1. FC Magdeburg: Wenn das Nötigste nicht genug ist.

Unklare Eingänge und unnachvollziehbare Wege zur Herstellung der Barrierefreiheit — meine Reise zum Spiel in Magdeburg war alles andere als reibungslos. Trotz dünnem Informationsangebot im Vorfeld und einer kuriosen Buchungsprozedur gab es vor Ort noch weitere Hürden zu meistern. Immerhin sind die Menschen stets nett und hilfsbereit. Über die Tatsache, dass der Verein nicht mehr als das Nötigste tut, kann aber auch dies nicht hinwegtäuschen.

Ich bin Tyll, Fußballfan und Rollstuhlfahrer und dokumentiere hier meine Reise vom Besuch aller 36 Fußballstadien der 1. und 2. Bundesliga in 24 Monaten.

Magdeburg ist nach München, Düsseldorf und Braunschweig bereits meine vierte Station.

Getestet wurde am 31.03.2024 (Ostersonntag) im Mittagsspiel der 2. Bundesliga gegen Hannover 96, Endergebnis 0:3.

Eine gefährliche Zugfahrt zum Vergessen

Es war wieder eines dieser Wochenenden, an dem gleich zwei Spiele anstanden und so bin ich am Sonntagmorgen von meinem letzten Test Braunschweig nach Magdeburg gefahren.

Leider habe ich diese Planung gemacht, ohne vorher einmal auf die Karte zu schauen. Denn mein Zug, von Braunschweig nach Magdeburg, war genau der Zug, mit dem auch die Hannover-Fans gefahren sind. Bereits im Braunschweiger Bahnhof sorgte eine Hundertschaft der Polizei dafür, dass die Fans während des Aufenthaltes nicht aus dem Bahnhof rauskamen. Ab Braunschweig dann wurde der Zug via Durchsage als “Fußballzug” deklariert und der Regionalzug, der andernfalls einige Unterwegs-Halte gehabt hätte, fuhr ohne Unterbrechung durch. Ich hatte es zwar während des längeren Aufenthaltes des Zuges noch dort hinein geschafft, leider entdeckten aber einige wenige Hannoveraner mein kleines Geschenk aus Braunschweig, welches nicht mehr in meine Tasche passte. Dies machte die Zugfahrt für mich um einiges — sagen wir „spannender“. Ich durfte mir Gespräche über mich anhören und versteckte mich und mein Eintracht Braunschweig Geschenk zunehmend.

Eigentlich hatte ich in Magdeburg ein Hotel am Bahnhof gebucht, da der Zug aber weitergeleitet wurde und schwer geschützte Polizist*innen am Hauptbahnhof dafür sorgten, dass die Türen dort nicht aufgingen, musste ich ebenso wie die zunehmend aufgestachelten Fans auch zu einem etwas außerhalb gelegenen Bahnhof mitfahren. Dort angekommen standen ebenfalls wieder schwer beladene Polizist*innen am Bahnsteig, hinter die ich mich beim Aussteigen schnell retten konnte, um mich und mein notdürftig verstecktes Geschenk erstmal zu sortieren.

Dass ich dann unter den Augen der Polizei meinen Rollstuhl noch von Aufklebern befreien musste, die auch die aus vier Buchstaben bestehende Polizei-Diffamierung enthielten, ließ eine gewisse Situationskomik entstehen, auch wenn ich heilfroh war, wieder in Sicherheit und aus der gedrängten Masse alkoholisierter und aktiver Gästefans herausgekommen zu sein.

Für Magdeburg gilt das gleiche wie für Braunschweig: ich habe kein klares Bild von der Stadt in meinem Kopf und freue mich daher sehr darauf, dass der Fußball und dieses Projekt mich dorthin bringt.

Und doch waren die Vorzeichen andere. Denn Magdeburg vermittelt bereits früh das Gefühl, das man hier nicht mehr als das Nötigste tut, um „Barrierefreiheit“ zu erreichen.

