Digitalisierung in Schulen: Wir brauchen ein Ökosystem und keine neue Austattung!

Aileen
Die Zukunftsbauer — was ist deine Mission?
7 min readFeb 26, 2018

Unser Besuch auf der Didacta 2018, Deutschlands größter Fachmesse für die Bildungswirtschaft, hat gezeigt beim Thema Digitalisierung besteht in Schulen Nachhol- und Handlungsbedarf. Digitalisierung wird dabei nach wie vor in technischen Artefakten gedacht und nicht als System und Empowernment verstanden…

Die Zukunftsbauer” auf dem Forum Didacta Digital mit ihrem Smart School Ansatz.

Unser Besuch auf der Didacta 2018 startete für uns auf Einladung des Bündnisses für Bildung mit einem Workshop zum Thema “Smart Schol 2030”. Danach ging es für uns auf die EduCouch, wo wir unsere Initative vorgestellt und uns mit dem Institut für digitales Lernen über das Thema Digitalisierung in Schulen ausgetauscht haben. Das Video dazu findet man hier.

Bundesweit gibt es bereits viele tolle Initiativen und Ansätze zum Thema Zukunft der Schule, allerdings handelt es sich dabei vor allem um Insellösungen und das Innovationspotential von Schulen hängt oft an dem Engagement Einzelner. Synergieeffekte bleiben oft ungenutzt. Die größte Schwierigkeit besteht jetzt darin, diese nachhaltig ins bestehende System zu integrieren und für die ganze Bildungslandschaft zugänglich zu machen. Ich hatte gehofft, auf der Didacta entsteht ein solcher Austausch und es präsentieren sich Best Practice Ansätze und Aussteller, die z.B. Biologie LehrerInnen zeigen wie man Wissen zur DNA oder Zelle plastisch mit 3D Druck vermitteln oder Ethik LehrerInnen zeigen wie man mit Virtual Reality Empathie schulen kann. Da ich ein Neuling im Bildungssektor bin und das Messegelände Hannover sonst nur von CEBIT Besuchen kenne, war ich dementsprechend gespannt und hatte hohe Erwartungen. Bei keiner anderen Veranstaltung bekommt man Zugang zu Tausenden Lehrern, um sich über neue Anforderungen an Bildung in der digitalisierten Welt auszutauschen.
Stattdessen ähnelte die größte Messe der Bildungswirtschaft aber leider vielmehr einem Bücher Basar mit passenden Angeboten für Lehrertragetaschen und Klebestifte. Von den insgesamt drei Hallen wurden zwei fast komplett von bekannten Verlagen eingenommen. Eine Halle widmete sich zumindestens vom Namen her der Digitalisierung, die Didacta Digital. Das Positive hier: In diesem Jahr gab es erstmals einen ganzen Stand, an dem sich, dank des Bildungsinkubators Eduvation, über 40 Startups mit neuen Lösungen für den Unterricht präsentierten. Allerdings in einem, wie ich finde, ungünstigen Setting zwischen Möbelherstellern und Whiteboard Anbietern.

Photocredit: Unsplash & Die Zukunftsbauer

Alle reden davon, dass mehr Geld in Bildung gesteckt werde muss, weil dieser in der digitalisierten Welt mehr Bedeutung für die Gesellschaft und den Einzelnen zukommt als je zuvor…wo aber waren die Themen Arbeitsweltwandel oder 21. Century Skills auf der Didacta? Und auch eine große “Wir investieren die kommenden Jahre xx Euro in Sie und unterstützen Sie und Ihre Schulen bei der digitalen Transformation”-Kampagne des Bundesministerium für Bildung und Forschung konnte ich nicht finden. Mein Eindruck am Wochenende war vielmehr, das Potenzial der Messe, tausende LehrerInnen für das Thema Digitalisierung und Wandel zu sensibilisieren, wurde nicht ausreichend genutzt.

