CORONA, COVID-19 & Co.: Wie sich die Atemwegs-Viren verbreiten

Cristina Voss
9 min readMar 15, 2020

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… und wie man sich dagegen wehren kann

Die Verunsicherung um uns herum steigt. Je mehr Menschen in Europa positiv auf das COVID-19 getestet werden, desto panischer die Reaktionen.

Dabei sind die Regeln, die man in Umgang mit Virenerkrankungen beachten sollte, recht einfach — vorausgesetzt man versteht, warum man das eine tun soll, und das andere eben lassen. Und vor allem wann. Ein Paar Grundsätze, wie man sich und die Anderen gegen die Verbreitung von Atemwegs-Viren schützen kann, habe ich weiter unten zusammengefasst. Wenn man diese Grundsätze versteht, wird der Umgang leichter und das Leben zur COVID-19 Zeiten vielleicht entspannter.

Kann man sich wirklich effektiv vor einer viralen Atemwegs-Infektion schützen?

Ob man krank wird oder gesund bleiben darf, muss man heutzutage nicht mehr nur dem Zufall überlassen. Die Wahrscheinlichkeit, sich mit einer Grippe/Erkältung usw. zu infizieren, hängt von mehreren Faktoren ab. Die wichtigsten sind das eigene Immunsystem, die Anzahl an Viren mit denen man konfrontiert wird, die Art, wie man diesen Viren begegnet ist, und wie man mit der Anfangssymptomatik umgeht.

Das eigene Immunsystem

Das scheint jedem einzuleuchten. Sonst würden Apotheken, Drogerien und Onlineshops nicht diese unglaubliche und unübersichtliche Anzahl von Pillen verkaufen, mit dem Versprechen, unser Immunsystem zu stärken. Aus meiner persönlichen Erfahrung würde ich jedoch behaupten, dass diese Zusätze nur selten einen Unterschied machen. Normalerweise können wir all diese Stoffe viel besser aus der Ernährung bekommen — eine gesunde Ernährungsweise vorausgesetzt.

Nahrungsergänzungsmitteln sind dann sinnvoll, wenn man sich über längere Zeit einseitig ernährt. Auf jeden Fall sind sie angebracht, wenn ein Mangel festgestellt wurde. Dann sollte man aber schon nach einer Woche eine deutliche Besserung bemerken.

Genauso wichtig wie die gesunde Ernährung und die Versorgung mit Vitaminen und Mineralien ist aber die „Alltagshygiene“: Ob man genug Schlaf hat, ob man sich Pausen gönnt, wenn der Körper nach einer Pause verlangt, all das macht einen wesentlichen Unterschied. Diese einfachen Tatsachen können darüber entscheiden, ob man im Ernstfall richtig krank wird oder nicht, vor allem dann, wenn der Körper einem bereits zeigt, dass er am kämpfen ist. Mehr dazu später.

Entscheidend ist aber auch, das Frieren zu vermeiden. Zieh die Jacke an, Kind! Viren verbreiten sich in der kalten Jahreszeit nicht besser. Es ist eher so, dass die Kälte das Immunsystem schwächt. Aber auch Überhitzung bzw. langer Aufenthalt in schlecht gelüfteten Räumen ist nicht empfehlenswert, dort überleben zu viele Keime in der Luft.

Die Anzahl der Viren

Es ist nicht egal, mit wie vielen Viren man auf einmal bzw. pro Tag konfrontiert wird. Bekommt der Körper eine geringe Anzahl von Viren ab, kann er diese sehr wohl abwehren. Das liegt daran, dass unser Körper durchaus eine sogenannte unspezifische Immunabwehr besitzt. Sie kann sofort gegen die Viren oder Bakterien agieren, auch wenn noch keine spezifischen Antikörper gegen dem entsprechenden Keim vorhanden sind.

Auf dieser Erkenntnis beruhten übrigens auch die ersten Impfversuche bei stark ansteckenden, sehr gefährlichen viralen Krankheiten wie z.B. den Pocken. Menschen, die bewusst mit einer sehr geringen Anzahl von Viren konfrontiert wurden, erkrankten meisten nur leicht, entwickelten dabei aber eine spezifische Immunabwehr. Sie waren anschließend gegen die weit größere Gefahr der großen Mengen geschützt und konnten Kranke pflegen ohne sich selbst zu gefährden.

