Die Zukunft der Bücher
Teil 1: Selfpublishing
Schon seit längerem fürchtet die Buchbranche um ihre Existenz und beklagt die sinkenden Umsätze sowie die schwindende Bedeutung des stationären Buchhandels. Die Zukunft der Bücher steht infrage. Doch schon in der Vergangenheit gab es Innovationen, die die Existenz der Verlage und Autoren infrage stellten:
Film, Radio und danach das Fernsehen.
Immer wieder wussten Schriftsteller und Verleger sich anzupassen, ja — sogar die neuen Produktsparten verkaufsfördernd einzusetzen.
Doch das achso “böse” Internet überfordert Viele, die dieses Medium nicht gänzlich erfassen können und daher eher als Bedrohung wahrnehmen. Eine Bedrohung, die sich mittlerweile in greifbaren Zahlen der Verlage und Buchhandlungen niederschlägt: Sinkende Gesamtumsätze, schwindende Buchverkaufsflächen, nachlassende Bedeutung des stationären Buchhandels.
Und nicht nur die Verlage spüren den wachsenden Druck, der vermeintlich vom digitalen Medium ausgeht: Neuautoren finden immer schwerer zu einem Verlag, da die Antwort auf die neue Marktsituation zumeist der Fokus auf bestehende Marken und Bestseller-Autoren ist.
Das Internet, der Hort der Unruhe und des unsicheren Weges in eine nicht vorhersehbare Zukunft, erzeugt bei allen gewachsenen Institutionen — nicht nur bei den Verlagen — eine erwartbare Gegenreaktion: Der Wunsch nach Kontrolle, Ordnung und Berechenbarkeit.
Vordergründig erscheinen Plattformen wie Lovelybooks oder Goodreads lediglich als Reaktion auf den “Markt”, vielleicht als “innovative” Marketingplattformen. Doch weit gefehlt.
Sascha Lobo stellt hierbei treffend fest, dass ein neuer “Plattformkapitalismus” auf Überwachung und Kontrolle abziele und so das Internet zerstöre.
Dieser Versuch wird erkennbar von verschiedensten Seiten unternommen — und hierbei braucht man nicht allein auf den Staat schielen, sondern insbesondere auch auf die Privatwirtschaft.
Doch der “User” ist nun — völlig überraschend —auf dem Wege in eine immer rebellischere Position gegenüber vorgefertigten Meinungen. Einfaches “Stimm- und Klickvieh” möchte der Nutzer nicht mehr sein. Ein Gefühl der Emanzipation raunt durchs Netz — in all seinen positiven, wie auch negativen Aspekten.
Und nicht nur der User & Leser begehrt auf, nein, jetzt auch noch der Autor:
Selfpublishing ist das geflügelte Wort.
Selfpublishing: Der amerikanische Selfmade-Dream wird global
Begonnen hat die Revolution des Buchmarktes mit der Gründung Amazons durch Jeff Bezos. Getrieben von einer heiligen Mission die Buchbranche umzukrempeln, ja sogar nach seinen Wünschen zu gestalten, ist Bezos in seiner Wirk- und Vorgehensweise ähnlich wie Johanna von Orleans:
Zu Beginn nicht erfolgreich und belächelt, hat er doch zuletzt die Herzen der Kunden und der Autoren erobert. Er sähte Zweifel. Zeigte auf, dass die “Großen” behäbig und satt sind. Und die Antwort der Buchbranche war:
Sparen. Und Meckern.
Sparen sowie Angst waren genau das, was dem Amazon-Gründer in die Hände spielten: Die Autoren verloren (oder verlieren — denn der Prozess ist noch im Gange) den Glauben, dass man immer bei einem Verlag landen könnte. Und dass der Verlag wirklich an den Nachwuchs weiter glaubt. Hier rächt es sich, dass Zugpferde immer potenter ausgestattet werden und in der “Breite” des Buchmarktes gespart wird.
Mittlerweile verbreitet sich unter Neuautoren immer weiter die Auffassung, dass man selbst etwas aufbauen müsse, bevor man überhaupt von einem Verlag wahrgenommen würde. Man solle erst einige hundert oder tausend Bücher verkauft haben, bevor man interessant für den Verlag sei.
Dass sich dieses Denken mittlerweile in den Köpfen festsetzt, zeigt geradezu exemplarisch auf, dass die Buchbranche in ein systemweites Versagen hineinzuschlittern droht.
Mit unvorhersehbaren Konsequenzen.
Wie können Selfpublisher & Verlage wieder zueinander finden: Eine Begegnung auf Augenhöhe
Es wäre nicht einfach nur schade, sondern eine Katastrophe, wenn die Buchbranche sich störrisch gegen Innovationen stemmen würde und am Ende vielleicht nicht zu ihrem Untergang, aber zu ihrem Siechtum beitrüge.
Neben all dem Schimpfen auf den “Kapitalismus”, sollte man nicht vergessen, dass Verlage immanent auch einen Bildungsauftrag wahrnehmen und so die Demokratie fördern und ihr dienen. Ein Verschwinden der Verlags- und Buchvielfalt könnte — auf kurz oder lang — der Demokratie signifikanten Schaden zufügen.
