Die Grenzen des Verstehens

Der Mensch ist dazu verurteilt, sich mit Fragen zu konfrontieren, die er schon aufgrund seiner Beschaffenheit nicht verstehen oder beantworten kann.

Leon Gordo
Krater Magazine
10 min readJan 29, 2022

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Caspar David Friedrich — Der Mönch am Meer (Ausschnitt).

Die spannendsten Diskussionen entstehen meistens dann, wenn Menschen verschiedene Standpunkte mit Leidenschaft vertreten. Ich habe mich deshalb natürlich sehr über die Replik meines Namensvetters gefreut. In seiner Replik wirft Leon verschiedene Themen und Kritikpunkte auf, die mich sehr interessieren und auf die ich gerne eingehen möchte. Dabei möchte ich auf keine geringeren Themen als Transzendenz, Religiosität, Religion, Gott und das Numinose eingehen und den Versuch wagen, diese Begriffe miteinander in Verbindung zu bringen.

1. Transzendenz

Das komplexeste Thema zuerst. Hierbei muss zunächst ein offensichtliches Missverständnis geklärt werden. Ich definiere Transzendenz nicht, wie Leon schreibt, als ein Gefühl. In dem Abschnitt, auf den Leon sich bezieht, schreibe ich stattdessen:

„die Spekulation über einen transzendenten Sinn des Daseins ergibt sich (…) aus dem Gefühl, dass es ein zugrundeliegendes Prinzip gäbe, dass schon aufgrund der Beschaffenheit unseres Bewusstseins nie greif- oder verstehbar sein werde“. Transzendenz definiere ich dagegen als „etwas, was sich grundsätzlich dem Verstehbaren entzieht und deshalb immer ein Mysterium bleiben wird.“

Leon fragt hierauf: „Aber liegt hier nicht ein Widerspruch? Wieso sollte das Prinzip, wenn es existiert, nicht auch prinzipiell entdeckbar und verstehbar sein?“

Hierin besteht meiner Meinung nach nur ein Widerspruch, wenn man nicht akzeptieren kann, dass es Aspekte der menschlichen Realität gibt, die sich schon aufgrund der Beschaffenheit der menschlichen Natur niemals zufriedenstellend erklären lassen. In meinem Text habe ich hierfür das Beispiel der Frage nach einem allgemeinen Sinn der Existenz genannt. Es ist eine Frage, die sich unweigerlich aus dem menschlichen Denken ergibt, obwohl es hierfür gleichzeitig keinerlei Beantwortungsmöglichkeiten gibt, die nicht ins Religiöse abdriften. Doch die Konfrontation mit den transzendenten Aspekten unserer menschlichen Ausgangssituation ergibt sich auch aus anderen alltäglicheren Themen, wie unserer linearen Zeitwahrnehmung, die offensichtlich nicht ohne die Idee von Unendlichkeit auskommt — einem weiteren Konzept, das sich unserer Logik entzieht. Sowohl die Logik als auch die Erfahrung weisen Dilemmata auf, die uns zeigen, dass die menschliche Fähigkeit des Verstehens durch einen bestimmten Rahmen begrenzt ist.

Die Annahme bestimmter, für unser Denken und Wahrnehmen realer, jedoch gleichzeitig nicht-verstehbarer Aspekte der Realität stellt deshalb kein Widerspruch dar. Vielmehr scheint der Widerspruch im menschlichen Verstand zu liegen, der offenbar dazu verurteilt ist sich mit Aspekten seiner eigenen Realitätswahrnehmung oder Fragen zu konfrontieren, die er schon aufgrund seiner Beschaffenheit nicht verstehen oder beantworten kann. Nochmal zur Wiederholung: Transzendenz ist kein Gefühl und auch nichts Übernatürliches, sondern ein Teil der Ausgangssituation, die sich aus dem Prozess des menschlichen Denkens und Wahrnehmens ergibt.

