Stadtwerke als Informations-Dienstleister | Was wir von den Stadtwerken Lemgo lernen können

Finn Faust
QLab Think Tank GmbH
5 min readAug 1, 2022
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In den letzten QLab-Blog-Artikeln haben wir beschrieben, wie deutsche Stadtwerke die Energiewende vorantreiben. Ein Weg ist die Einrichtung von One-Stop-Shops, die Kund:innen und Haushalte über private Investitionen in Erneuerbare Energien und den Stand der kommunalen Energiewende informieren. Weiterlesen: Was ist ein One-Stop-Shop?

Warum öffentliche Energieversorger wichtige Akteure der Energiewende sind
In Deutschland wird Energie über die Netze der Stadtwerke verteilt. Während kleinere Stadtwerke den gesetzlich festgelegten Energiemix hauptsächlich über die Europäische Energiebörse in Leipzig (DE) von den Erzeugern kaufen, stellen die Stadtwerke der größeren Städte das Netz nur für Energie zur Verfügung, die direkt von verschiedenen Erzeugern stammt.
Als nächstes lesen: Wie Stadtwerke die Energiewende vorantreiben können und was sie daran hindert, ihr volles Potenzial zu realisieren.

Allein in Deutschland gibt es etwa 900 Stadtwerke, von denen die meisten kleinere Kommunen versorgen. Viele erleben sich ähnelnde Probleme des Fachkräftemangels und kämpfen darum, junge Fachkräfte zu erreichen und für eine Tätigkeit im öffentlichen Sektor zu motivieren. Angesichts der Energiewende, jüngster Preiserhöhungen und der möglicherweise drohenden Gasknappheit wird der Bedarf an Expert:innen mit Knowhow durch aktuelle Ausbildungen noch dringlicher.

Weiterlesen: Stadtwerke und Fachkräftemangel: Über eine Dekade des scheinbaren Stillstands

Im Wettbewerb mit privaten Unternehmen können Stadtwerke kleinerer Kommunen aufgrund ihrer begrenzteren Kapazitäten noch stärker benachteiligt sein als die öffentlichen Versorgungsunternehmen größerer Städte. Wie also können kleinere Stadtwerke sich als progressive Energiewende-Spezialisten positionieren und ihre Kund:innen und Nachwuchskräfte erreichen?

Heute nehmen wir die One-Stop-Shop-Initiative der Stadtwerke Lemgo, NRW, unter die Lupe. Welche Aspekte sollten andere öffentliche Versorger übernehmen und welche könnten die Stadtwerke Lemgo verbessern, um ihre Informationsplattform noch effektiver zu nutzen?

Umfassende Inhalte: Vermitteln, dass sich Kund:innen in allen Energiefragen auf Ihre Stadtwerke verlassen können

Die Stadtwerke Lemgo versorgen eine Kleinstadt mit 41.000 Einwohnern und bieten ihren Kund:innen umfassende Informationen zu vielen relevanten Energie-Themen. Direkt auf der Landing Page können Interessierte Preise für Energie und Gas basierend auf ihrer Haushalts- oder Unternehmensgröße und ihrem Jahresverbrauch berechnen und dabei einpreisen, ob sie Ökostrom nutzen oder eine Ladestation für elektrische Fahrzeuge betreiben. Somit sind Preisinformationen leicht ermittelbar.

Über das Hauptmenü findet man schnell zu Informationen zu Energieversorgung, Elektrofahrzeugen und Bonusmöglichkeiten, zum EEG und Änderungen durch das Ablaufen des EEG, zu alternativen Heizanlagen, Parken und Bauen. Kund:innen finden somit eine umfassende Webumgebung vor, die viele ihrer Bedürfnisse erfüllt und somit eine exzellente Möglichkeit darstellt, ihr Vertrauen in die Dienste ihrer Stadtwerke zu stärken.

Darüber hinaus werden junge Qualifizierungssuchende auf der Landing Page direkt im zweiten Element angesprochen, welches zu einer Übersicht offener Einstiegspositionen verlinkt. Ungeachtet der etwas komischen Aufmachung zeigt diese direkte Adressierung, dass sich die Stadtwerke Lemgo den Herausforderungen des Fachkräftemangels stellen.

Ungeachtet der etwas komischen Aufmachung zeigt diese direkte Adressierung, dass sich die Stadtwerke Lemgo den Herausforderungen des Fachkräftemangels stellen. Quelle: https://www.stadtwerke-lemgo.de/

Barrierefreiheit ist der Schlüssel: Wie Stadtwerke ihre Informationszentren für ihr Publikum zugänglich machen können

Trotz ihrer Vorzüge lässt der One-Stop Shop der Stadtwerke Lemgo einige Bedürfnisse unberücksichtigt, vor allem in Bezug auf Zugänglichkeit und Reichweite. So sind beispielsweise alle Inhalte nur auf Deutsch verfügbar, obwohl die Deutschkenntnisse von fast jedem 10. Erwachsenen in Deutschland unzureichend sind.

