Identifikation und Realisierung von Blockchain Use Cases

Uwe Klötzner
mm1 consulting
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7 min readJul 30, 2019

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Nachdem wir in den letzten Wochen die Blockchain und ihre Chancen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet haben, zeigen wir in diesem letzten Artikel unserer Serie auf, wie ein Blockchain Projekt methodisch angegangen werden sollte.

Die Frage, ob das eigene Unternehmen von der Bockchain-Technologie profitieren kann und wenn ja, wie stellen sich viele Fachexperten und Entscheider von Innovationsbereichen in verschiedenen Branchen. Im Mittelpunkt der Entscheidung steht dabei der Anwendungsfall. Ohne die Identifikation konkreter Use Cases fehlt in der Regel die Grundlage für einen Investment-Entscheid. Dies resultiert meistens in fehlenden Mitteln um Blockchain-Projekte nachhaltig zu entwickeln.

Know-how aufbauen

Insbesondere im Wettbewerb mit Blockchain-Startups riskieren Konzerne bezüglich Wissensaufbau in der Organisation ins Hintertreffen zu geraten. Daher gilt es zu Beginn die Expertise eigener Mitarbeiter zu nutzen, um die Potenziale der Technologie im eigenen Geschäftsfeld zu erschliessen. Entscheider sollten vor allem ein klares Verständnis über die Mehrwerte haben, welche sich aus der Nutzung von Distributed Ledgers ergeben. Diese resultieren aus der dezentralen Datenspeicherung, welche manipulations- und ausfallsichere und automatisierbare Geschäftsprozesse bei minimalem Vertrauen ermöglicht (Verlinkung zur DLT Taxonomie). Eine erste vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema ist elementar für den weiteren Erfolg der Initiative und verursacht i.V.z. den weiteren Schritten relativ wenig Kosten. Die Entscheidung für oder wider die aktive Auseinandersetzung mit der Technologie ist dabei nicht zwangsläufig mit hohen Kosten verbunden. Diese erste Phase ist auch ein guter Zeitpunkt die Erwartungen an die Technologie zu definieren. Nach einer Hype-Phase in den letzten Jahren und dem aktuellen Durchlaufen des «Tals der Ernüchterung» ist es nur richtig, realistische Erwartungen an die Blockchain zu formulieren. In den folgenden Schritten erläutern wir, wie Unternehmen Blockchain-Initiativen zielorientiert angehen können.

Ökosystem analysieren

Für ein erfolgreiches Projekt sind die richtigen Ressourcen und das Know-how entscheidend. Ausgangspunkt ist die eigene strategische Ausrichtung und Zielsetzung. In zahlreichen Branchen wurden bereits erfolgreich Lösungen auf Basis von Blockchain entwickelt, von denen profitiert werden kann. Wichtig ist auch zu wissen, welche Player gegebenenfalls das eigene Geschäftsmodell mit Blockchain angreifen.

Anhand dieser Sicht auf das Ökosystem, der Bewertung des internen Know-hows und der eigenen Ambitionen werden die passenden Partner identifiziert und integriert. Diese gilt es um etablierte Wettbewerber und Startups mit Geschäftsmodellen im Kontext des eigenen Kerngeschäfts zu ergänzen. An dieser Stelle sollten zudem Partnerschaften evaluiert werden, denn viele Ökosysteme werden schon durch aktive Konsortien aufgegriffen. Für eine Versicherung bietet sich beispielsweise eine aktive oder passive Rolle im B3i-Konsortium an. Ein solcher Anschluss bewirkt, dass die für Blockchain notwendigen Governance-Strukturen übernommen und nicht erst aufgebaut werden müssen, Wissen schnell aufgebaut sowie an einer einheitlichen Industrie-Vision teilgehabt werden kann. Somit können erste Entscheidungen die Blockchain-Strategie betreffend, Partnerrolle und Make or Buy getroffen werden. Zudem wird das Verständnis zum relevanten Blockchain-Ökosystemen sichergestellt und fundiertes Know-how für den Auf-/Ausbau von Blockchain-Projekten aufgebaut.

Use Case erarbeiten

Wie eingangs erläutert beginnt jede Blockchain-Initiative mit dem Anwendungsfall (s. Use Case Assessment). Meistens befinden sich Unternehmen dabei entweder in der Situation, dass sie das Potenzial der Blockchain Technologie erkannt haben und auf der Suche nach einem erfolgsversprechenden Anwendungsfall sind. Oder sie haben bereits einen Use Case erarbeitet und möchten nun prüfen, ob der Einsatz der Blockchain Technologie auch wirklich sinnvoll ist.

