360-Grad-Storytelling: Zuschauer verführen in allen Facetten

Gerhard Schröder
Videomarketing by K3
4 min readJun 8, 2017

Livestreaming, Virtual Reality, Snapchat, Instagram Stories — die Zahl der multimedialen Kanäle und Formate ist enorm. In dieser Flut an Bild- und Videoformaten ist eines sehr rar und wertvoll: die Aufmerksamkeit der potenziellen Zuschauer.

Die wichtigste Voraussetzung dafür, diese Aufmerksamkeit zu gewinnen, ist ein Inhalt mit Nutzen. Nutzen bedeutet jedoch nicht immer praktische Tipps oder Informationen. Auch gute Unterhaltung kann Nutzen bieten.

Ein Format hilft dabei, diesen Nutzen zu bieten und Aufmerksamkeit auf Inhalte zu ziehen: 360-Grad-Fotos und -Videos. Sie können…

… eine Situation oder eine Location möglichst realistisch abbilden.

… dem Zuschauer einen höchstmöglichen Grad an Freiheit bieten.

… auf Facebook und YouTube enorme Reichweite erzielen.

… Aufmerksamkeit und Interesse wecken und binden.

… Menschen dazu animieren, Inhalte zu teilen.

Sicher, viele dieser Punkte lassen sich auch mit anderen Medienformaten umsetzen und erreichen. Damit ein 360-Grad-Videos seine volle Wirkung entfalten kann, braucht es nicht nur gute Themen, sondern vor allem auch gutes Storytelling.

360-Grad-Rundgänge — wie hier bei der IHK Krefeld — können nicht nur einen sehr guten Eindruck von Räumlichkeiten vermitteln, sondern auch bei der Orientierung vor Ort helfen und schlussendlich Entscheidungen — aufgrund der Wirkung — beeinflussen.

360-Grad-Storytelling: Verstecken geht nicht

Bei klassischen Foto- und Videoformaten entscheidet bereits die Bildauswahl über die Wirkung. Fotografen und Videografen wählen aus, was die Zuschauer sehen und können so Wirkung und Stimmung der Bilder und Videos gestalten. Diese Möglichkeit gibt es bei 360-Grad-Formaten nicht. Ein „hinter der Kamera“ gibt es nicht mehr, der Zuschauer kann sich frei umsehen und wird auch die Stellen entdecken, die bei klassischen Drehs verborgen geblieben wären.

Zwar gibt es verschiedene technische Möglichkeiten, um Blick und Aufmerksamkeit des Zuschauers in 360-Grad-Formaten zu lenken, doch eine zu starre Führung wird von Zuschauern in der Regel abgelehnt und macht die mögliche Freiheit des 360-Grad-Formates zunichte. Facebook selbst schreibt in einem Artikel zu 360-Grad-Videos auf der Plattform:

„When you’re using Guide, try to find a balance between giving your audience direction if they want it and affording them freedom to explore on their own terms — since that freedom is one of the most compelling attributes of 360 video.“

Wir sprechen bei K3 statt von Aufmerksamkeitslenkung lieber von “Verführung” (wie beim Tango Argentino). Statt dem Zuschauer vorzugeben, wohin er schauen soll, laden wir seinen Blick und seine Aufmerksamkeit dazu ein, einer Bewegung oder einem Objekt zu folgen. So wirkt der Aufmerksamkeitsfluss natürlich und stört die Zuschauer nicht. Das ZDF zeigt in seinem in 360-Grad produzierten Krimi „Tempel“, wie Aufmerksamkeitsverführung funktionieren kann.

Die hier im Video sichtbare junge Dame bewegt sich in den ersten Sekunden von ihrem Standort nach links. Der Blick des Zuschauers folgt ihr automatisch und wird damit zum nächsten Punkt der Story und den Protagonisten des Krimis geführt.

In einem Kundenprojekt haben wir — in Ermangelung entsprechender Protagonisten — das ein wenig anders gelöst. Zu Beginn des Videos, einer Mischung aus 360-Grad-Animation und 360-Grad-Video, steigen Luftballons auf. Der Blick des Zuschauers folgt ihnen und trifft dann auf eine rotes Flugzeug, das sich in die Richtung der Baustelle bewegt, um die es in den nächsten Minuten geht.

Diese Kombination aus Bewegungen und Objekten erfüllt drei Funktionen:

  1. Der Zuschauer hat von Anfang an die Orientierung, wo oben und unten ist. Das ist vor allem dann wichtig, wenn 360-Grad-Inhalte auf VR-Brillen — wie Google Cardboard, HTC Vive oder Oculus Rift — wiedergegeben werden.
  2. Der Blick des Zuschauers folgt zwei verschiedenen Objekten. Diese Bewegung wirkt natürlich und sieht nicht sofort nach einer Richtungsvorgabe aus.
  3. Der Zuschauer sieht sich ganz automatisch um und bekommt einen Eindruck der Szenerie und der Situation. Dadurch findet er sich schnell zurecht und weiß, in welchem Kontext er sich bewegt.

So etablieren wir in wenigen Sekunden — und ohne jede formale Aufmerksamkeitslenkung oder gar Hinweisschilder — die Situation und die Richtung, in der sich die Handlung des Videos abspielen wird.

Nutzen Sie den kompletten Raum

Die Freiheit von 360-Grad-Formaten bedeutet — neben technischen Herausforderungen — auch, dass sich die Story im gesamten Raum abspielen kann und sollte. Findet zu viel Aktivität in mehreren Bereichen des Raumes gleichzeitig statt, fühlen sich Zuschauer schnell überfordert. Außerdem können so wichtige Elemente der Story übersehen werden und untergehen.

Wird die Story jedoch Schritt für Schritt und durch Bewegung im 360-Grad-Raum erzählt, kann die Freiheit des Formats genutzt werden, um alle gewünschten Informationen zu vermitteln. Das kann beispielsweise durch eine wandernde Texttafel, sich bewegende Protagonisten oder andere visuelle Hinweise erfolgen.

Bei 360-Grad-Videos können solche Hinweise auch über akustische Signale gesetzt werden, wenn mit 360-Grad-Sound gearbeitet wird. Hier ist jedoch die Plattform, auf der das 360-Grad-Video publiziert wird, entscheidend. Während YouTube-Videos meistens mit Ton angeschaut werden, bleibt dieser bei den meisten Facebook-Videos ausgeschaltet.

Diese müssen daher ohne Ton funktionieren oder es muss ein Hinweis eingeblendet werden, der deutlich macht, dass der Ton spürbar zum Gesamterlebnis beiträgt.

360-Grad-Storytelling folgt zwar den gleichen Prinzipien wie klassisches Storytelling. Die Freiheit des Zuschauers, sich selbstbestimmt im Raum umzuschauen, stellt Videoproduzenten jedoch vor neue Herausforderungen. Werden diese allerdings gemeistert, können 360-Grad-Inhalte hervorragende Reichweiten- und Interaktionsbooster sein und neue Kunden auf Marken und Produkte aufmerksam machen.

P.S.: Dieser Artikel erschien zuerst im „digital publishing report“, Ausgabe 4/2017 zum Themenschwerpunkt Virtual und Augemented Reality.
PSS: Meine erste Medium-Serie ist am Start Womit schaut man sich am besten ein 360-Grad-Video an?

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Gerhard Schröder
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