2. Religiosität, Religion, Gott und numinose Gefühle

Leons missverständliche Verwendung des Transzendenzbegriffes zeigt mir aber vor allem, dass es ihm in seiner Replik weniger darum geht, die transzendenten Aspekte der menschlichen Realität zu bestreiten, sondern vielmehr die religiöse Vereinnahmung des Gefühls zu kritisieren, das die Konfrontation mit diesen Aspekten in vielen Menschen auslöst. So schreibt er z.B.:

„Sicherlich, jeder Mensch der religiös ist, ist auch transzendent veranlagt. Aber nicht jeder der transzendente Impulse verspürt, ist deshalb auch gleich religiös. Es ist nämlich schlicht eine ahistorische Verwendung des Religionsbegriffs, jedem transzendenten Kitzeln das Prädikat „religiös“ anzuheften. Religion ist in meinen Augen ein kodifiziertes System, das einen Glauben an einen Gott impliziert. Letzterer ist eine übernatürliche Entität oder Macht, die sich den Menschen offenbart.“

Der Absatz scheint recht deutlich seine Hauptaussage zusammenzufassen: Religion impliziere zwangsläufig den Glauben an einen übernatürlichen Gott, weshalb diese nicht auf ein, irgendwie transzendentes, Gefühl beschränkt werden könne. Auch wenn er sich dabei nicht sicher zu sein scheint, ob dieses Gefühl nun ein Impuls, Kitzeln oder eine Veranlagung sein soll, ist es ihm wichtig sich gegen eine religiöse Vereinnahmung dieses Gefühls auszusprechen. Trotz der angesprochenen Begriffsverwirrung muss ich Leon zugestehen, dass er mit dem Verweis auf die der Religiosität zugrundeliegende Gefühlsdimension ein Thema anspricht, das in meinem Text nicht ausreichend betont wurde. Dies möchte ich mit dem Abschnitt über „numinose Gefühle“ nachholen.

2.1. „Numinose Gefühle“

Mit dem Bezug auf das, was Rudolf Otto das „Numinose“ nennt, wird Leon am Ende seines Textes noch einmal konkreter, welche Gefühle er denn nun von der religiösen Vereinnahmung retten will. Und wahrscheinlich ist das Numinose in dieser Diskussion tatsächlich das geeignetste Konzept, um die Gefühlsdimensionen zu beschreiben, die als Grundlage für Religiosität verstanden werden können. Es ist jedoch eine grobe Vereinfachung, die numinosen Gefühle auf eine Mischung aus „ehrfürchtigen Schaudern“ und „anziehender Erhabenheit“ zu begrenzen. Denn Otto verstand das Numinose vor allem als eine Art von Konfrontationserfahrung mit einem Ehrfurcht einflößenden Mysterium, welche dem Menschen nicht nur seine eigene „kreatürliche“ Existenz vor Augen führt, sondern ihn bis zu einem gewissen Grad mit diesem Mysterium verschmelzen lässt.

So beschreibt Otto z.B. mit dem zum Numinosen gehörenden „Kreaturgefühl“ „das Gefühl der Kreatur, die in ihrem eigenen Nichts versinkt und vergeht gegenüber dem was über aller Kreatur ist.“ Besondere Betonung legt Otto zudem auf einen Aspekt, den auch ich für meine Transzendenzdefinition heranziehe: „das Moment des Mysterium“. Ottos Ausführungen zu dieser Dimension der numinosen Gefühlspallette bringen vieles des bisher gesagten so sehr auf den Punkt, dass ich sie für sich selbst sprechen lassen möchte:

„… mysteriös sei uns das, was für uns schlechthin und in jedem Falle ein Unverstandenes sei und bleibe, während das nur zur Zeit noch nicht Verstandene, grundsätzlich aber verstehbare nur ‚problematisch‘ zu nennen sei. Aber das erschöpft die Sache keineswegs. Ungreifbar ist der wirklich ‚mysteriöse‘ Gegenstand nicht nur deswegen, weil mein Erkennen in Bezug auf ihn gewisse unaufhebbare Schranken hat, sondern weil ich hier auf ein überhaupt ‚Ganz anderes‘ stoße das durch Art und Wesen meinem Wesen inkommensurabel ist und vor dem ich deshalb in erstarrendem Staunen zurückpralle.“

