“Du kleidest Dich aber noch ziemlich männlich!”

Juliane Röll
Transition Vignettes
2 min readMay 15, 2018

Im Kindergarten. Ich bringe die Kleine und den Mittleren hin; die Große geht inzwischen schon zur Schule. Neues Jahr, neue Gruppe, die Leute in Gruppe Gelb kennen mich noch nicht. (Anders als in Gruppe Blau, wo ich bekannt bin.)

Beim Schuhe-Ausziehen treffe ich auf eine Mutter mit zwei Kindern. Wir kommen ins Gespräch. “Bist Du der Bruder?” fragt sie mich. Ich, irritiert, “ja, nee, also: gewesen!” Ich grinse.

Ich bin nicht negativ berührt; das ist neu: Früher haben mich solche Interaktionen oft in Dypshorieschübe gekickt und Angst wach gerufen, das ist jetzt vorbei: Es mag mich jedes gendern wie es will, ich kann das ganz gut halten und auch korrigieren, wenn’s nötig ist; und ziemlich lässig transident sein.

Sie versteht nicht sofort, ich schiebe nach: “Ich lebe als Frau.” Strecke ihr die Hand hin: “Martina.” “Achso!”. Alles klar. Sie wechselt wieder zum Ausgangspunkt.“Ihr seht Euch nämlich echt ähnlich.” “Ja…”

Ich plaudere aus alten Zeiten, über Ähnlichkeiten von Geschwistern und Kindern.

“Du kleidest Dich aber noch ziemlich männlich!”

Ich lache sie aus und mache eine Bemerkung über’s Wetter.

Da muss irgendwo ein Nest sein.

Auf der oberen Etage treffe ich auf einen Jungen, den ich noch nicht kenne. “Bist Du der Vater?” fragt er mich, als ich dem Mittleren gerade die Jacke ausziehe. Als ich verneine, beginnt er zu raten: “Der Onkel?… Opa?”

“Nee, ich bin die Tante: die Schwester von seiner Mutter!”

Er guckt. “Du klingst aber mehr wie ein Mann, hm?” Er wird nachdenklich.

“Ja, manche Frauen klingen wie Männer” höre ich mich sagen. Ich bin nicht 100% froh mit der Formulierung, denke aber auch, dass sie kindergarten-angemessen ist. “Manche Frauen klingen wie Männer.” Bon. Warum nicht?

“Ich bin Martina, und Du?”

“Martina.” Er schaut mich an, lässt den Namenseindruck sacken. “Ich bin Alfons P.” Er stellt sich mit vollem Namen vor. Es ist ein ausgesprochen schöner Name. Ich bin verzaubert. “Hallo.”

Er eröffnet ein Gespräch:

“Wale sind Säugetiere.”

“Echt? Ich dachte immer, das wären Fische.”

“Haie sind Fische!”

“Aha.”

Alfons referiert über Orkas (“Schwertwale!”) und Wale und Haie. Als ich bemerke, dass er sich ja gut auskenne, bestätigt er und informiert mich, dass er auch im Bereich Raubkatzen und anderer wilder Tiere kundig sei. Ich mache eine mentale Notiz und bringe den Mittleren zur Gruppe.

Die Kinder kennen mich schon, rufen mein “hallo” zurück und freuen sich. Ein Junge sagt mir etwas, das ich nicht verstehe. Ich frage nach. “Du hast einen tollen Hut!!” Heh. “Danke.”

Ich mache mich wieder auf den Weg. Abholen in 3 Stunden.

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