrer Leistungskette.

Der Mangel, der bei Führung gegen Geld ausgeglichen werden soll, besteht in einem produktiven Unternehmen. Führung arbeitet also nicht im Unternehmen, sondern am Unternehmen.

Daraus ergibt sich natürlich, dass Führung das Unternehmen auch weiterfließen lassen kann. Es stellt eine Leistung gegenüber potenziellen Konsumenten dar.

Wenn Führung nun jedoch der Konsument für alle Leistungskettenglieder im Unternehmen ist, d.h. für dessen Mitarbeiter, dann stellt sich die Frage, welche Form der Auftrag an die Mitarbeiter hat, den es ihnen erteilt, und wie jeder einzelne Mitarbeiter das für Führung Wertvolle liefert.

Kein Mitarbeiter kann das von Führung gewünschte Unternehmen liefern. Überhaupt kann ein wertvolles Unternehmen nicht direkt hergestellt werden. Es ist vielmehr emergent. Es entsteht „als Nebeneffekt“ von Handlungen, die auf etwas anderes gerichtet sind: den externen Konsumenten oder Kunden.

Aber irgendwie muss Führung sich etwas wünschen gegenüber seinen Mitarbeitern als Quellen. Und irgendwie müssen die etwas ihrem Konsumenten, der Führung, liefern, um am Ende Geld zu bekommen.

Für mich besteht der Auftrag der Führung an Mitarbeiter in Policies, (Rahmen)Bedingungen oder schlicht Regeln. Innerhalb derer produzieren die Mitarbeiter für den Kunden nach Maßgabe der Koordination. Gegenüber der Führung besteht die Leistung deshalb in der Einhaltung der Policies, d.h. in Wohlverhalten (compliance) oder schlicht Gehorsam.

Die Theorie dahinter: Wenn nur die Regeln geeignet gesetzt werden und alle Mitarbeiter sich daran halten, dann entsteht ein wertvolles Unternehmen, für das es sich lohnt, Geld auszugeben in Form von Lohnzahlungen an die folgsamen Kettenglieder.

Reflexion 3

Wenn ich mir die Verhältnisse im Unternehmen anschaue, dann sehe ich Entkopplung. Die Glieder in einer Kette erbringen intern Leistungen (Resultate) für weitere Glieder downstream, die ultimativ in eine nach extern verkaufbare Leistung münden (Produkt).

Dabei stehen Sie jedoch nicht mehr in einem co-evolutionären Kontakt wie am Markt. Ihnen fehlt deshalb Feedback und Motivation und Fähigkeit zur Verbesserung ihrer Leistung in Bezug auf externe Konsumenten.

Statt Entkopplung könnte ich auch sagen, die Glieder sind sich und dem ultimativen Konsumenten, dem Kunden des Unternehmens entfremdet. Der Grund: der Wunsch des Unternehmens nach Effizienz.

Feedback und Motivation und Fähigkeit zur Verbesserung bestehen jedoch weiterhin — allerdings sind sie nach innen gerichtet. Die grundsätzlichen Verhältnisse haben sich für die autonomen Akteure, die Mitarbeiter, nicht geändert. Die Aufmerksamkeit liegt immer noch vor allem auf dem spürbaren Konsumenten als unmittelbarer Geldquelle: das ist die Führung.

Daraus folgt, dass jedes Glied seine führungsbezogene Leistung optimiert. Wohlverhalten ist mithin das eigentliche Produkt jedes Mitarbeiters.

Unternehmen bezahlen ihre Mitarbeiter also nicht für die Herstellung von Waren und Dienstleistungen, sondern für die Einhaltung von Regeln definiert durch ihre Führung.

Wenn Waren und Dienstleistungen externen Konsumenten verkauft werden sollen, dann müssen die internen Regeln so gestaltet sein, dass sie das befördern. Unternehmensführung muss es also verstehen, den natürlichen Optimierungswillen der Mitarbeiter in Bezug auf die für sie relevante Geldquelle über Rahmenbedingungen in Richtung des externen Kunden zu lenken.

Lesen Sie weiter bei Teil 2 der Artikelserie.

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Ralf Westphal
Gedankliche Umtriebe

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