Doch der Reihe nach:

Ein Foto von Tyll, im Rollstuhl sitzend, lässig mit dem Arm auf der Betonwand in Spielfeld-Nähe. Im Hintergrund die Magdeburger Arena

Die Infos im Vorfeld

Die Infos im Vorfeld sind dünn und wenn ich dünn sage, meine ich eigentlich: nicht existent. Stattdessen gibt es unter dieser Rubrik neben den kurzen Kontaktdaten zum Behindertenbeauftragten (immerhin) lediglich den Verweis auf den Bundesliga-Reiseführer und die Infos dort sind auch weniger ausführlich als anderswo (so gibt es beispielsweise keinen Stadionplan, aus dem die Platzierung der Rollstuhlfahrer hervorgeht).

Und ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was ich davon halten soll.

Auf der einen Seite gibt es diese zentrale Anlaufstelle nunmal und warum zwei „Datenbanken“ führen, wenn man die Infos schon an die DFL liefert? Das kann ich durchaus nachvollziehen und finde ich fast besser als das Angebot andernorts, ein paar Infos hier, ein paar Infos dort und am Ende muss man sich die Infos doch wieder selbst zusammensuchen. Auf der anderen Seite setzt man damit natürlich auch ein deutliches Zeichen, dass man das Thema eben nur so weit selbst repräsentiert, wie es Vorgabe ist. Ein besonderes oder überhaupt ein Engagement für eine gemeinsame Fankultur, Zugänglichkeit zum Fußball für Menschen mit Behinderungen und ein besonderes Gefühl der Gemeinschaft entsteht hier nicht.

Deshalb habe ich mich dazu entschieden, eben auch nur einen von fünf Punkten zu vergeben.

Mit einer Metapher aus der Schule würde ich sagen: Magdeburg ist zwar zur Prüfung angetreten, hat aber eben nur ein leeres Blatt mit Name und Datum abgegeben.

Sharepic zu den Infos im Vorfeld mit einem Foto vom Stadion und einem Rollstuhl-Piktogramm. Es gibt ein Stern für die Infos im Vorfeld.

Buchung

Nachdem ich mich in Braunschweig wie ein „normaler“ Fan fühlen konnte, wirft Magdeburg mich auch in diesem Aspekt wieder zurück. Prinzipiell ist die Buchung für mich als Fan mit langer Anreise nur über den Behindertenbeauftragten möglich.

Bei einem ersten Anruf bekam ich immerhin direkt die Antwort, dass für das ausgewählte Spiel noch Plätze vorhanden seien, ich sollte aber bitte (für uns beide einfacher) nochmal eine Email mit allen Daten übersenden.

Dem wiederkehrenden Leser muss ich hier nicht sagen, was ich bei aller Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der individuellen Beteiligten von dieser Art der Abwicklung halte, aber hier nochmal im Schnelldurchlauf: intransparent, mühselig, wenig spontan und man fühlt sich wenig unterstützt aber dafür ausgegrenzt.

Doch die Buchung war damit nicht beendet: Auf meine schriftliche Anfrage bekam ich dann eine Antwort, dass die Bezahlung der Karte unmittelbar online geschehen müsse, dies aber nicht aus der Ferne möglich sei; ich sollte bitte das Geld für die Karte auf das Privatkonto des Behindertenbeuaftragten überweisen.

Alles, was ich an dieser Stelle dazu sagen kann, würde meine Ungläubigkeit nicht darstellen können, aber ich machte es, immerhin wäre auch der Misserfolg dieser Buchung an dieser Stelle als Anekdote zu gebrauchen gewesen. *Zwinkersmiley*

Natürlich hat hinten raus alles dann doch geklappt und ich bekam wenige Tage später meine Karte als print@Home per Email zugeschickt.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen, dass dies nicht als “Angriff” auf individuelle Personen zu verstehen ist, im Gegenteil rechne ich Personen hoch an, ihr Privatkonto für ihren Job oder ihr Ehrenamt so transparent darzustellen und einzubeziehen. Das Problem liegt wie so oft viel mehr in den Prioritäten des Vereins und bei den Verantwortlichen auf anderen Ebenen.

