wARum das alles?

Was kann und wie geht Augmented Reality?

XO-Stories
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8 min readJul 4, 2019

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Während viele AR nur mit Pokémon Go verbinden, hat die Technologie viel mehr zu bieten. Sie ist nicht nur Spielerei, sondern kann zur Lösung einer Vielzahl von Problemen beitragen und hebt nicht zu letzt Lernen und Training auf eine ganz neue Ebene. In diesem Artikel möchte ich auf die Definition, die Einsatzgebiete, sowie einfache Tools zum AR-Prototyping eingehen.

“VR, AR, MR— klingt für mich alles gleich! Wofür brauche ich das, was ist der Unterschied und was ist das eigentlich überhaupt?”

Der Unterschied zwischen VR, AR und MR auf einen Blick (via AR Post)

Starten wir mit der Begriffsklärung und Abgrenzung

VR also Virtual Reality ist eine computergenerierte Welt, die den Nutzer vollständig umgibt. Er oder sie taucht komplett ein und erlebt Umgebungen und Objekte, die so eigentlich nicht existieren.

Um in diese Welten einzutauchen, benötigt der Nutzer ein VR-Gerät, eine Brille oder ein Helm. Während high-end VR-Varianten wie Oculus und Vive ein Tracking besitzen, das ein natürliches Bewegen in der virtuellen Umwelt erlaubt, funktionieren low-end Varianten, wie das Google Cardboard nur in der Kombination mit Smartphones und erlauben kein Verfolgen der Kopf- oder Körperbewegung.

VR-Erlebnisse sind immer dann interessant, wenn die reale Erfahrung teurer, gefährlicher oder unmöglich. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass ein ausblenden der realen Welt und damit ein vollständiges “eintauchen” in die virtuelle zumindest in Ordnung ist.

AR also Augmented Reality (erweiterte Realität) bezeichnet eine computergestützte Erweiterung der Realität. Im Gegensatz zu VR integriert sich AR in die reale Welt und ergänzt diese durch Objekte, Überlagerungen oder Effekte. So können zum Beispiel direkt durch den Handybildschirm (mobiles AR) Elemente angezeigt werden, die sich auf die reale Umgebung legen. Auch Augmented Reality ist dann interessant, wenn eine reale Darstellung dieser Objekte teurer oder unmöglich ist. Zusätzlich eignet sich AR insbesondere dann, wenn die reale Welt in der Erfahrung oder Interaktion wichtig ist oder bestehende Darstellungen eine Transferleistung erfordern.

MR oder Mixed Reality (vermischte Realität) ist die Erweiterung von AR. Digitale Objekte werden nicht nur über die reale Welt gelegt, sondern scheinen nahtlos in der realen Welt zu bestehen, als würden sie dort hingehören. Es sind hier die fortschrittlichsten Algorithmen zur Oberflächenkartierung erforderlich, um die perfekte Illusion für den Benutzer zu erzeugen. Beispiele für futuristisch aussehende Mixed Reality (MR) Brillen sind u.a. die HoloLens 2 oder die Magic Leap One.

Du willst noch mehr zu den Unterschieden wissen ? Weitere Informationen, die noch mehr in die Tiefe gehen, liefern zum Beispiel dieser und dieser Artikel.

Du brauchst einen kleinen Spicker? Eine Übersicht zu den Unterschieden findest du auf dem Cheat Sheet von wiARframe, auf deren Software ich gleich noch eingehe.

Alles schön und gut, aber wofür kann ich das alles nun verwenden? Hier sind einige Anwendungsfälle. Einfach mal durchschauen und inspirieren lassen.

Augmented Reality …

Lessons in Herstory

…in der Lehre

Wieso beinhalten so viele Bücher in der Schule nur die Geschichte von Männern? Lessons in Herstory möchte das ändern. Zu jeder historischen männlichen Persönlichkeit können die Schüler:innen mittels der AR-App eine “vergessene” Frau entdecken und etwas über sie lernen.

