Was eine Demokratie aushält

Sebastian Rothe
HERZ + HAND
Published in
3 min readJan 27, 2016

Es kann einen wütend machen: Die meisten unter uns lesen zurzeit über die Verweigerung zum politischen Diskurs dreier führender Landespolitiker — demokratisch gewählter Vertreter der Bevölkerung — doch wir diskutieren über deren Einflussnahme beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Dabei gilt es aufzuwachen! Wir dürfen den Verweigerern Dreyer, Kretschmann und Kraft nicht einfach nur zuschauen oder ihnen gar noch den Rücken stärken.

© Sebastian Rothe

Seit Monaten führen wir Debatten über Flüchtlinge, Pegida und die AfD. Wir alle beschwören die Demokratie, ganz gleich ob wir Vertreter eines politischen Lagers oder nur politisch interessiert sind. Ganz gleich, ob wir für oder gegen die Sache sind. Jeder argumentiert aus eigener Perspektive, aber wir alle berufen uns auf die demokratischen Rechte, die wir uns bis zu diesem Tag bewahrt haben. Und das ist in Ordnung:

Sie leiht ihren Namen gern — jedem von uns! Während wir ihr gesamtes Spektrum einnehmen, hält sie uns beieinander. Während wir miteinander hadern und streiten, erträgt sie jedes Wort. Während wir miteinander ringen, hält sie das Podium im Gleichgewicht. Sie trägt uns mit Stolz!

Und was tun wir? Gesättigt und müde von ihren Vorzügen, debattieren wir über die Nebenschauplätze während drei unserer höchsten Vertreter auf dem Podium der Demokratie, ebendieses, ihre Grundordnung, infrage stellen. Es kommt mir vor, als hätte ich erst gestern über Pegida geschrieben. Aber Pegida und auch die AfD sind ein geringes Problem für unsere demokratische Grundordnung, als dieses Fehlverhalten. Beide politischen Erscheinungen sind legitimer Teil unserer Demokratie und Ausdruck des politischen Willens eines Teils unserer Bevölkerung. Sie nehmen am Diskurs Teil, sie treten für ihre Überzeugungen ein und kommunizieren diese. Über die Sinnhaftigkeit ihrer Aussagen lässt sich freilich trefflich streiten, nicht aber darüber, dass sie jene demokratisch legitimierten Mittel nutzen, die allen Parteien zu Verfügung stehen. Währenddessen bestätigen Dreyer, Kretschmann und Kraft den schon zu Hauf in Deutschland vorhandenen Nichtwählern, dass ihre Unterlassung auch eine Möglichkeit der politischen Teilhabe ist. Doch es ist viel schlimmer:

Sie bereiten der AfD den Boden für die nächste Landnahme — aus persönlichen Gründen.

Was und wie viel kann unsere Demokratie ertragen? Sie erträgt die NPD, sie erträgt Pegida und sie erträgt die AfD. Daran besteht überhaupt kein Zweifel! Wer aber glaubt unsere Demokratie erträgt die Verweigerung zur aktiven Teilhabe, der irrt. Und wer glaubt, unsere Demokratie erträgt die Verweigerung zur Aufklärung, der kann nicht das höchste Amt einer Landesregierung bekleiden. Oder überhaupt als Vertreter des Volkes agieren. Denn Demokratie verlangt politischen Diskurs in der Mitte der Bevölkerung. Wenn das die Auseinandersetzung mit der AfD bedeutet, dann ist das die Aufgabe. Demokratie verlangt die Repräsentation demokratischer Tugenden und Werte. Wenn das im Diskurs mit der AfD sein muss, weil ein Teil der Bevölkerung diese unterstützt, dann ist das die Aufgabe.

Dreyer, Kretschmann, Kraft auf das Podium!

Nur dort können Sie ihrer demokratisch zugetragenen Aufgabe gerecht werden und für unsere gemeinsamen Werte einstehen. Nur dort können Sie den politischen Diskurs führen und für Aufklärung sorgen. Streiten, hadern und kämpfen Sie um Ihre Wähler. Treten Sie mit Stolz auf das Podium, bringen Sie die Wähler an die Urnen und fordern Sie ihre Stimmen ein. Oder räumen Sie den Platz für jemanden mit mehr Engagement, Verantwortungsbewusstsein und Lust an der Sache.

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