Mit einer bestimmten Anzahl von Viren können wir also gut fertig werden. Wie groß, hängt natürlich vom eigenen Immunsystem ab, und von der Aggressivität des Keims. Darum lieber nicht wild darauf loslegen und sich bei Erkrankten “impfen”! Aber auch nicht verzweifeln, wenn man mit einem Kranken Kontakt hatte oder eine leichte Symptomatik sich bemerkbar macht.

Die Begegnung mit den Viren

Wie hat sich der Kontakt mit den Viren abgespielt? Ist der Keim direkt in seiner bevorzugten, natürlichen Umgebung angekommen, oder hängt er erstmal anderswo herum und wartet auf die Gelegenheit, an der richtigen Stellen anzudocken?

Das ist der Punkt, an dem die Empfehlung die Hände oft und sorgfältig zu waschen ansetzt. Normalerweise begegnen wir den Keimen nicht direkt mit unserer Nasen- oder Rachenschleimhaut, sondern mit den Händen. Wir fassen etwas an der Stelle an, an der jemand Anderes Viren hinterlassen hat. Zum Beispiel: eine Türklinke, ein Bildschirm, ein Geländer, die Stuhllehne, den Wasserhahn… Nun ist es wichtig darauf zu achten, dass die Hände nicht das Gesicht berühren. Nicht die Augen, nicht den Mund, nicht — nicht — nicht! Und zwar so lange nicht, bis man sich die Hände sorgfältig mit Seife gewaschen hat.

Am besten immer mitdenken: Was fasse ich gerade an? Wo besteht die Gefahr, dass schon jemand, der möglicherweise krank ist, auch angefasst hat? Zuhause darf man also entspannter sein, zumindest solange niemand in der Familie krank ist. In der Öffentlichkeit ist eher Vorsicht angebracht, und beim Arzt im Wartezimmer würde ich zum Beispiel sehr vorsichtig sein! Die ganze Zeit dort besser das Gesicht nich berühren, und bevor man wieder geht, die Hände sorgfältig waschen. Danach möglichst nichts mehr anfassen!

Bekommt man aber Viren direkt ins Gesicht geatmet / gehustet /genießt, wird es dagegen schon deutlich schwerer, sich noch effektiv zu schützen. Da hilft nur sofort die Weite suchen. Ich wasche mir dann gerne auch das Gesicht. Seife reicht übrigens vollkommen aus. Es geht ja nicht darum, alles abzutöten, sondern nur die Keimzahl so stark wie möglich zu reduzieren.

Hier kommt die zweite offizielle Empfehlung zum Tragen: Vermeiden sollte man alles, wo man mit vielen Menschen zusammen über längere Zeit in einem Raum ist. Abgesehen von der erhöhten Wahrscheinlichkeit, dass jemand in der unmittelbaren Nähe Viren ausatmet, die sofort ihre biologische Nische in der eigenen Nase finden, sammeln sich in solchen Räumen einfach zu viele Viren in der Luft als Aerosol an. Man atmet diese Viren mit der Luft ein, dabei gelangen sie direkt dorthin, wo sie andocken und sich gut vermehren können. Die Wahrscheinlichkeit krank zu werden steigt dramatisch, und vermehrtes Händewaschen oder Desinfektionsmitteln helfen in solchen Situationen nicht mehr.

Ein Desinfektionsmittel ist übrigens erst dann wirklich notwendig, wenn viele Keime an einer potenziell verseuchten Fläche beseitigt werden sollen. Zum Beispiel sollte man es anwenden, wenn jemand im Haus krank ist, und Türklinken, Wasserhähne und Telefon mitbenutzt. Sinnvoll ist auch, Desinfektionslösung auf etwas Papier zu beträufeln, um den Wasserhahn und die Türklinke in einer öffentlichen Toilette zu desinfizieren, bevor man sie selber beim Rausgehen mit der frisch gewaschenen Hand noch einmal anfassen muss. Das feuchte Papier kann man dann eventuell sogar mitnehmen, um damit die letzte Türklinke zu bedienen, so muss man diese nicht mehr mit der Hand anfassen. Auch hier gilt: Notfalls tut auch etwas flüssige Seife auf einem Stück Papier einen sehr guten Dienst.