2.2. Religiosität

Aber ist nun jedes „Kitzeln“ von numinosen Gefühlen mit Religiosität gleichzusetzen? Natürlich nicht. Ich stimme Leon zu, dass numinose Gefühle nicht zwangsläufig zu Religiosität führen müssen. Doch gleichzeitig bin ich davon überzeugt, dass sie einen der maßgebenden Katalysatoren für Religiosität darstellen. Die Konfrontation mit numinosen Gefühlen kann als entscheidender Einfluss verstanden werden, sich mit der Frage nach einem transzendenten Sinn zu beschäftigen. Religiosität besteht meiner Meinung nach darin, eine systematische Kultivierung dieses Gefühls voranzutreiben und dadurch schließlich zu einer positiven Beantwortung der Frage nach einem transzendenten Sinn zu gelangen. Es ist also die Bejahung eines transzendenten Sinnes, die den Kern der Religiosität ausmacht und religiös zu sein bedeutet an diesen Sinn zu glauben, obwohl er sich dem Verstehbaren entzieht.

2.3. Religion

Und in welchem Verhältnis steht diese Religiosität nun zu dem was wir Religion nennen? Der Umstand, dass es mittlerweile über hundert geisteswissenschaftliche Definitionsversuche des Begriffes Religion gibt, ist ein Zeugnis dafür, dass sich Religion nicht einfach auf den Glauben an einen übernatürlichen Gott runterbrechen lässt. Religion ist ein Begriff, der eine Vielzahl von Dimensionen in sich vereint und einen Bezug zu vielen elementaren Aspekten des menschlichen Lebens aufweist. Religion kann sowohl als soziales, psychologisches, philosophisches oder politisches Phänomen wahrgenommen und definiert werden. Doch ganz unabhängig von den Diskursen der Religionswissenschaftler ist der Versuch, Religion auf den Glauben an einen Gott zu reduzieren schon aufgrund der Existenz von Religionen, wie z.B. dem Buddhismus unhaltbar, in dessen Lehren es in keiner Weise um einen übernatürlichen Gott geht, der sich der Menschheit offenbart.

In Bezug auf das hier besprochene Thema werde ich mich darauf beschränken, Religion als eine Systematisierung von Religiosität zu bezeichnen. In dieser Form ist sie der Versuch, der Bejahung eines vermeintlichen transzendenten Sinnes eine systematische und theoretische Grundlage zu geben. In Form von Erklärungsmodellen, Ritualen und Symbolen versucht sie diesen unbegreiflichen Sinn greifbar zu machen. In konkreter Gestalt sind diese Erklärungsmodelle natürlich von bestimmten kulturellen Vorannahmen geprägt und so gibt es offensichtlich die verschiedensten Antworten auf die Frage nach einem transzendenten Sinn.

2.4. Gott

Einige dieser Antworten entwickeln sich um den Begriff „Gott“. Eine Definition dieses Begriffes ist natürlich mindestens so komplex und kompliziert wie eine Religionsdefinition. Deshalb muss auch hier noch einmal betont werden, dass die Reduktion dieses Begriffes auf eine „übernatürliche Entität oder Macht, die sich den Menschen offenbart“, weder der Begriffsgeschichte noch der Vielzahl von Gotteskonzepten gerecht wird, die bis zum heutigen Tage existieren. Ein Beispiel dafür, wie komplex der Gottesbegriff sein kann gibt Leon selbst mit seiner Anspielung auf den Pantheismus. Mit der Erwähnung dieses Begriffes zeigt er, dass ihm diese Komplexität durchaus bewusst zu sein scheint. Doch wahrscheinlich passt es besser in eine antireligiöse Argumentation, wenn Gott als ein übernatürlicher, alter, weißer Mann, der alles und jeden kontrolliert, dargestellt wird.