…in der Forschung

Forschung muss nicht immer trocken sein. Warum jede Organisation eine AR-Strategie benötigt, erklärte die Harvard Business Review indem sie in ihren Bericht die AR Experience einfach mit einbauten.

…im Produktdesign

Klassisches Prototyping ist teuer, zeitintensiv und mit hohem Ressourcenverbrauch verbunden — AR Prototyping kann hier Abhilfe schaffen. Die Modelle können direkt mit 3D-Softwares erstellt und für andere verfügbar gemacht werden. Bei unserem letzten Campfire on Mars Event zum Thema AR, hat die Design Agentur Ropelius ihr Produkt HelpYourShelf vorgestellt — eine Möglichkeit 3D-Modelle der Produkte mit AR direkt im Supermarktregal zu platzieren, um sich diese in ihrem üblichen Kontext besser vorstellen zu können.

…beim Einkaufen
AR kann auch einfach mal Spaß machen. Die App Wanna Kicks ist für alle Sneakerfans, die keine Lust auf Schuhanprobe haben, diese aber trotzdem gerne am Fuß sehen möchten. Nur bei drei Füßen im Sichtfeld ist die App ein bisschen überfordert ;) Apropos Schuhe: in diesem Beispiel wurde erkannt, was das Problem bei Schuh Conventions ist und versucht genau das zu lösen — mithilfe einer App und AR.

…in Hamburg
Auch für Hamburg gibt es AR-Experiences: so zum Beispiel die App über den englischen Ingenieur William Lindley, der vor rund 170 Jahren die Abwasserkanäle in Hamburg revolutioniert hat — die damalige Innovation wird so mit einer heutigen Innovation kombiniert!

Und jetzt du! AR Prototyping selbst ausprobieren

Wir bei X-O sind große Fans des Prototyping — und das vor allem möglichst früh im Innovationsprozess. So können schneller Ideen vermittelt, Feedback gesammelt und Fehler entdeckt werden. Dazu findest du auch einen eigenen Beitrag hier in den X-O Stories.

Mittlerweile gibt es viele Plattformen, die eine einfache und kostenlose AR-Erstellung für Einsteiger erlauben. Hier möchte ich einmal unsere getesteten Favoriten vorstellen:

Mit ein bisschen Geduld kann man mit Spark AR Studio einen Facefilter herstellen.

Für Soziale: Spark AR Studio

Die beliebten Face Filter der sozialen Netzwerke kann man auch selber erstellen — für Instagram und Facebook. Mit etwas Geduld, Fingerspitzengefühl und einer Anleitung hat man in ca. einer Stunde — oder ein bisschen länger — einen öffentlichen AR Filter, den auch andere verwenden können.

Tipp: Unbedingt das Tutorial machen, sowie erst mit den vorgegebenen Prototypen herum probieren, bis der Aufbau verständlich ist, ansonsten ist es ein bisschen viel für den Anfang.

Für Designer und Developer: Torch

Torch wurde entwickelt, damit Designer und Developer ihre Ideen in 3D verwirklichen können, ohne komplizierte Softwares mit Kenntnissen in Code zu besitzen.

Mit ein bisschen Übung und beispielsweise diesem Tutorial kannst du bald auch selbst solche Prototypen erstellen!

Zum ausprobieren können fertige 3D-Modelle von Google Poly (kostenlos) oder Sketchfab (kostenlose und relativ kostengünstige Modelle) verwendet werden. Eigene 3D Objekte lassen über Dropbox, Google Drive oder auch direkt aus dem Smartphone einbinden (Anforderungen an die Modelle: zip-Format und als glTF, FBX, OBJ, etc.).

Hat man die gewünschten Modelle importiert, können diese noch verändert werden. Neben dem Verschieben, Skalieren und Drehen der Objekte, ist es auch möglich Interaktionen und Effekt hinzuzufügen (bspw. dauerhafte Rotation). Am Ende hast du eine eigen AR-Experience, die du über eine Videoaufnaahmefunktion sogar direkt teilen kannst. Über diesen Link kannst du mit der Torch App mein erstes Experiment selbst ausprobieren. Tipp: Einfach mal auf das Boot klicken und schauen, was passiert!