Bis dahin aber kann ich auch für die kuriose Buchung nur einen Punkt für den Einsatz geben.

Das Sharepic zur Buchung mit einem Foto des Bierbechers und einem mit dem Schild zu den Plätzen. 1 Stern für die Buchung

Barrierefreiheit

Die Barrierefreiheit vor Ort kann ja eine ganz andere sein, als dies online anmuten lässt und deshalb war ich noch relativ unvoreingenommen, als ich von meinem Hotel etwas später dann mit der Straßenbahn in Richtung Stadion fuhr. Dort schloss ich mich dem Besucherstrom an und dachte, dass die breite Masse wohl wisse, wie es am schnellsten zum Stadion ginge.

Leider aber führte der Weg über einen Parkplatz und war nicht wirklich barrierefrei. Auch die kleinen Straßen, die es zu überqueren galt, waren nicht sinnvoll abgesenkt, sodass ich mich durchaus alleine und teilweise gegen den Strom durchkämpfen musste. Am Stadion dann angekommen war mir auch der Eingang nicht so klar, also fragte ich mich durch.

Ich sollte an einen separaten Eingang, der vor allem durch ein offenes Tor, ansonsten aber nicht wirklich offensichtlich gekennzeichnet war. Dort wurde mein Ticket gescannt und ich konnte auf das Gelände, musste zuvor aber noch einen Kabelschacht überqueren, der direkt hinter dem „barrierefreien“ Eingang entlang ging. Für mich kein Problem, aber in der Gesamtkonstruktion irgendwie fragwürdig.

Meinen Block fand ich dann recht zügig und wurde gleich aufs Neue überrascht: An jedem Eingang zum Block befindet sich ein Fahrstuhl. Nicht aber ein geschlossener Fahrstuhl, wie man ihn aus größeren Gebäuden kennt, sondern eine offene Konstruktion, die mehr einer Hebebühne gleicht und entsprechend langsam unterwegs ist. Tatsächlich dauert es eine gefühlte Ewigkeit, ziemlich genau jedoch eine Minute, bis man die für Fußgäner ca. 15 Stufen überwunden hat. Dabei muss man selbst die ganze Zeit den Knopf gedrückt halten oder es muss auf der jeweils anderen Seite jemand permanent den Fahrstuhl via Knopfdruck anfordern. Immerhin standen an jedem Fahrstuhl Menschen vom Team Barrierefrei, die dafür zuständig waren, allerdings konnten auch diese den Prozess nicht beschleunigen. Besonders lange dauert es natürlich, wenn mehrere Rollstuhlfahrer nacheinander kommen und der Fahrstuhl erstmal auch wieder zurück kommen muss, um den nächsten zu befördern. Vor und nach dem Spiel sollte man es also nicht besonders eilig haben.

Da überlegt man sich dann gleich doppelt, ob man in der Pause nochmal runter will, sich zwischendrin mit etwas eindecken möchte oder einfach nur, wann man auf die Toilette geht.

Oben dann kam ich mit Manu ins Gespräch, die in meinem Block für den Fahrstuhl zuständig war. Sie erkannte mich gleich als „Neuling“ und so kamen wir nett ins Gespräch. Sie verriet mir noch, dass man in der Pause und nach dem Spiel die Rampe in den Innenraum benutzen dürfte und so schnell und selbständig abreisen könne. Immerhin!

Generell war Manu sehr wachsam und behielt nicht nur den Fahrstuhl, sondern auch die nahegelegenen Toiletten immer gut im Blick, sodass man sich hier gut aufgefangen fühlte. Mal wieder machte ich die Feststellung, dass die Probleme beinahe ausschließlich systemischer Natur sind und die Menschen „an der Basis“ häufig alles erdenkliche tun, um dies zu kaschieren.

