Fünf aus viel zu vielen

Ein Blogstöckchen geht um. Diesmal: völlig unverständlicherweise ungelesene Bücher.

Simon Hurtz
4 min readApr 27, 2014

Tatjana hat eines dieser Blogstöckchen in meine Richtung geworfen, und ich habe mich nicht rechtzeitig geduckt. Das ist mittlerweile schon so lange her, dass sich selbst das angeblich niemals vergessende Internet wohl nicht mehr daran erinnert hätte. Aber dann hat Christian meinem Gedächtnis doch wieder auf die Sprünge geholfen.

Zähle fünf Bücher auf, die ganz oben auf deiner Wunschliste stehen, die aber KEINE Fortsetzungen von Büchern sind, die du schon gelesen hast — sie sollen also völlig neu für dich sein. Danach tagge acht weitere Blogger und informiere diese darüber.

Weil ich brav war und auf den Rat meiner Mama gehört habe, ist jedes ungelesene Buch mit einem kleinen weißen Aufkleber gekennzeichnet. Was die Suche erleichtert. Nachahmenswert!

Fünf Bücher? FÜNF? Und das, wo mein Amazon-Wunschzettel mit dem einfallsreichen Namen „Bücher“ in ausgedruckter Form wohl bereits selbst ein solches hergeben würde. Da hilft mir die Vorgabe „keine Fortsetzungen“ auch nicht weiter. Um mir die Auswahl etwas leichter zu machen, beschränke ich mich auf Bücher, die bereits in meinem Regal stehen. Das macht aus einer dreistelligen eine zweistellige Zahl und damit einigermaßen erträglich.

Joseph Heller: Catch 22

Ich habe mir das Buch gekauft, kurz nachdem es als SZ-Edition erschienen ist. Das ist sieben Jahre her. Sieben Jahre ungelesen zu bleiben, hat kein Buch verdient. Catch 22 erst recht nicht. Auf einer Theaterbühne funktioniert es jedenfalls gut, das zumindest kann ich mit Sicherheit sagen. Habe selten ein eindrücklicheres Anti-Kriegs-Stück gesehen.

Wolfgang Herrndorf: Sand

Wenn Prominente sterben, die ich mag, dann bin ich normalerweise kurz traurig. Eine halbe Stunde später habe ich es vergessen. Bei Wolfgang Herrndorf war das anders. Obwohl ich ihn nie gesehen geschweige denn kennengelernt habe, hat mich sein Suizid wirklich mitgenommen.

Ich habe Tschick an einem einzigen Sommertag im Berliner Mauerpark durchgelesen (passender: verschlungen), mich dabei höchstens drei Meter bewegt, geschmunzelt, gelacht und vielleicht auch ein bisschen geweint, einen fürchterlichen Sonnenbrand bekommen — und trotzdem beste Erinnerungen daran. Das (mittlerweile als eigenes Buch veröffentlichte) Blog ist heftig und aufwühlend und unbedingt lesenswert.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Wolfgang Herrndorf ein schlechtes Buch geschrieben hat.

Diese fünf Bücher haben es nicht verdient, nicht gelesen zu werden.

David Foster Wallace: Alles ist grün

Nachdem mit mittlerweile meine halbe Twitter-Timeline erzählt hat, wie toll Infinite Jest doch sei, mich 1500 Seiten und Zuschreibungen wie “maßlos”, “gewaltig” oder “überwältigend in jeder Hinsicht” momentan jedoch eher abschrecken als anmachen, versuche ich es erstmal mit Alles ist grün.

Mit seinen angenehm überschaubaren 300 Seiten ist das quasi David Foster Wallace für Anfänger. Also genau richtig für mich. Außerdem mag ich Kurzgeschichten.

Dummy-Buch

Nicht jede Ausgabe des Dummy-Magazins ist großartig. Aber fast jede. Dieses Buch versammelt die besten Geschichten aus den ersten 30 Heften. Wenn die Texte das halten, was die Fotos und die liebevolle, aufwändige Gestaltung versprechen, ist das ein Must-Read.

Nick Hornby: All you can read

Der Untertitel ist selbsterklärend: Bücher, die ich kaufe — Bücher, die ich lese. Ich mag Nick Hornby (sehr sogar: A long way down, High Fidelity, Fever Pitch u.v.a.m.), und ich bin mir sicher, dass ich auch die Bücher mag, die er mag. Weil man nie genug Literatur auf seinem Wunschzettel haben kann.

Unerbetener Bonus

Cory Doctorow:

Little Brother

Kannst du nicht bis fünf zählen? Doch. Diese Empfehlung muss ich trotzdem noch loswerden.

Dank Christian Wöhrl gibt es Little Brother nämlich auf Deutsch — als kostenloses, CC-lizenziertes E-Book.

Die Datei liegt seit dieser Empfehlung auf meiner Festplatte. Und wäre dort wohl noch eine Weile unentdeckt geblieben, wenn netzpolitik.org das Buch nicht vor einigen Tagen als die bessere Alternative zu Orwells 1984 gelobt hätte. Glaubt man der New York Times und dem Deutschlandfunk, könnte das stimmen.

Außerdem finde ich es sehr beeindruckend und toll, dass Christian Wöhrl ein Buch einfach so übersetzt, weil er denkt, dass andere es lesen sollten. Es macht mich froh, dass Menschen so Zeit und Mühe in Dinge investieren, die ihnen am Herzen liegen, ohne dafür eine direkte (geldwerte) Gegenleistung zu bekommen. Danke.

Ach ja:

Danach tagge acht weitere Blogger und informiere diese darüber.

Nachdem ich gefühlt der Letzte in diesem Internet bin, der diese Liste geschrieben hat, dürfte das schwierig werden. Ich werfe deshalb einfach ganz viele Stöckchen blind in die Luft. Wer will, darf sich gerne treffen lassen. Christian zum Beispiel, der sich ja eh schon beworfen fühlte.

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Simon Hurtz

Ich mag Geschichtenerzählen. Manchmal sterben dafür Bäume, meistens schreibe ich ins Internet. Die SZ bezahlt mich dafür, das Social Media Watchblog nicht.