Warum wir zu Medium umgezogen sind

Peter Hogenkamp
thescopecom
Published in
4 min readOct 27, 2017

Diese Woche haben wir unser Scope-Blog, bisher unter thescope.com/blog nach blog.thescope.com verschoben.

Das liest sich wie eine kleine Änderung. Aber nicht nur die Adresse ist neu, sondern auch die darunter liegende Technologie, wie man auch optisch erkennt: Wir sind jetzt auf der Publishingplattform Medium, einem Projekt vom Twitter-Gründer/Ex-CEO Evan Williams.

Auch wenn Medium eine schick designte Site ist, zumindest gefällt sie mir persönlich, könnte jemand meinen, dass wir als Scope uns in Sachen Design und teilweise auch Funktionalität verschlechtert haben, dann während unser altes Blog sich nahtlos in unsere Website thescope.com einfügte, sieht dieses hier deutlich anders aus.

Zum Vergleich, so sah unser Blog bis gestern aus:

Unser ehemaliges, selbst gebautes Blog

Für technisch Interessierte: Das war nicht nur eine WordPress-Site, die sehr ähnlich aussah wie unsere Website (so habe ich es in meinem vorletzten Leben bei Blogwerk oft gemacht), sondern das war eine Seite unserer «normalen» Scope-Website, die via WordPress-API sämtliche Inhalte aus einer «versteckten» Website an einem anderen Ort anzog. Dadurch konnten wir zum Beispiel auch den Login-Status mitliefern, also oben rechts im Blog anzeigen, dass «Peter» angemeldet ist, die Sprache «DE» gewählt hat etc. Das fanden wir cool; viele Sites, auch grosse, führen diesen Status im Blog nicht mit.

Soweit, so gut, aber leider funktionierte alles nicht ganz so rund, wie wir es geplant hatten, zum Beispiel schnitt unser «Hack» bei Google nicht besonders gut ab, gelegentlich wurden Seiten der falschen, eigentlich versteckten Site indexiert, wir konnten gewisse Inhalte wie Videos aus Sicherheitsgründen nicht einbetten etc. Das alles lag nicht daran, dass es nicht grundsätzlich möglich gewesen, oder unser Tech-Team nicht in der Lage gewesen wäre, es richtig aufzusetzen, sondern weil es leider nie oberste Priorität war, das anzugehen. Die Arbeit am Kernprodukt ist natürlich wichtiger als die Arbeit am Kommunikationssupportprodukt, so wie auch derzeit wieder, da wir unsere Kuratiersoftware komplett neu entwickeln.

Das beschriebene Setup war wegen dieser genannten Schwächen nicht gut geeignet für Content Marketing, was irgendwie unglücklich ist, wenn man eine Spielart desselben, wir nennen es Content Curation Marketing, als Produkt für Firmen anbietet.

Es war aber nicht nur ein «Push» weg von der bisherigen Lösung, sondern auch ein «Pull» hin zu Medium, seit ich Remo Uhereks Newsletter vom Januar 2017 gelesen hatte, dessen Titel treffenderweise ebenfalls lautete: «Why I moved my blog to Medium.com». Alles weitere kann man dort nachlesen, ich stimme ihm in fast allen Punkten zu.

Damals habe ich natürlich auch den von Remo zitierten Podcast Nr. 137 von James Altucher angehört («Ev Williams – Co-Founder of Twitter Speaks About What’s Next»), wobei ich mich grausam über den unglaublich schlechten Ton aufgeregt habe – Amerikaner sind manchmal schon sehr schmerzfrei! – aber trotzdem durchgehalten.

Nicht ganz einverstanden bin ich mit Remos Aussage, dass Medium das neue WordPress.com ist, aber dafür bin ich einverstanden mit Ev Williams’ Punkt, dass es sehr praktisch ist, wenn die User schon eingeloggt sind etc. Der Amazon-Vergleich von Altucher ab 32:08 min. leuchtet mir sehr ein: Wenn man einen Online-Schuhladen bei Amazon betreibt, kaufen die Menschen dort mit einer 30% höheren Wahrscheinlichkeit als auf einer Standalone-Website, weil bei Amazon alle Daten wie Adresse und Zahlungsinformationen schon hinterlegt sind. Das verwundert mich als Ex-Usability-Berater, Immer-noch-Convenience-Missionar und selbst Heavy-Amazon-Shopper natürlich überhaupt nicht. Ich habe schon oft irgendwo nur deshalb nicht gekauft, weil ich keine Lust hatte, mich zu registrieren.

Ev Williams vergleicht das gleiche mit Blogs, wo man erheblich lieber kommentiert, wenn man nicht das Gefühl hat, man sei der einzige. Das Phänomen ich auch schon bei mir beobachtet: Als erster irgendwo zu kommentieren lasse ich oft bleiben. Wenn bei Medium dagegen schon 20 Leute geklatscht, verlinkt, markiert haben, bin ich auch gern dabei. Nicht weil ich ein Opportunist wäre, der nur anderen folgen mag (wobei… wer weiss), sondern weil diese 20 anderen Leute eine Bestätigung sind, dass ich am richtigen Ort bin und dass vermutlich noch weitere 50 folgen, so dass es sich lohnt, unter anderem für diese Gruppe, die nach mir kommt, meinen Kommentar anzubringen. Netzwerkeffekt, grundsätzlich nichts Neues, aber immer wieder interessant, ihn in Aktion zu sehen.

Hinzu kam, dass ich zuletzt gute Erfahrungen mit Medium gemacht habe, zunächst mit diesem Beitrag zur «Republik» vom 1. Mai und mit diesem Beitrag über Ballmer/Müller/Tesla vom letzten Wochenende. Beide hatten buchstäblich über Nacht je 5000 Leser (inzwischen sind beide bei rund 8000), zahlreiche Interaktionen, Kommentare, Shares auf Social Media, teilweise mit Zitaten aus dem Post etc. Medium hat nicht unbedingt per se eine riesige Reichweite (ich habe 1800 Follower), aber es integriert sich offenbar bestens in Social Media. So macht Bloggen wieder mehr Spass.

Medium ist sicher auch nicht perfekt. Das User-Management finde ich verwirrend, Reto und ich haben während und nach der Migration lange in den Menüs rumgesucht, wie das alles gedacht ist mit mehreren Usern, die für eine Firma publizieren. Etwas simples wie einen Link zur eigenen Website zu setzen, haben wir erst nach Tagen gefunden, was einigermassen absurd ist. Wir sehen das Projekt daher auch nicht als ewig selig machende Lösung, aber es scheint mir ein guter Quick Win zu sein – damit die Hauptenergie weiter ins Produkt und dessen Verbreitung fliessen kann.

Daher wollen und werden wir hier wieder mehr deutlich mehr schreiben als zuletzt. Wir, das sind wir alle – und/oder die neue Praktikantin, die bald kommt, und deren Stellenanzeige natürlich nun auch unter neuer Adresse vorliegt. Wir sind immer noch sehr offen für gute Bewerbungen, wie gesagt auch von Männern.

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