The History of Change Processes: 1950/1960

Rene Tauschke
Leadership und Organisation
4 min readMar 26, 2021

Was ist der Ursprung des Change Managements? Wie hat sich Change Management im Laufe der Jahre entwickelt und wie hat sich die Change Kommunikation herausgebildet?

In der Reihe “The History of Change Processes” wollen wir diesen Fragen nachgehen.

In den 50er Jahren rückt der menschliche Geist in den Mittelpunkt der Forschung. So finden zwischen 1946 und 1953 die kybernetischen Macy-Konferenzen statt, die sich mit der Funktionsweise des menschlichen Geistes beschäftigen und das Ziel verfolgen, Grundlagen für eine diesbezügliche allgemeine Wissenschaft zu legen.

Der Begriff “Kybernetik” wird vom Mathematiker Norbert Wiener geprägt. Er versteht Kybernetik als “Wissenschaft von der Steuerung und Regelung von Maschinen, Organismen und sozialen Organisationen”.¹ Die Kybernetik bildet so auch eine Grundlage für die Allgemeine Systemtheorie. Auch Gesellschaften werden nun als komplexe Systeme aus Interaktion und Rückkopplung verstanden, in dem sich die einzelnen Elemente gegenseitig beeinflussen.

Im Jahr 1950 erforscht der ungarisch-kanadische Mediziner Hans Seyle die Reaktion des Gehirns auf komplexe oder bevorstehende Veränderungen. Diese Situation versetzt den menschlichen Körper in einen Zustand, in dem er auf Flucht oder einen Kampf vorbereitet ist. Dies passiert automatisch und unbewusst und hat einen evolutionären Ursprung. Diesen Zustand der Alarmbereitschaft des Organismus nennt Seyle Stressreaktion. Dabei wird die empfangene Information mit unseren Erfahrungen und Erwartungen abgeglichen. Wenn die Bewertung des Gehirns in Bezug auf Handlungsalternativen negativ ausfällt, erfolgt eine Stressreaktion — also immer dann, wenn wir mit Unbekanntem konfrontiert werden und nicht auf vergangene Erfahrungen zurückgreifen können. Um das Stressniveau zu reduzieren und die Situation neu zu bewerten, muss die Situation und die eigene Verhaltensweise bewusst wahrgenommen werden.²

Douglas McGregor ist ein Schüler von Kurt Lewin und führt Mitte der 50er Jahre den Begriff Organisationsentwicklung ein.³ In der Organisationsentwicklung werden nicht mehr nur die einzelnen Teile betrachtet, sondern die Organisation zusammen mit den dazugehörigen Elementen als Einheit verstanden. Im Gegensatz zum Taylorismus ist bei der Organisationsentwicklung nicht nur die Steigerung der Produktivität das alleinige Ziel, sondern auch die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit.

In den 60ern steigt nun in vielen Bereichen das Bedürfnis nach Mitbestimmung und Beteiligung. Das zeigt sich vor allem in Politik, Wirtschaft und an den Hochschulen. Die Begründer der Moderationsmethode (eine Methode, die mit Planungs- und Visualisierungstechniken arbeiten, sich der Gruppendynamik und Gesprächsführung, Betriebs- und Organisationslehre sowie der emotionalen Führung von Gruppen bedient, systematisch und problemlösend vorgeht) — Karin Klebert, Einhard Schrader und Walter Straub — arbeiten in dem Jahrzehnt an einer Steuerung dieser Beteiligungsprozesse bzw. Gruppenprozesse. “So wurde eine systematische Vorgehensweise geschaffen, die auf nondirektive Weise eine Gruppe von einer unklaren Ausgangssituation zu einem gemeinsam getragenen Ergebnis führt.”⁴

Anfang der 60er Jahre veröffentlicht der US-amerikanische Wirtschaftshistoriker und Managementtheoretiker Alfred. D. Chandler das Werk “Strategy und Structure”. Er setzt sich darin erstmals intensiv mit dem Begriff “Strategie” in Bezug auf Unternehmensführung auseinander. Laut seiner Definition ist die Strategie eine langfristige Zielsetzung eines Unternehmens. Die Unternehmensstruktur wird darauf ausgerichtet. Nach Chandler sollte die Strategie zentral geplant und lokal gemanaged werden.⁵

1961 beschäftigt sich der Psychoanalytiker Fritz Riemann mit den vier archaischen Grundmustern der Angst.