Auch wenn dieser Anteil in Lemgo aufgrund der geringeren Anzahl internationaler Haushalte im Vergleich zum Durchschnitt der Region niedriger sein kann, sollten alle Stadtwerke darauf achten, ihre Informationen so vielen wie möglich zugänglich zu machen. Die Bereitstellung einer mehrsprachigen Website ist eine einfache Möglichkeit, mehr Haushalte zu erreichen und zu informieren.

Zudem adressiert die Landing Page nicht bereits ausgebildete Berufseinsteigende, die eine sofortige Verstärkung für die Teams der Stadtwerke bedeuten könnten. Die Stadtwerke Lemgo mögen ihre Gründe dafür haben, nur Ausbildungssuchende direkt anzusprechen, doch angesichts des akuten Fachkräftemangels, besonders im Digitalisierungsbereich, dürfte eine Steigerung der eigenen Attraktivität für qualifizierten Nachwuchs für viele Stadtwerke im Vordergrund stehen.

Darüber hinaus beschränken sich die Stadtwerke Lemgo auf die Verbreitung ihrer Inhalte über soziale Medien, die sich hauptsächlich an ihr Millennial- und Gen-X-Publikum richten, nämlich Facebook und YouTube. Das Problem dabei: Facebook ist bei der Gen-Z, welche stattdessen Instagram und TikTok bevorzugt, weitgehend unbeliebt.

Daher sollten Stadtwerke ihre Social-Media-Präsenz diversifizieren um jüngere Zielgruppen, die ihre zukünftigen Fachkräfte sind, effektiv zu erreichen. Glücklicherweise lässt sich plattformübergreifendes Recycling von informativen One-Stop-Shop-Inhalten mithilfe von Content-Management-Anwendungen effizient verwalten. Selbst auf TikTok können Stadtwerke ohne Zweifel Ihr jüngeres Publikum mit ansprechenden Inhalten erreichen, auch ohne alberne Tänze.

Vergleich der großen deutschen Stadtwerke mit Lemgos Bemühungen

Während die oben diskutierten Mängel angesichts der geringen Größe von Lemgo und ihren Stadtwerken verständlich sind, ist es erstaunlich, ähnliche Probleme auf den Websites der Stadtwerke von Hamburg, Bremen, München und Berlin zu finden, wenn man bedenkt, dass ihre Zielgruppen wesentlich größer und internationaler sind.

Auch wenn manche dieser Stadtwerke eine vielfältigere Auswahl an Social-Media-Kanälen anbieten als Lemgo, warten nur die Stadtwerke München mit einer englischsprachigen Website auf — versteckt im Footer-Menü ihrer Website. Folglich scheinen es die meisten deutschen Stadtwerke zu versäumen, auch internationale Fachkräfte und jüngst nach Deutschland migrierte Ausbildungssuchende anzusprechen sowie Einwohnende, die nicht gut Deutsch sprechen, mit wichtigen Informationen zu versorgen.

Take-Away und Ausblick

Stadtwerke können ihre Kund:innen und die Haushalte ihrer Kommune auf vielfältige Weise informieren und gleichzeitig das Selbstbewusstsein ihrer Kund:innen in energierelevanten Themen durch breite Informationsangebote stärken. Viele deutsche Stadtwerke bieten auf ihren Websites bereits umfangreiche Informations-Hubs an, allerdings oft nur auf Deutsch und über eine begrenzte Auswahl an Social-Media-Kanälen. In den kommenden Wochen werden wir untersuchen, wie viele deutsche Stadtwerke mehrsprachige Websites und Social-Media-Kanäle anbieten, die junge, qualifizierte Berufssuchende effektiv erreichen und die Ergebnisse über diese Medium-Publication veröffentlichen.

In Zusammenarbeit mit anderen Stadtwerken und externen Expert:innen können leicht zugängliche, mehrsprachige One-Stop-Shops, vertrieben über verschiedene Kanäle, eine sinnvolle Ergänzung der Serviceportfolios vieler Stadtwerke sein. Das QLab ist einer dieser Experten. Wir haben kürzlich ein Beratungsprojekt mit einem niedersächsischen Stadtwerk abgeschlossen (die Ergebnisse findest du hier) und sind spezialisiert auf den Aufbau von One-Stop Shops. Besuche unsere Website, um zu erfahren, wie wir das machen: Wie wir arbeiten: Der Design-Sprint.

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Finn Faust
QLab Think Tank GmbH

I’m an author of the QLab Think Tank blog, and I believe that empirically founded information is essential to prepare stakeholders for climate action.