Filippo Brunelleschi, die digitalen Handwerker und die anpassungsfähige Fabrik

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4 min readAug 27, 2017
Die Kuppel von Santa Maria del Fiore in Florenz

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Zu Beginn des 15. Jahrhunderts war Mittel- und Norditalien wahrscheinlich die innovativste Gegend der Welt; das Renaissance-Äquivalent zum Silicon Valley. Das Zentrum dieser Region war Florenz mit seinen Banken, seinen Wollwebereien, seinen Technikern und Künstlern. Kürzlich hat der US-amerikanischer Reporter Eric Weiner die Arnostadt sogar zum goldenen Modell für jedes technologische Innovationszentrum erhoben; in einem Artikel im preisgekrönten Harvard Business Review schreibt er: „alle, die hoffen, den neuen großen Weltinnvationsmittelpunkt zu schaffen, sollten sich ein älteres und bedeutenderes [als das Silicon Valley] Zentrum der Genialität anschauen: das Florenz der Renaissance. Dieser italienische Stadtstaat hat nämlich eine Explosion großer Kunst und brillanter Ideen generiert, die die Welt nie wieder gesehen hat.“

Kürzlich hat der US-amerikanischer Reporter Eric Weiner die Arnostadt sogar zum goldenen Modell für jedes technologische Innovationszentrum erhoben

Florenz war im 15. Jahrhundert das Wahlziel für alle Arten von unternehmerischen, technisch-wissenschaftlichen oder künstlerischen Talenten. Wie Leon Battista Alberti, väterlicherseits Florentiner, aber in Genua geboren, ausgebildet in Padua, Venedig, Ferrara, Bologna und Rom, wo er sich mit den größten Intelligenzen Italiens auseinandersetzen konnte. Alberti war ein vielseitiges und mannigfaltiges Talent, wie Landino schrieb: „Er war Vermesser, Arithmetiker, Astrologe, Musiker, und in der Perspektive wunderbarer als alle Männer vieler Jahrhunderte […] Er schrieb nicht nur, sondern machte selbst höchst angenehme Pinsel-, Meißel-, Stichel- und Bronzewerke.”

Der „Universalmensch“ (um eine glückliche Definition von Bruckhardt zu verwenden), „Maler, Architekt, Dichter, Gelehrter, Philosoph und Literat“ (Zitat von Francesco de Sanctis). Alberti wusste das Genie anderer zu erkennen, wenn er es sah, so wollte er sein „Über die Malerei“ dem „Pippo Architekt“, sprich Filippo Brunelleschi, widmen, den er an die Spitze der größten Kreativen seiner Zeit stellte: eine Gruppe Auserwählte, die auch Donatello, Lorenzo Ghiberti, della Robbia und Masaccio einschloss. Und vielleicht ist gerade Brunelleschi die Figur, die am besten einen bestimmten Typen des italienischen Genies verkörpert, mit der Fähigkeit die erstaunlichste Abstraktion in unglaubliche Konkretheit zu übersetzen.

Mutmaßliches Porträt Brunelleschis von Masaccio

Noch mehr als der schon großartige Alberti erscheint Brunelleschi als Schutzgott aller „digitalen Handwerker“ des 21. Jahrhunderts und aller „anpassungsfähigen Fabriken“, die Italien übersäen (HSL eingeschlossen). Nicht umsonst singt sogar der strenge französische Historiker Michelet ein Loblied auf ihn und definiert ihn einen „unbarmherzigen Berechner“, der Kunst und Vernunft zu versöhnen und „die Hochzeit des Schönen und des Wahren“ zu arrangieren vermochte. Das Werk Brunelleschis ist der „erste Stein der Renaissance“, der Pfeiler eines wunderbaren Gebäudes, das der großen Kunst Roms und Griechenlands Tribut zollt, aber dem ein neuer mathematischer Geist eingehaucht wurde.

Das Werk Brunelleschis ist der „erste Stein der Renaissance“

Ein Beispiel ist die berühmte Kuppel von Santa Maria del Fiore, die „ohne Holz- oder Eisengerüst, unglaublich zu sagen“(Manetti) realisiert wurde. Heute versetzt die Kuppel Millionen von Florenz-Touristen in Erstaunen, aber damals verblüffte sie selbst die klügsten Männer der Wissenschaft, sodass Brunelleschi sich den Namen „Fürst aller Architekten unserer Zeit“ (Manetti), „König der Welt“ (Benedetto Rei), „der höchste Vermesser und vollkommener Meister der Skulptur“, und ausgestattet mit „größter Begabung und Fantasie“ (Rucellai) verdient hat.

Tatsächlich ist Brunelleschis Genie ein vollkommenes, er war ein höchst anpassungsfähiger Erneuerer und schaffte es, um die heutige Terminologie zu benutzen, Kunst und Design (er war auch Goldschmied und Bildhauer; zu seinen Werken zählt das „Opfer Isaaks“, heute im Bargello ausgestellt) mit der Mathematik und der Geometrie zu vereinen; ein überragendes Wissen über Materialien und Techniken, mit einer erstaunlichen Führungsfähigkeit (man denke nur an die Missgeschicke während des Kuppelbaus: von Geldmangel bis zum nicht immer einfachen Verhältnis zum Auftraggeber). Nicht umsonst beobachtet Giulio Carlo Argan in einem Interview von vor ein paar Jahren: „Wenn Brunelleschi in unserem Jahrhundert gelebt hätte, in Italien, wäre er der Architekt von Olivetti gewesen.“

Gerade dank dieser Eigenschaften schaffte es Florenz sich zu dem zu machen, was es ist, noch heute „das weltweit größte Ziegelgebäude seiner Art“, wie kürzlich Paolo Daria gesagt hat, der kein Literat ist, sondern der Direktor des Istituto di Biorobotica der Scuola Superiore Sant‘Anna. Eine Kuppel, die damals wie heute die Naturgesetze herauszufordern scheint und die das Ergebnis einer Rationalität ist, die jeder Aktivität und jedes Unternehmen beleben und möglich machen kann. Deswegen bleibt Brunelleschi, auch nach mehr als fünf Jahrhunderten, unsere Inspirationsquelle und unser unerreichbares Idol.

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