Oben (im Block) angekommen, waren dann die Plätze nicht nummeriert, die Begleitpersonen sitzen deutlich erhöht dahinter, sodass ich nicht genau ausmachen konnte, ob die Plätze vielleicht sinnvoll nummeriert sind. Ich als Alleinreisender suchte mir einfach einen freien Platz und stellte mich dort hin.

Trotzdem führt dieser Sachverhalt unumgänglich immer zu Verwirrung, wenn man nicht genau weiß, wo man hinsoll und wo man richtig ist und bleiben kann. Auch die Kennzeichnung der Begleiter-Plätze war beispielsweise in Braunschweig sinnvoller und klar erkenntlich und erfolgte durch deutliche Schilder an den Sitzen.

Nach dem Anpfiff kam dann der Fanbeauftragte für Menschen mit Behinderungen und gab allen die Hand, zu einem Gespräch aber konnte es hier natürlich nicht mehr kommen. Er selbst positionierte sich im Innenraum, also genau dort, wo wir “normalen” Fans nicht hinkommen.

Während des Spiels dann wird man dazu angehalten, sich an die Wand zu stellen, also ganz nach hinten im Rahmen seiner gekennzeichneten Rollstuh-Fläche. Das ist sinnvoll und richtig, damit alle gleich viel sehen können, führt aber auch dazu, dass man mit einigen Sichteinschränkungen leben muss, weil vor einem natürlich jede Menge passieren kann, was die Sicht verdecken kann.

Ein paar Minuten später wurde ich von Manu dann erneut angesprochen, dass ich mich gerne in Richtung Mittellinie orientieren könne, da dort noch freie Plätze seien (mein aktueller Platz war sehr weit in der Ecke). Dies nahm ich gerne wahr und rutschte etwa 20 Plätze weiter in die Mitte. Das fand ich sehr aufmerksam und nett und auch die leeren Plätze konnte ich, so weit an der Wand stehend, selbstständig nicht einsehen.

Nun saß ich aber nicht mehr unterhalb eines Randblocks, was zur Folge hatte, dass während des Spiels pausenlos Menschen vor mir her liefen. Nachzügler, Fans, die in der Pause die ersten am Bierstand oder auf dem Klo sein wollten, die schnell vom Parkplatz runter wollten, die genug gesehen haben oder die einfach nicht ruhig sitzen können. Permanent wurde die Sicht verdeckt. Und wie es so ist, bei einem dynamischen Spiel, passiert dann doch hin und wieder etwas auf dem Rasen, was die Menschen noch einmal stehen bleiben lässt. Sodann hat man auch längere Zeit eine verdeckte Sicht auf die gerade in diesem Moment spannenden Teile des Spiels.

Auch hier würde ich mir wünschen, dass man die Rollstuhlplätze nach vorne verlegt und die Menschen dahinter langgehen ließe. Aber das ist so einfach natürlich nicht möglich (keine Sicht beim Ausparken, weitere Entfernung von der Begleitperson, unbehagliches Gefühl, wenn hinter einem die ganze Zeit Menschen langlaufen, um nur ein paar zu nennen).

Das Sharepic zur Barrierefreiheit. Die Plätze sind nicht nummeriert. Ein Foto von der kuriose Hebebühne. Zwei Punkte für die Barrierefreiheit.

Gesamterlebnis

Natürlich wollte ich in der Pause dann nicht wieder am Fahrstuhl anstehen und auch testen, ob ich durch den Innenraum käme. Leider klappte dies nicht, da die Ordner dort anscheinend nichts von dieser zuvor beworbenen effizienten Lösung wussten. Auch nach dem Spiel musste ich den langsamen Fahrstuhl nutzen, um das Stadion verlassen zu können. Zwar habe ich noch einige Zeit gewartet, sodass es auch leerer war, allerdings habe ich in der Zwischenzeit keinen Rollstuhlfahrer dabei beobachtet, der den „schnellen“ Ausgang genutzt hat und gehe daher davon aus, dass diese Möglichkeit (nicht mehr?) existent ist. Ich weiß nicht, an welcher Stelle hier ein Missverständnis oder einfach eine Falschinformation vorliegt und werde es auch nicht mehr auflösen können. Die Rampe über den Innenraum wäre definitiv die einfachere Lösung gewesen als der over-engineerte Fahrstuhl. Und man hätte, wie in vielen anderen Stadien auch, sicherlich eine Lösung finden können, damit kein Rollstuhlfahrer hieraus ausbricht und aufs Spielfeld rast, in anderen Stadien geht dies ja auch und die Infrastruktur ist doch schon da.