Etwas angeschlagen aber nicht krank

Aber wie gehe ich mit unspezifischen Anfangssymptomen um? Hier kann man wirklich einiges tun, um die Chancen des eigenen Immunsystems zu stärken. Sobald es einem nicht mehr ganz so gut geht, kann man sicher sein: es arbeitet auf Hochtouren. Wenn man dann müde ist, dann ist das ein wesentliches Signal des Körpers, das man ernst nehmen sollte. Er braucht die Ruhe, um gegen den Angriff zu kämpfen, und seine Siegeschancen steigen, je mehr man ihm diesen Raum gönnt.

Das bedeutet nicht, dass man das Bett hüten muss, wenn es einem nicht danach ist. Aber auf die Signale des Körpers hören und entsprechend reagieren, kann durchaus den Unterschied zwischen einem leichten oder schweren Krankheitsverlauf ausmachen!

Kann man es vermeiden, selber Viren zu übertragen?

Zurzeit liegt es sehr an jedem von uns. Jeder von uns muss verantwortlich mit der Möglichkeit umgehen, dass man einen potenziell gefährlichen Virus verbreiten könnte. Es klingt selbstverständlich und doch wird es oft unterschätzt: Die Wahrscheinlichkeit, selber eine Erkrankung zu übertragen, hängt im Wesentlichen vom eigenen Zustand ab. Fühlt man sich krank, sollte man alleine schon aus Sorge um den Wohl der anderen vermehrt auf Abstand uns Händewaschen achten.

Wie schon gesagt: Man erkrankt erst, wenn man mit mehr Viren konfrontiert wird, als das eigene Immunsystem abwehren kann. Man verbreitet aber auch so viele Viren, wie man hat. Es ist schlichtweg nicht wahr, dass man nur vor dem tatsächlichen Ausbruch der Krankheit ansteckend, und danach nicht mehr. Wer nach diesem Prinzip handelt, kann eine Ansteckungslavine lostreten!

Die meisten Viren verbreitet man in der in der Zeit, in der man die meisten Atemwegs-Symptome hat: Schnupfen, Niesen, Husten.

Und in dieser Zeit verbreiten sich die Viren auch am effektivsten. In dieser Zeit wird gerade über das Schnupfen, Husten oder Niesen viel Flüssigkeit ausgeschieden, und in dieser Zeit kann man in jedem Tropfen, der aus einem hinausfließt, Millionen von Keimen finden! Das ist die Zeit, in der man sich auf jeden Fall freiwillig stark zurückziehen sollte. Auch um die eigenen Familienmitgliedern zu schützen. Jeder Tropfen kann den Virus verbreiten, und Viren überleben auf allen möglichen Flächen zum Teil für Tage!

Somit wären wir wieder beim Thema Händewaschen. Eigentlich muss man sich bewusst machen, dass jedes Mal, wenn ein Tropfen Flüssigkeit aus Nase/Mund/Augen an die Fingern gelangt, die Viren mit jeder weiteren Fingerberührung auch weiterkommen, egal wo und was man anfasst: die Türklinke, den Wasserhahn, die Hand des Freundes, das Gesicht des Kindes… Also lieber die Hände waschen, und zwar sofort, sobald sie an der Nase, am Mund, an den Augen, am feuchten Taschentuch waren.

Die Nies- und Hustetikette sollte man schon zuhause üben: Beim Niesen oder Husten unbedingt ein Papiertaschentuch — oder die Armbeuge nutzen. Die Viren verfangen sich dann in dem Stoff, und dort können sie nicht lange überleben. Das Papiertaschentuch sollte gleich entsorgt werden, das Oberteil sollte an besten am gleichen Tag in die Wäsche kommen. Hat man doch die Hände benutzen müssen? Waschen! — und zwar sofort, bevor man etwas anderes anfasst.