Im ersten Fall sollte reflektiv evaluiert werden, wo aktuell relevante Problemstellungen und Bedürfnisse des Kunden liegen. Hierfür empfiehlt sich die Anwendung von Elementen aus dem Design Thinking in einem Workshop. In erster Linie sollen relevante Nutzergruppen, Partner und andere Stakeholder sowie deren Bedürfnisse erfasst und analysiert werden. Darauf basierend können nutzerzentrierte Ideen durch die Anwendung der Blockchain Technologie entworfen werden. Wichtig ist dabei, die angestrebten Ziele klar zu formulieren und den Mehrwert für die involvierten Parteien zu definieren.

Wenn bereits eine konkrete Idee oder sogar ein Anwendungsfall identifiziert wurde, gilt es diesen systematisch zu überprüfen. Dabei steht die Frage im Zentrum, ob für das geplante Vorhaben eine Blockchain zum Einsatz kommen soll und ob die Problemstellung mit Blockchain wirkungsvoll adressiert werden kann.

mm1 Vorgehen für Blockchain Initiativen

Technologie evaluieren

In der Blockchain Taxonomie erläutern wir die Unterschiede zwischen zentralen und dezentralen Datenbanken sowie zwischen den unterschiedlichen Arten von Distributed Ledgers. Nicht in jedem Fall macht der Einsatz der Blockchain Technologie jedoch Sinn. Das mm1 Use Case Assessment unterstützt dabei in der Analyse von Blockchain Vorhaben anhand eines strukturierten Fragekatalogs. Zusammengefasst kann anhand einfacher Indikatoren festgehalten werden, ob die dezentrale Datenhaltung durch die Anwendung einer Blockchain Sinn ergibt:

Sind mehrere Parteien involviert und können allenfalls Intermediäre umgangen werden?

Besteht das Bedürfnis nach (mehr) Vertrauen zwischen den Stakeholdern?

Sollen Vermögenswerte oder Rechte zwischen den Parteien übertragen werden?

Wird ein gewisses Mass an Daten- und/ oder Prozessintegrität benötigt?

Im Rahmen dieser Technologie-Bewertung zum erarbeiteten Konzept sollten weitere Lösungen, neben Blockchain, geprüft werden. Dadurch wird vermieden, dass Projekte nur der Technologie wegen oder aufgrund des vergangenen Hypes entstehen. Ein reiner Automatisierungs-Case ist in den meisten Fällen noch kein Grund für die Verwendung einer Blockchain. Hierfür sind Robotic Process Automation (RPA) oder zentrale Datenbanken meist die bessere Lösung, da eine Dezentralisierung immer auch mit einem Effizienzverlust einhergeht.

Sind die genannten Voraussetzungen für den Einsatz einer Blockchain jedoch gegeben, so gibt es verschiedene Möglichkeiten den Anwendungsfall umzusetzen. Public und private Blockchains bieten teilweise sehr grosse Unterschiede. Während sich bei den public Blockchains im unternehmerischen Kontext Ethereum als Standard durchsetzt, haben sich im Bereich der privaten Blockchains verschiedene Konsortien wie z.B. Hyperledger, R3 oder B3i gebildet. Aktuell bieten solche Formate den Vorteil, dass ein erstes Mass an Vertrauen durch zentralisierte Instrumente entsteht, im weiteren Verlauf aber die kryptographischen und dezentralen Elemente der Blockchain Effizienzsteigerungen bei allen beteiligten Stakeholdern erzielen.

Öffentliche Lösungen legen beispielsweise mehr Wert auf Datenintegrität, Dezentralisierung und Disintermediation. Im Gegensatz dazu legen private Lösungen den Fokus mehr auf die Privatsphäre und versuchen skalierbare und effiziente Lösungen zu schaffen. Aus diesem Grund muss je nach Use Case evaluiert werden, welche Eigenschaften genau benötigt werden und welche Plattform diese auch am besten erfüllt. Konkret sollten als Kriterien Punkte wie das Mengengerüst, gewünschte Verarbeitungsgeschwindigkeit und erwartete Betriebskosten betrachtet werden. Hierbei sind die Daten wichtig, die auf der Blockchain gespeichert werden und wie die Interaktion mit anderen Systemen erfolgen soll. So könnte auch eine hybride Lösung sinnvoll sein, die private und public Ansätze kombiniert, um von den jeweiligen Eigenschaften zu profitieren. Es wäre auch denkbar, dass ein Anwendungsfall zuerst in privaten Blockchains abgebildet wird und mit zunehmender Marktreife auf öffentliche Konstrukte migriert wird.