Sätze wie „an dem Punkt, wo Gott alles ist, ist Gott in Wahrheit nichts mehr“ zeigen jedenfalls, dass er in der Einschätzung des Pantheismus lieber der Argumentation von Richard Dawkins folgt, für den es sich bei diesem Gottesbild um nicht mehr als einen „aufgepeppten Atheismus“ handelt. Doch was Einschätzungen dieser Art zu vergessen scheinen, ist, dass die Entscheidung, die Natur oder das Universum mit dem Begriff „Gott“ zu belegen, offensichtlich ein Ausdruck von Religiosität ist. Eine Diskussion darüber, ob der pantheistische Gott nun ein wirklicher Gott sei oder nicht, führt aber ohnehin an der eigentlichen Diskussion vorbei. Denn wie ich bereits oben erläutert habe, ist ein Gotteskonzept keine Voraussetzung für Religion geschweige denn Religiosität. Wichtig hierbei festzuhalten bleibt, dass nur eine interreligiöse Anerkennung verschiedenster Interpretationen des Gottesbegriffes zu einem Zustand führen kann, in dem Begriffe dieser Art nicht mehr zum Spielball religiöser oder antireligiöser Ideologien gemacht werden können.

3. Missbrauch der Religion

Das populärste Argument von Religionskritikern ist und bleibt offenbar, der Religion vorzuwerfen, dass sie für Krieg, Gewalt, Unterdrückung und Manipulation der Massen verantwortlich sei. Auch Leon scheint sich von diesem Denken nicht befreien zu können, wenn er der Religion die „Ekstase der Masse, das Opfer für ein höheres Prinzip, die Unterwerfung unter ein unfehlbares Wesen“, die „apokalyptische Furcht vor dem Klimawandel“ oder „Reinheitsvorstellungen politischer Sekten“ vorwirft. Obwohl dieses Argument meiner Meinung nach schon immer das schwächste der Religionskritiker war, möchte ich aufgrund seiner anhaltenden Popularität kurz darauf eingehen.

Natürlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass religiöse Weltbilder viele Menschen zu der Annahme führen, eine einzige gültige Wahrheit entdeckt zu haben. Gleichzeitig lässt sich auch nicht bestreiten, dass diese Annahme von einigen Menschen mit einer solch starrsinnigen Radikalität vertreten wird, dass hieraus Abgrenzung und Konflikte entstehen. Und auch die Verwobenheit von radikalen religiösen Strömungen und politischen Machtinteressen ist immer noch eine traurige Realität. Doch der Glaube, dass diese Tatsachen der Religion oder Religiosität anzulasten sind, ist absurd. Die Forderung, die Religion aufgrund der genannten Gründe aufzugeben, wie sie z.B. der schon genannte Dawkins formuliert, ist vergleichbar mit der Forderung die Politik zu verwerfen, weil sie Menschen zu festgefahrenen Meinungen, Konflikten und sogar gewalttätigen Extremismus führt.

Der Vergleich zur Politik ist nicht nur deshalb interessant, weil sich auf sie tatsächlich dieselben Vorwürfe wie auf die Religion anwenden lassen, sondern auch weil er zeigt, dass es wenig Sinn macht, die Ursache von Konflikten und Gewalt bestimmten gesellschaftlichen Institutionen zuschieben zu wollen. Die Gründe dafür, dass die Menschheit sich offenbar seit Anbeginn ihrer Zeit in konstantem Konflikt über die Deutungshoheit von politischen, wissenschaftlichen und religiösen Ideen befindet, ist ein Thema, das sich vielleicht tatsächlich mit der Evolution erklären lässt.

Wenn man der Tatsache ins Auge sieht, dass neben einigen Beispielen aus der Welt der Schimpansen, der Mensch das einzige Tier ist, das seine Kämpfe um Territorien zu einer systematischen Ausrottung von Artgenossen ausweitet, dann ist es wohl kaum von der Hand zu weisen, dass unsere spezielle Form von Bewusstsein irgendetwas mit dieser Entwicklung zu tun haben muss. Unabhängig davon, wo sich die Antwort finden lässt, kann der Versuch, der Religion ein besonderes Potential für Konflikte und Gewalt unterzuschieben, höchstens als eine höchst subjektive Agenda verstanden werden, die mit einer rationalen Betrachtung des Themas nichts mehr zu tun hat.