Die Rolle des Lehrenden aber wird sich in den kommenden Jahren stark verändern und die Anforderungen an Lehren und Lernen in einer immer komplexeren Welt erfordern eine entsprechende Ausrichtung der Aufgabenbereiche. Effektivität in den Arbeitsprozessen, kollaboratives Arbeiten und ein Wechsel der Bewusstseinsebene für Lehren und Lernen sind Voraussetzungen, die notwendig sind, damit die Schülerinnen und Schüler von heute sich erfolgreich entwickeln können. Man lernt fürs Leben und nicht für die Schule …

Photocredit: Unsplash & Die Zukunftsbauer

Digitalisierung & Schule… zunächst einmal sollte hier mit einigen Missverständnissen aufgeräumt werden (ich habe hierzu bereits einen ausführlichen Artikel geschrieben):

  1. Es muss nicht digitale Bildung, sondern “Bildung in digitalisierten Welt” heißen.
  2. Die digitale Transformation bringt keinen Wandel, sondern sie ist der Wandel wie das Wort schon sagt.
  3. Digitalisierung bringt nicht nur Hardware und Software, sondern bedeutet neue Denk- und Handlungsweisen.
  4. Digitalisierung ist ein Querschnittsthema und muss als solches in allen Fächern integriert werden. Es reicht nicht Schulen nur digitale Lösungen wie z.B. das MBook zu präsentieren, sondern es braucht auch die passenden Kontexte. Mit solchen neuen digitalen Lösungen ergeben sich für Schulen auch ganz neue Herausforderungen wie die Future Wheel Ergebnisse unseres Workshops, den wir mit Besuchern gemacht haben, gezeigt haben z.B. Wie sollen die hohen Anschaffungskosten getragen werden? Digitale Bücher schaffen Transparenz und neue Qualitätssicherung, was aber bedeutet das für den Datenschutz? Das digitale Buch macht schnelle Updates und die Integration von multimedialen Inhalten möglich, was aber bedeutet das für die Fortbildungen von LehreInnen ?
Photocredit: Unsplash & Die Zukunftsbauer

Was wir brauchen sind durchdachte “Smart School”* Konzepte…

Wenn wir aus Schulen Smart Schools mit dem Anspruch einer guten Bildung in der digitalen Welt machen wollen, dann muss Digitalisierung in Schulen unserer Meinung nach auf mindestens diesen drei Ebenen integriert werden:

  1. Schulen muss den mit Digitalisierung einhergenden Wandel thematisieren und vor allem Zukunftsorientierung (Future Literacy) statt reine Wissensvermittlung bieten.
  2. Schule muss eine entsprechende Digital Literacy vermitteln, die über Hardware- und Prorammierungsfähigkeiten hinaus geht d.h. nicht nur Technologie in den Vordergrund stellen, sondern SchülerInnen müssen sich auch kritisch mit dessen Bedarf und der Anwendung auseinandersetzen, Stichwort digitale Ethik.
  3. Schule selbst muss digital transformiert werden, um eine Effektivität (nicht Effizienz!) in Arbeitsprozessen sowie kollaboratives Arbeiten zu ermöglichen.

Eine reine IKT Vernetzung macht eine Schule noch lange nicht smart, stattdessen muss Schule als ein System verstanden werden, indem eine intelligente und nachhaltige Vernetzung stattfindet. Dafür muss sich Schule als Institution zum einen nach außen öffnen und zum anderen intern besser kollaborieren. Vernetzung meint dabei nicht nur eine rein technische, sondern vielmehr den Aufbau eines Ökosystems, welches im Rahmen verschiedener Systemkomponenten dem Bildungs-Vierklang aus Infrastruktur, Mensch, Inhalt und Rolle der Schule an sich gerecht werden muss (siehe Abbildung).

Schule als Ökosystem — entwickelt von Jens Konrad und Aileen Moeck von Die Zukunftsbauer

Rolle: Die Hauptaufgabe der Schule bestand bisher in der Wissensvermittlung und Ausbildung. In einer komplexer werdenden und beschleunigten Welt muss Schule aber zu einem Ort der Selbstbildung und des Austauschs werden. Sie muss die individuelle und kollektive Zukunftsorientierung anregen, indem sie zum Experimentieren inspiriert und vorausschauendes Denken fördert. Weiter gedacht heißt das, Schulen können sich zu den Zukunftswerkstätten von Kommunen entwickeln, denn Schulen sind zudem ein wichtiger gesellschaftlicher Begegnungsraum. Neben der besonderen, ideellen Funktion nehmen sie aufgrund ihrer zentralen Lokalisation und physischen Präsenz oft auch stadtplanerisch eine wichtige Rolle für Kommunen ein.