Ich frage mich auch, warum man draußen den Fahrstuhl an jedem Eingang überhaupt als Lösung gewählt hat, da der Platz davor sehr frei ist und man bestimmt auch irgendwie eine wahrscheinlich günstigere, schnellere und unkomplizierte Rampe hätte bauen können. Es gibt sicherlich sinnvolle Gründe dafür, diese haben sich mir aber nicht erschlossen.

Bei Hinweisen dazu freue ich mich aber über Nachrichten!

Ansonsten war das Satdionerlebnis gut, aber nichts besonderes. Die Akustik der Ansagen und Musik empfand ich als relativ gut, alle Videos, die im Vorfeld aufgezeichnet worden sind, waren mit Untertiteln versehen, was auch aufgrund der Lautstärke im Stadion in der Regel gängige Praxis ist, aber natürlich auch ein Aspekt der Barrierefreiheit darstellt.

Fanhefte oder Spieltagsinformationen habe ich nicht wahrgenommen, die Stände unten waren, zumindest vor dem Spiel, ausreichend vorhanden, sodass man schnell dran kam und es gab bedruckte Plastikbecher, was mich immer freut, da ich diese gerne sammle. Das kulinarische Angebot fand ich gut, es gab Stände und Angebote, die man nicht überall findet.

Aktuell hat der 1. FC Magdeburg laut DFL-Reiseführer 64 Rollstuhlfahrer-Plätze und damit weniger, als die von der DFL empfohlenen 75 Plätze bis zu einer Kapazität von 30.000 (das Stadion hat aktuell eine Gesamt-Kapazität von 30.098 Menschen; zu den Hinweisen siehe im Dokument Seite 36); laut der MVStättVO müssten es jedoch 200 Plätze sein (siehe ebd., “Barrierefrei im Stadion”, S.35), von den UEFA-Anforderungen müssen wir in diesem Falle nicht reden, das der Verein weit von internationalen Spielen entfernt ist.

Allerdings gibt es hier 10 Plätze für Gästefans, also insgesamt 74 und damit beinahe die von der DFL gewünschte Anzahl. Das gibt es nicht überall und ist positiv hervorzuheben.

Sharepic zum Gesamterlebnis mit einem Foto vom Torwartabschlag und einem von einem Sky-Interview. 2 Punkte für das Gesamterlebnis

Epilog

Zur Straßenbahn fand ich dann einen besseren Weg, auch, weil ich jetzt wusste, welche Strecken zu vermeiden sind. Dennoch gab es Wege, die durch den fehlenden abgesenkten Bordstein problematisch waren. Bei den Straßenbahnen dann gab es überhaupt kein Sicherheitspersonal mehr, wie bisher in allen anderen Stadien. Dadurch musste ich einige Bahnen aussetzen und kam erst mit, als ich mich weit genug vorne positioniert hatte und auch dann nur, die Türen landeten jedes Mal woanders , weil einige freundliche Fans sich dafür einsetzten, dass ich mitkonnte und mich vorgelassen haben.

Sätze wie „Achtung Rollstuhlfahrer“, „lasst doch mal den Rolli durch“ oder ähnliche sind nett und helfen gut, machen einem aber in solchen Situationen auch die Angewiesenheit und eigene Hilflosigkeit bewusst, in denen man sich in solchen Situation als schwaches Glied zusammen mit hunderten anderen Fans, die auch nach Hause wollen, als Rollstuhlfahrer nunmal befindet.