Was sich hierbei festhalten lässt, ist, dass das Problem offensichtlich in einer bestimmten Einstellung besteht. Diese Einstellung besteht darin, das eigene Weltbild als das einzig sinnvolle und wirkliche zu betrachten und daraus den Schluss zu ziehen, dass andere Interpretationen aufgrund ihrer mangelnden Glaubwürdigkeit geschmäht oder sogar bekämpft werden müssten. Hier liegt der eigentliche Kern des Problems und dabei ist es völlig irrelevant, ob diese Einstellung mit einer atheistischen, politischen oder religiösen Motivation vertreten wird.

Ich möchte abschließend noch kurz auf eine von Leons Fragen eingehen, dessen Formulierung mich daran erinnert, dass es bei diesem Thema noch mindestens einen Aspekt gibt, der meiner Meinung nach zumindest eine kurze Erwähnung verdient hat. In einem der letzten Absätze fragt Leon: „Was also bewegt den Menschen in seiner hoffnungslosen und prekären Lage dazu, das natürlich Erlebte um eine verschwommene, höhere Sphäre ergänzen zu wollen?“

Gerade wenn von Hoffnungslosigkeit und „prekären Lagen“ die Rede ist, sollte nicht vergessen werden, dass Religiosität für viele Menschen auch einen Weg darstellt, um mit traumatischen Situationen wie schwerer Krankheit, Tod oder anderen existenziellen Sinnkrisen umzugehen. Die Situation vieler Menschen ist in vielerlei Hinsicht so „prekär“, dass es ihnen offensichtlich schwerfällt, sich in den philosophischen Elfenbeinturm zurückzuziehen, um sich mit „kosmischer Absurdität“ oder „nihilistischen Abgründen“ zu begnügen. In einem Zustand, in dem einem Menschen jegliche Suche nach der Erfüllung eines „persönlichen Sinns“ verwehrt ist, kann die Selbstverortung innerhalb eines transzendenten Sinns zumindest eine psychologische Rettung sein. Doch unabhängig davon hoffe ich, dass meine Erklärungen nun ausreichend gezeigt haben, dass Religiosität nicht nur für Menschen in Krisensituationen ein attraktives Mittel darstellt, um sich in einem „sinnvollen“ Weltbild zu verorten.

Ich möchte außerdem noch klarstellen, dass die Meinungen von mir und meinem Namensvetter in manchen entscheidenden Punkten mehr gleichen als es ihm offenbar scheint. Entgegen Leons Behauptung, dass ich die Existenz von „numinosen Gefühlen“ und Religiosität als Hinweis oder gar Möglichkeit für den Erkenntnisgewinn von „kosmischen Prinzipien“ verstehe, stimme ich ihm zu, dass es hierbei hauptsächlich etwas über den Menschen zu lernen gibt. Numinose Gefühle, Religiosität, Religion und Atheismus können uns lediglich etwas über den Menschen beibringen. Wir können hieraus z.B. lernen, dass die Kultivierung numinoser Gefühle viele Menschen offenbar seit Jahrtausenden mit bestimmten Kontingenzbewältigungsstrategien ausstattet, die, wenn wir schon unbedingt Darwin ins Boot holen wollen, offensichtlich einen evolutiven Vorteil produzieren und sich deshalb immer wieder durchsetzen.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein großer Teil der Menschheit die Neigung verspürt einen transzendenten Sinn in ihr Weltbild einzubeziehen und offensichtlich keine Befriedigung in existenzialistischen Theorien über die „Sinnleere“ findet. Und verrät uns, wie wir nun festgestellt haben, die Antwort auf die Frage nach einem sinnlosen oder sinnvollen Universum nicht nur etwas über die Person, die sie beantwortet? Wenn dem so ist, dann kann sowohl die Befürwortung als auch die Ablehnung eines transzendenten Sinns ohnehin nur als Ausdruck einer bestimmten psychologischen Einstellung zur Welt gedeutet werden. Sowohl der Glaube an eine sinnvolle als auch der an eine sinnlose Welt sind demnach Produkte einer Entscheidung, die sich nicht aus allgemeinen Tatsachen oder der Logik ableiten lässt, sondern vielmehr etwas über die Person verrät, die sie trifft.

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