Fazit zur FBM: Das Wanken der Titanen
Die Zukunft liegt im Self- und Cross-Media-Publishing — Alt-Verlage wirken verunsichert
Die Frankfurter Buchmesse 2015 ist vorbei, alle sind daheim und schmökern in ihren Messemitbringseln oder schmeißen die Visitenkarten und Kugelschreiber gleich in die Ecke, in der sie dann bis zum nächsten Jahr versauern und man dann die Werbematerialien pünktlich zur neuen Messe wiederentdeckt.
Der ewige Kreislauf von Messen. Über den Sinn manch eines Messeauftritts und der verteilten Geschenke will ich mich hier nicht auslassen, sondern kurz meine Auffassung zur diesjährigen Messe teilen; wir haben ja nicht mehr die Zeit, uns einem guten Buch zu widmen, geschweige denn nach einer Woche noch rekapitulieren zu können, was alles die Messe-Marktschreier uns entgegengebüllt haben.
Ein Wort trifft diese Messe voll und ganz:
ANGST
Ja, genau. Auch wenn alles glitzerte und glänzte, wie eh und je, so spürte man ein wachsendes Gefühl der Ratlosigkeit, Panik. Die Hostessen lächelten steif, aber dafür werden sie ja bezahlt. Die Außendienstler huschten geschäftig mit ihren Pomaden und Trollis druch die Gänge, bleckten ihr Raubtiergebiss. Und doch wirkten sie alle nervös, wenn man sie auf die Zukunft ansprach.
Die Buchbranche verlautet: Wir kriegen das hin — die Zahlen sind aber allesamt rot. Sind hier wirklich nur die sinkenden Buchpreise schuld? Gleichzeitig wird den Verlagen langsam bewusst, dass eine unaufhaltsame Welle an Neuerungen auf sie zukommt:
Verlage werden verschwinden, immer weniger Redakteure werden beschäftigt sein, dafür umso mehr IT-Spezialisten — das Ungeheuer “Digitaler Markt” ist längst in Deutschland angekommen.
Aber was macht die Branche?
Sie verhält sich wie die drei Affen:
Ich sehe nichts
Ich höre nichts
Ich sage nichts
Gut, das Letzte stimmt so nicht ganz. Denn die Verlage sagen schon etwas, doch sind es Halbwahrheiten und hohles Marketinggeschwätz.
Anders kann man nicht die uneinheitlichen und widersprüchlichen Aussagen zum Ebook-Markt erklären. Er wächst in Deutschland, in den USA schrumpft er. Hohe Ebook-Preise werden als Grund für das Schwächeln des Marktes ausgemacht; Klaus Kluge und Stefanie Folle wollen hingegen höhere Preise.
Sicher, mit niedrigen Preisen bleiben die Margen weiter niedrig und das Überleben eines Verlages erscheint fraglich. Aber der heutige Kunde lässt sich heute nicht mehr so gern für dumm verkaufen, wie es früher einmal möglich war, im Schlaraffenland des “Gestern”.
Warum sollte man denn für etwas immer mehr bezahlen, ohne zumindest einen gefühlten Mehrwert zu erhalten?
Wie wäre es mit Mehrwerten wie dem sog. Cross-Media-Publishing (hier geht es zu meinem weiterführenden Artikel) oder einem “Immersive Storytelling”?
Wenn man “denglische” Begriffe verwenden muss, sieht man bereits, dass diese neuen Möglichkeiten “Neuland” für deutsche Verlage sind.
Müssen wir auf Veröffentlichungen eines J.J. Abrams warten (S. — Das Schiff des Theseus), um zu erfahren was “Immersive Storytelling” bedeutet?
Müssen wir erst auf Game of Thrones oder Walking Dead warten, um erahnen zu können, welche Möglichkeiten sich bieten, wenn man Geschichten auch in andere Medien überträgt und so dem Leser ein neues, ganzheitliches Erlebnis bietet?
Meine Frage: Ist die deutsche Buch- und Verlagsbranche noch zu eigenen Innovationen fähig oder sind wir alle behäbig und träge geworden? Ist Jammern das Einzige, was uns einfällt?
Nein, Jammern ist wahrlich nicht das Einzige: Verdrängung und Missgunst kommen hinzu.
Das Märchen der Ebook-Schwäche und mangelnden Akzeptanz von Selfpublishern ist pünktlich zur Messe entlarvt worden: Nicht der Ebook-Markt schwächelt, sondern die Verlage. Und der Selfpublisher-Anteil wächst und wächst.
Ralph Moellers vom “Möllers und Bellinghausen Verlag” brachte es am Donnerstag in der Selfpub-Area auf den Punkt: Die Buchbranche weiß nicht so recht, wie sie mit den “Neuen” umzugehen hat; ob sie sie einbinden, ausnehmen oder verdrängen sollten.
All diese Eindrücke unter-streichen am Ende nur mein Anfangsstatement, dass in der Branche die Angst umgeht.
Mein Appell:
Schafft neue Innovationen und behandelt die Leser, wie auch die Autoren, als das was sie sind: Kunden der Verlage, die umworben werden müssen und denen nicht einfach irgendetwas vorgesetzt werden sollte, dass sie am Ende einfach zu schlucken haben.
Die Verlage sollten das digitale Zeitalter als das schätzen lernen, was es im Grunde genommen ist: Ein Zeitalter der Emanzipation.
Nur der, der sich diesen Neuerungen anpassen will, wird am Ende überleben. Der Verlagsbranche dämmert es langsam, dass nun auch die Regeln der Evolution für sie gelten. Wer sich nicht anpasst, stirbt aus.
Ist nun alles schlecht auf der Frankfurter Buchmesse gewesen und die Schweißflecken auf schlecht sitzenden Hemden nur der Angst geschuldet?
Nein. Ich bin der Auffassung, dass Messen meist nur der Selbst-beweihräucherung dienen und dies — neben neuen Katalogen und einigen Werbegeschenken — keinen Mehrwert für den Endverbraucher bietet.
Die FBM ist aber ein guter Ort um Kontakte zu knüpfen: netzwerken, wie es neudeutsch heißt.
Neue, interessante Leute wie Benjamin Spang, Nina Hasse, Farina de Waard oder Carola Wolff auch in echt kennenzulernen, ist immer spannend und am Ende das, das einem am ehesten in Erinnerung bleibt; und nicht der 953-te Vortrag oder das 7.587-te Buch.
Menschen: das ist der eigentliche Sinn einer Messe — Klimbim kriege ich auch in der Werbung.
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