Mensch: Aktuell treffen sich in der Schule vor allem Lehrer, Eltern und SchülerInnen. Dabei bietet das tägliche Zusammenkommen von jungen Menschen viel ungenutztes Potential. Schule sollte sich viel mehr als Community verstehen, in der Synergien untereinander genutzt und neue Ideen z.B. Jahrgangs- und Klassenübergreifend kollaborativ entwickelt werden. Mit Hilfe von Projekt- und Partnernetzwerken kann sich der bisher geschlossene Ort Schule mit der Welt verbinden und in Form eines Ökosystems Raum zum Experimentieren, Machen und Austauschen geben.

Infrastruktur: Viele Schulen sind in einem maroden Zustand, hinzu kommt ein 4.0 Druck. Eine gewisse moderne technische Grundausstattung sollte in Schulen vorhanden sein, allerdings sind wichtiger als die jeweiligen zeitgenössischen technischen Artefakte selbst, damit verbundene Zugänge und ein kontextuales Verständnis. Neben digitalen Geräten und W-Lan muss vielmehr ein Ökosystem aufgebaut werden z.B. indem Leasingverträge zwischen Schulen und Hardware Herstellern oder Partnerschaften zwischen Schulen und lokalen Firmen eingegangen werden. Digitalisierung bringt ein so nie da gewesenes Empowerment, indem es neue Räume schafft. Digitale Lernumgebungen ermöglichen neben Kollaborationen zwischen Akteuren vor allem die Entdeckung von und einen experimentellen Umgang mit Wissen und fördern Empathie und Erlebbarkeit. Smart School Projekte müssen das Zusammenarbeiten mit Maker Factories oder mobilen Reallaboren ermöglichen, die SchülerInnen z.B. nicht nur 3D-Druck und VR zur Verfügung stellt, sondern auch an Zukunftstechnologien kritisch heranführt und Raum für Prototyping gibt.

Inhalte: Das ganze Potential von Digitalisierung und neuen Initiativen kann sich nur dann entfalten, wenn es nachhaltig und ganzheitlich gedacht wird. Parallel zur klassischen Fächerstruktur müssen dafür interdisziplinäre und kollaborative Projekte entwickelt werden, die Wissen verknüpfen und an denen sich Erfahrungen machen lassen. Bildung kann dafür nicht im kontextfreien Raum stattfinden, aktuelle Herausforderungen müssen auch in der Schule thematisiert werden. Schülern muss ein entsprechenden Set an Wissen und Fähigkeiten in Form einer Digital & Future Literacy mitgegeben werden, welches nicht nur der erfolgreichen Teilhabe an der neuen digitalisierten Welt dient, sondern vor allem jeden Einzelnen zur aktiven Gestaltung an zukünftigen Arbeitswelten befähigt. Wissen und Zukunft soll dafür erlebbar und spannend zugänglich gemacht werden, sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene und SchülerInnen für tieferliegende Gründe des Wandels sensibilisiert werden.

Wir finden, es ist Zeit für bisschen Disruption im Bildungssektor und innovative Lösungen und Formate für unsere Schulen!

Gemeinsam mit unseren Partnerinitiativen GrowbeYOUnd, EduHeros und Social-Innovation-Meets-School haben wir deshalb das Netzwerk #BildungmachtZukunft ins Leben gerufen. Mehr Infos folgen bald… :-)

Das Smart School / Ökosystem Konzept wurde von uns, Jens Konrad und Aileen Moeck, im Rahmen unserer Bildungsinitiative “Die Zukunftsbauer” entwickelt. Die Idee hierfür entstand während unserer Recherchen der letzten Monate und durch Gespräche mit Bildungsvordenkern wie z.B. unserer Kooperationspartnerin Fr. Dr. Thiele, Direktorin einer Berliner Grundschule und Entwicklerin der Lernarchitektur.

Ein besonderer Dank gilt zudem Beth vom Bündnis für Bildung für einen Workshop auf dem Forum Didiacta Digital, dem Institut für digitales Lernen für unser Interview auf der der EduCouch sowie dem Verein D64 und 4strat für das Sponsoring der Reise.

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Aileen
Die Zukunftsbauer — was ist deine Mission?

Futurist, visionary & strategic mind, founder & activist, transformation, innovation and imagination @dieZukunftsbauer & @DasZukunftsbauerInstitut