Und weil ich auf TikTok bereits entsprechende Kommentare beantwortet habe: Es geht mir nicht darum, früher mitzukommen als andere Fans. Aber in einem solchen Gewusel achten die Allermeisten nur auf sich selber, selbst wenn die umliegenden Fans achtsam sind, bin ich schon ein bis zwei Reihen dahinter aufgrund meiner Sitzhöhe nicht mehr wahrnehmbar, sodass sich andere Fans wundern, warum so eine große Lücke gelassen wird um im Zweifel noch mehr drücken (alles schon erlebt). Es geht also darum, dass man zumindest eine gleichberechtigte Möglichkeit hat, in die Straßenbahn hinein zu kommen und nicht, wie so oft, selbständig dafür kämpfen muss, auf die Hilfe unbeteiligter angewiesen ist und am Ende wieder als “Belastung” wahrgenommen wird.

Hier würde ich mir mehr Einsatz wünschen und eine externe Steuerung der Besucherströme, zumindest aber Ordnungspersonal, damit es nicht zu komplett wilden und teilweise gefährlichen Situationen kommt, die mir hier zum Glück noch erspart geblieben sind.

Abschließend kann ich festhalten, dass in Magdeburg wenig über das reine Minimum hinaus passiert. Zwar sind bis auf ein paar Auswärts-Fans alle Menschen mal wieder super nett und mitdenkend gewesen, dass man aber als auswärtiger Fan seine Karte nur nach Überweisung an ein Privatkonto bekommt, ewig auf Fahrstühle warten muss, die Sicht von den unnummerierten Plätzen aus von unruhigen Fans verdeckt bekommt und man sich die Wege zum Stadion und die Heimfahrt selbst erkämpfen muss, hinterlässt bei mir vor allem ein Gefühl:

Dass hier nicht mehr gemacht wird, als unbedingt notwendig.

Alle Entscheidungen werden vermeintlich von Menschen getroffen, die selbst keine Einschränkung haben und der dadurch entstehende zusätzliche Aufwand lastet auf den Schultern der Menschen vor Ort.

Sie werden getroffen von Menschen, die denken, Barrierefreiheit sei ein Fahrstuhl und ein barrierefreier Eingang sei ein offenes Tor.

Dass sich der Behindertenfanbeauftragte im Rollstuhl selbst einen anderen Platz sucht, um das Spiel zu verfolgen, steht für mich dafür sinnbildlich.

Epilog 2

Natürlich weiß ich, und habe auch in persönlichen Gesprächen erfahren, dass der Verein mit Umbauten beschäftigt ist. Und ich erwarte auch nicht, dass die Priorität Nummer 1 immer und überall die Rollstuhlplätze sind. Aber ich möchte auch an dieser Stelle noch einmal dafür sensibilisieren, dass ich als Rollstuhlfahrer eben nicht freie Platzwahl habe. Ich habe eine sehr geringe Platzwahl, meistens unter den Mindestanforderungen der Liga und Landesverordnungen und kann mir Block, Tribüne und Rang nicht frei aussuchen.

Im Gegenzug, so empfinde ich, sollte von Vereinsseite zumindest probiert werden, die vorhandene Infrastruktur so gut es geht zu gestalten. Und diesen Einsatz habe ich in Magdeburg schmerzlich vermisst.

Tyll Ende.

Die aktuelle Tabelle. Magdeburg ist mit 6 von 20 möglichen Punkten aktuell abgeschlagen auf dem letzten Platz hinter dem FC Bayern auf Platz 3 mit 15 Punkten.

Du hast auch eine Behinderung und möchtest Deine Stadionerfahrung aus dem Eintracht Stadion oder anderen Stadien teilen?

Dann melde Dich gerne bei mir!

Wenn Du mich suchst, dann findest Du mich hier:

weitere Infos für die Barrierefreiheit beim 1. FC Magdeburg:

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Nickfried - BehindertNichtDenFußball
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