George Orwell stellte in seinem Werk “1984” fest, dass vereinfachte Sprache zu vereinfachtem Denken und so zu gesteigerter Kontrolle führe. Ergo: Weniger Bücher gleich weniger Sprache gleich weniger Freiheit.
In meinem Artikel zur FBM15 stellte ich bereits damals fest, dass Angst die Branche beherrscht und so kardinale Fehler begangen werden.
Ein solcher Fehler ist bspw. Selfpublisher bei Lovelybooks wie Autoren zweiter Klasse zu behandeln und ihnen nicht die gleichen Konditionen wie Verlagen und deren Autoren zu bieten.
Auf der LBM16 und im Vorfeld war hinter vorgehaltener Hand das Gebahren von Lovelybooks, und der dahinterstehenden Verlagsgruppe Holtzbrinck, eines der Gesprächsthemen. Der Autor Benjamin Spang äußerte sich hier erbost über dieses Verhalten.
Unter dem Hashtag #SelfpubStimme wurde dann die Diskussion weitergeführt. Hierzu führte ich dann eine -nichtrepräsentative- Umfrage durch, die mit eindeutiger Mehrheit sich dafür aussprach, gleichberechtigter von der genannten Plattform wahrgenommen zu werden. Die Äußerungen von verschiedenen Seiten auf Twitter, wie auch in persönlichen Gesprächen auf der LBM16, zeigen, dass Selfpublisher nicht gern “von oben herab behandelt” werden möchten.
Ein positives Zeichen von Emanzipation und ein Signal, dass Verlage noch mehr auf die immer wichtiger werdende Autorengruppe zukommen sollten.
Zudem:
Selfpublisher sind mittlerweile das Zugpferd der Buchbranche und nicht nur als “Nachwuchs” zu betrachten. So sind die neuesten Zahlen des englischen Buchmarktes zu lesen.
Quo vadis Selfpublishing
Der Ball liegt aber nicht nur in der Ecke der Verlage, auch die deutschen Selfpublisher selbst müssen sich bewegen:
Sie müssen sich professionalisieren.
Das ewige Gejammere, man habe kein Geld für ein ordentliches Korrektorat, Lektorat und Buchcover, zieht nicht mehr. Amazon markiert mitterweile Ebooks mit Warnhinweisen, sollte eine schlechte Rechtschreibung Grund für Beschwerden sein: Ein Verkaufskiller.
Davon mal abgesehen: Welche Gedankengänge verleiten einen Autor wirklich dazu, einem Leser ein unprofessionelles Werk vorzusetzen und dann noch so dreist zu sein, Geld zu verlangen?
Es erschließt sich mir nicht wirklich.
Denn im “Self-Publishing” schwingt der Begriff Unternehmertum, Selbstständigkeit mit. Dies bedeutet, dass man investieren, unternehmerisches Risiko wagen muss, um überhaupt von “Rendite” träumen zu dürfen.
Sicher, ein Buchprojekt ist nicht “billig”- aber:
Was ist im Leben billig? Sogar der Tod ist nicht umsonst.
Ein Selfpublisher sollte hier nicht blauäugig ans Werk gehen und glauben, mit null Investition und null Arbeit “Millionär” werden zu können.
Nicht nur, dass man dem Ruf aller anderen Selfpublisher so schadet.
Spätestens bei den ersten Verrissen, den pampigen Antworten auf ebendiese und schlussendlich den ausbleibenden Verkäufen — abgesehen von der Familie, die einem belächelnd Exemplare aus Mitleid abkauft — wird dem blauäugigsten Selbstverleger klar:
Ich habe versagt.
Eben nicht.
Selfpublisher können vielleicht schreiben, aber nicht jeder kann verkaufen und auch die Dienstleistungen, die für das Werk nötig sind, wertschätzen. Wenn man “nur” schreiben kann, sollte man es weiterhin bei einem Verlag versuchen und nicht als Selfpublisher. Ohne Professionalisierung hat man in diesem umkämpften Markt keine Chancen.
Fazit
Die Verlage müssen ihre Scheu ablegen, innovativer und beweglicher werden und den Selfpublishern auf Augenhöhe begegnen.
Umgekehrt müssen Selbstverleger professioneller auftreteten, quasi Fachfrauen & -männer auf den Gebieten des Schreibens, des Unternehmertums und der Selbstvermarktung sein, um überhaupt Chancen zu haben.
Aber Selfpublishing ist nicht das Einzige, das die Buchbranche verändert.
Auch andere Neuheiten, Innovationen und Technologien erfordern geeignete Reaktionen der Verlage, aber auch der Autoren und sogar der Leser.
In den nächsten Wochen wird die Reihe “Die Zukunft der Bücher” hier auf Medium weitergeführt. Folge mir, um keinen Beitrag zu verpassen.
In der nächsten Woche lautet das Thema:
“Die Zukunft der Bücher —
Das Buch in Zeiten der Computerspiele”
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