  1. Der Schizoide: Existenzangst — man möchte sich nicht in Abhängigkeiten begeben. In Stresssituationen anklagend.
  2. Der Depressive: Furcht vor Isolation. In Stresssituationen beschwichtigend und ausweichend.
  3. Der Zwanghafte: Ordnungsfanatisch. Angst vor Veränderung. In Stresssituationen versachlichend oder verschließt sich der Wahrheit.
  4. Der Hysterische: Freiheitsdrang. Angst vor Notwendigkeiten der Realität. In Stresssituationen ablenkend.

Alle Typen seien als Grundmuster im Menschen angelegt und können in bestimmten Situationen zum Vorschein treten.⁶ Diese Erkenntnisse sind in der Kommunikation und zum Verständnis von Reaktion der Personen in Change-Prozessen von Bedeutung.

Im Jahr 1965 stellt der belgische Psychologe John Stacey Adams die Gleichheitstheorie auf. Die Theorie besagt, dass sich Individuen unbewusst vergleichen. Dadurch verändert sich das Selbstwertgefühl, es wird gesenkt oder bestätigt. Beispielsweise sind Person A und Person B Kollegen in einem Unternehmen. Person A leistet mehr als Person B und erhält dafür auch mehr Anerkennung bzw. wird besser belohnt als Person B. In dem Fall würde das Selbstwertgefühl von Person A steigen oder bestätigt werden, das Selbstwertgefühl von Person B dagegen sinken. Der Vergleichsfaktor ist laut der Theorie die eigene Leistung im Vergleich zur Leistung der Kolleg:innen. Um Spannungen zu reduzieren, strebt der Mensch nach einer Gleichgewichtssituation.

Er wird sich mehr oder weniger anstrengen, die Wahrnehmung hinsichtlich der eigenen oder fremden Leistung ändern, seine Situation neu betrachten oder eine andere Vergleichsperson wählen. Das passiert größtenteils unbewusst.

Diese sozialen Über- und Unterordnungsprozesse beeinflussen die Fähigkeit, Informationen aufzunehmen. Wenn zwischen Führungskraft und Mitarbeiter:in eine vertrauliche und wertschätzende Beziehung vorliegt, können Informationen besser vermittelt werden. Gleichzeitig werden die Motivation und die Aufnahmebereitschaft der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters erhöht, wenn die Führungskraft das Selbstwertgefühl des Mitarbeiters steigert.⁷

Ende der 60er Jahre beobachtet die Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross wie todkranke Patienten mit dem Tod umgehen und richtet ihren Fokus auf die Phasen, welche Menschen in Krisen durchleben. Daraus entwickelt sie ein Phasenmodell, die “Kübler-Ross Change Curve”:

  1. Leugnung
  2. Zorn
  3. Verhandeln
  4. Depression
  5. Akzeptanz

Auch in Veränderungsprozessen einer Organisation durchlaufen die Mitarbeiter:innen diese Phasen: Zunächst leugnet man die Notwendigkeit einer Veränderung, danach folgt Wut, daraufhin wird versucht, die Situation neu zu verhandeln. Es folgt die Erkenntnis, dass es kein Zurück mehr gibt und endet schließlich mit der Akzeptanz der Situation.⁸

Quellen:

¹ Deuerlein, Martin (2020): Das Zeitalter der Interdependenz: Globales Denken und internationale Politik in den langen 1970er Jahren, Göttingen: Wallstein Verlag, S. 113.

² Kostka, Claudia (2016): Change Management. Praxisbuch für Führungskräfte, München: Carl Hanser Verlag. S. 49–64.

³ Kostka, Claudia (2016): Change Management. Praxisbuch für Führungskräfte, München: Carl Hanser Verlag. S. 15.

⁴ Kostka, Claudia (2016): Change Management. Praxisbuch für Führungskräfte, München: Carl Hanser Verlag. S. 143

⁵ Kostka, Claudia (2016): Change Management. Praxisbuch für Führungskräfte, München:. Carl Hanser Verlag. S. 56.

⁶ Kostka, Claudia (2016): Change Management. Praxisbuch für Führungskräfte, München: Carl Hanser Verlag. S. 210–111.

⁷ Kostka, Claudia (2016): Change Management. Praxisbuch für Führungskräfte, München: Carl Hanser Verlag. S. 18.

⁸ Smith, Aaron C.T., Skinner, James, Read, Daniel (2020): Philosophies of Organizational Change: Perspectives, Models and Theories for Managing Change, Cheltenham: Edward Elgar Publishing, S. 104–106.

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