Aufgrund der ineffizienten Performance von dezentralen Systemen ist es zudem meist sinnvoll, für unkritische Aufgaben selektiv zentrale Datenbanken zu verwenden. Leitfragen für die passende Blockchain-Architektur können wie folgt lauten: Welche Daten sollen unveränderbar, manipulationssicher, privat, öffentlich, zugangsbeschränkt, oder frei änderbar sein?

Prototyping, Testing und Learning

Spätestens nach der Klärung von Technologie- und Architekturfragen sollte mit der Umsetzung begonnen werden. Idealerweise erprobt sich das Projektteam bereits früher an den ersten Protoypen für die erstrebte Lösung. Ein Beispiel dafür könnte die Entwicklung eines einfachen Smart Contracts sein. Innerhalb von ein bis zwei Tagen kann damit schon ein erster Prototyp erstellt werden, welcher gleichzeitig auch das Verständnis für die Anwendung schafft und die Zusammenhänge visualisiert.

Weiter gibt es heute standardisierte Lösungen für unterschiedliche Arten von Blockchain Use Cases. Bestehende Lösungen bieten den Vorteil, dass sie innerhalb kürzester Zeit ein Blockchain-Produkt entwickeln und im Vergleich zur zentralisierten Alternative bereits entscheidende Mehrwerte beinhaltet. Ein Beispiel ist die Zertifizierung von Dokumenten, welche unveränderlich für jeden überprüfbar auf einer öffentlichen Blockchain gespeichert werden sollen. Hier können Lösungen innerhalb weniger Wochen zur Marktreife entwickelt werden.

Mit einfachen und schnell realisierbaren Prototypen können iterativ Lösungsansätze getestet und Learnings abgeleitet werden. Die gewonnenen Erfahrungen sind wichtige Faktoren für den Ausbau des Use Cases: Funktioniert die Idee? Zahlt der Prototyp auf die angestrebten Ziele ein? Wie war die Zusammenarbeit mit den ausgewählten Partnern?

Insgesamt lebt die Blockchain Technologie von der Zusammenarbeit. In der Realität gestaltet sich diese aber weitaus schwierig als angedacht. Somit gilt es dezidierte Teams für bestimmte Anwendungsfälle zu definieren und die Verantwortung für das Partnermanagement zu konkretisieren.

Dieses mehrstufige Vorgehen strukturiert und vereinfacht den Weg von der Idee bis zum realisierten Minimum Viable Product. mm1 unterstützt Sie auf dem gesamten Weg von der Ideengenerierung über die Wahl der Technologie und Partner bis zur Realisierung Ihrer Blockchain-Initiativen. Nehmen Sie Kontakt mit unserem Blockchain Team unter blockchain@mm1.com auf und erarbeiten Sie mit uns Ihren Way of Success.

Dieser Artikel ist Teil einer Artikelserie über Blockchain-Technologie. Lesen Sie weitere Artikel aus unserem Blockchain-Team:
1.
Blockchain in 100 Wörtern
2.
6 Mythen über Blockchain
3.
Arten von Blockchains
4.
Die Token-Ökonomie
5.
Anwendungsgebiete der Blockchain-Technologie
6.
mm1 Blockchain Use Case Assessment
7.
Blockchain im Mobilitätsbereich (Video)
8. mm1 Vorgehen für Blockchain-Initiativen (dieser Artikel)

Uwe Klötzner verfügt über 14 Jahre Beratungserfahrung, insbesondere in Serviceindustrien (Finance, Telco, Energy). Er ist Experte für die Umsetzung digitaler Transformation von Geschäftsmodellen und IT-Landschaften. Uwe bringt langjährige Erfahrung im Management komplexer Programme und Projekte sowie bei der Gestaltung & Optimierung von Geschäftsprozessen mit. Mit Struktur, verbindlicher Kommunikation und starker Identifikation liefert er Projekte verlässlich ab.

Raphael Iten ist ein erfahrender Unternehmer im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement. Durch seine Erfahrung als Berater im Versicherungssektor und dem Plattformbau bei Telcos berücksichtigt und kombiniert er verschiedene Lösungsansätze. Auf seinem akademischem Leistungsweg untersucht er Blockchain Erfolgsfaktoren im Versicherungssektor.

Severin Kranz arbeitet seit mehreren Jahren als Consultant im Fintech-Bereich sowie in der Vermögensverwaltung. Seit 2015 setzt er sich zudem intensiv mit dem Kryptowährungen und Distributed Ledger Technologien auseinander. Durch seinen Master in Business Innovation an der Universität St. Gallen hat er sich Geschäftsmodell-Innovationen sowie menschzentrierten Innovationen durch Design Thinking spezialisiert.

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Uwe Klötzner
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Unternehmer bei Red Heights AG - The Responsible Growth Company