Kleiner Kritikpunkt: Das Gerät wird beim Verwenden der App ziemlich schnell warm und der Akku geht schnell leer. Torch gibt es zudem bisher leider nur für iOS. Wenn du ein Android-Gerät besitzt, dich aber trotzdem mit einer kostenlosen einfachen AR-Prototyping-Software auseinandersetzen möchtest, kann ich wiARframe empfehlen.

Der Web Editor für den wiARframe AR-Prototyp — mit vielen schrittweisen Erklärungen, Tipps und Einführungsvideos durch den Gründer.

Für Experimentierfreudige: wiARframe

wiARframe funktioniert ähnlich wie Torch. Der Prototyp kann hier aber leider nicht direkt am mobilen Gerät erstellt werden, sondern muss in der Webversion entwickelt und kann parallel in der mobilen Version getestet werden. Wenn etwas im Editor geändert wird, kommt aber sofort eine Benachrichtigung in der App.
Bei wiARframe kann beim Erstellen noch unterschieden werden, ob die Experience für eine Fläche (beispielsweise auf einem Tisch) oder einen Raum, erstellt werden soll. Daraufhin können auch hier verschiedene Elemente — Panels (also 2D Flächen, wie Bilder) oder 3D-Modelle (eigene oder auch hier durch Google Poly etc.) hinzugefügt, skaliert, gedreht etc. werden. Danach können die verschiedenen Interaktionen und Reaktionen, wie das Öffnen eines Links, das Umfallen eines Objektes etc. ausgeführt werden.

Mit ein wenig Ausprobieren habe ich eine X-O Experience erstellt — die noch lange nicht perfekt ist. Mit folgendem Link kannst die AR-Experience in der App ausprobieren und mit diesem kann im Editor weiter bearbeitet. Schreib mir gern deine Ergebnisse und Erfahrungen!

“Aber was soll ich denn mit so einer AR-Software jetzt erstellen?”

Um diese Problematik zu umgehen, gibt es die Funktion, “wiARframes” (also die AR-Experiences) anderer Nutzer zu “rewiARen”. Das heißt, an die Modelle anderer kann einfach angeknüpft werden, was noch einmal ganz interessante neue Kombinationen und Ideen hervorbringen kann.

Die Anmeldephase bei wiARframe dauert allerdings etwas, da der Zugang angefordert werden muss. Sofern man nicht unter Zeitdruck ist, kann man dies allerdings einfach einmal ausprobieren.

Für Visionäre: Project Aero von Adobe

Auch ganz interessant, aber momentan noch in der Entwicklung: Project Aero von Adobe. In Kombination mit den anderen Programmen der Creative Suite (besonders Dimension und Photoshop) können hier AR-Prototypen erstellt und erfahrbar gemacht werden. Hier lohnt es sich dranzubleiben.

Das klingt für dich alles ganz interessant, aber du möchtest das alles lieber unter Anleitung testen? Torch probieren wir z.B. bei unserem nächsten Campfire on Mars Event aus. Hier kannst du dich dafür anmelden. Wenn das für dich keine Option ist, melde dich bei uns! Wir finden mit Sicherheit den richtigen Rahmen für deine ersten Testläufe.

Fazit: Um das Niveau der Prototypen zu erreichen, die in den Use-Cases, aber auch durch die Entwickler der drei Softwares gezeigt werden, benötigt man schon etwas mehr Geduld und Zeit zum ausprobieren. Aber, um ein generelles Verständnis für die Technologie zu bekommen — wie sie reagiert, welche Dinge schnell möglich sind und um einfach einmal Spaß zu haben, dafür sind diese einfachen Softwares ohne Programmierkenntnisse auf jeden Fall geeignet.

Du hast etwas davon schon ausprobiert? Dann schick uns gerne ein Ergebnis deines Prototypen. Wir sind gespannt!

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Industriedesign Studentin aus Bayern, isst gerne Brezen, trinkt Maracujasaftschorlen und trägt Streifenshirts.