Wenn man dann aber doch aus Versehen frei in die Luft niest, hustet oder schnupft? Dann fliegen zunächst viele Tropfen voller Viren durch die Luft, und diese setzen sich eben dort ab, wo sie landen. Auf der Spüle, dem Wasserhahn, den Arbeitsflächen… Gerade hier sollte man sich bewusst machen, dass jedes Tröpfchen ansteckend sein kann, und mitdenken, wo sie sich verbreiten konnten. Auf dem Boden? Solange kein Kleinkind dort herumkrabbelt, ist das nicht so wichtig, das wird beim nächsten Mal weggewischt. Aber auf der Arbeitsplatte, der Türklinke, dem Schubladengriff, der Stuhllehne — genau da kann und sollte man desinfizieren, damit der nächste Familienangehörige oder Freund / Besuch keine Virenschmiere mitnehmen kann. Auch hier gilt: es muss nicht immer Sagrotan sein, notfalls tut’s auch Spüli oder einfacher, vergällter Alkohol. Das Telefon übrigens bitte nicht vergessen, da atmet man richtig nahe dran, unbedingt regelmäßig desinfizieren!

Apropos “Symptomfrei”: Sobald man Keime im eigenen Hals / der eigenen Nase hat, kann man auch andere damit anstecken.

Auch wenn man noch nicht schnieft oder hustet, mit der Atemluft strömen trotzdem Viren heraus. Es sind zwar wenigere, als wenn sie sich in den Schleimhäuten bereits so sehr vermehrt haben, dass alles fließt. Wenigere Keime sind auch weniger gefährlich für die Gesunden, aber nur solange sie nicht direkt dort ankommen, wo sie sich wieder perfekt ansiedeln können, z.B. in der Nase eines immungeschwächten Menschen.

Man sollte darum immer vermeiden, einem Menschen ins Gesicht zu atmen. Abstand halten, große Versammlungen vermeiden, das, was überall empfohlen wird, gilt auch für diejenigen, die keine Symptome haben. Gerade beim Miteinander sein, beim Reden, beim Lachen … ein bisschen traurig ist das schon. Aber das schützt man nicht nur sich selber, sondern gerade seine Nächsten und Liebsten!

Leben in Zeiten von COVID-19

Können wir uns in diesen Zeiten noch trauen, aus der häuslichen Isolation auszubrechen? Sogar einander zu treffen? Zuhause, in kleinen Runden? Folgende Regeln könnten diese Entscheidung erleichtern:

Die Grundvoraussetzung: Ein Treffen so gestalten, dass ausreichend Abstand voneinander gehalten werden kann. Beim Zusammensein bitte niemandem zu nah ins Gesicht reden oder lachen. Die kritischen Stellen (z.B. Türklinken, Geländer, Schubladengriffe, Wasserhähne, Stuhllehne, Tisch- und Arbeitsflächen, Tastaturen, interaktive Bildschirme) in den Räumlichkeiten regelmäßig reinigen und gelegentlich desinfizieren.

Wegbleiben: Sobald die Nase so läuft, dass man mit dem Putzen nicht mehr nachkommt, hilft leider nichts mehr. Wird so viel „produziert“, dass man dauernd Hände waschen müsste, und es kaum noch schafft, bevor man etwas anderes berührt, sollte man lieber zuhause bleiben. Hustet man sogar, dann gilt es umso mehr: Bitte zuhause bleiben.

Absagen: Sollte jemand im Haushalt soweit schnupfen oder husten, dass man mit den Hygienemaßnahmen nicht mehr jedes mal die Spuren gründlich beseitigen kann, das Treffen bei sich zuhause lieber absagen und zu jemand Anderem verlegen.

Für alle Fälle: Papiertaschentücher bereitstellen, einen Eimer zum Entsorgen in Reichweite. Husten oder Niesen sonst bitte nur in die Armbeuge! Hände waschen, wenn sie beim Husten doch mitgeholfen haben, oder sobald man sich an die Nase, am Mund oder die Augen angefasst hat.

Werden diese Regeln bei privaten Treffen oder bei der Arbeit beachtet, können viele Infektionen vermieden werden, unabhängig davon, ob es sich dabei um das neuartige CORONA handelt, um die “alten” Influenza Viren oder um einen ganz normales, harmloses Schnupfen. Und etwas tun zu können, hilft bekanntlich auch gegen die Angst. Darum: Lassen Sie uns das, was wir tun können, gerade jetzt so gewissenhaft tun wie nur möglich, um mitzuhelfen, dass diese neue Grippewelle möglichst bald aus unserem Leben verschwindet.

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Cristina Voss

Promovierte Biologin mit jahrelanger Erfahrung in der Krebsforschung, Wissenschafts-Vermittlerin aus Leidenschaft