Zehn häufige Irrtümer zum Thema Virenübertragung

Cristina Voss
5 min readMar 17, 2020

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…und was wir daraus lernen können

1. Man sollte sich die Hände so oft wie möglich desinfizieren

Stimmt nicht. Es kommt nicht darauf an, die Hände häufig zu desinfizieren, sondern dann, wenn es wirklich darauf ankommt! Desinfizieren ist eigentlich nur angebracht, wenn man eine Immunschwäche hat oder nach einem direkten Kontakt mit einer erkrankten Person. Ansonsten reicht das sorgfältige Händewaschen. Mehr dazu in meinem Artikel zum Thema.

Viel wichtiger und effektiver ist es, im öffentlichen Raum den Kontakt der Hände mit dem eigenen Gesicht zu vermeiden. Das ist viel schwerer als man denkt! Und bei der nächsten Gelegenheit, spätestens bei der Ankunft im Büro oder zuhause, unbedingt und als Erstes die Hände waschen. Den Schlüssel und die Türklinke kann man anschließend noch kurz mit Seifenlösung abwischen oder desinfizieren.

2. Mundschutz hilft dem Träger gegen eine Infektion

Stimmt auch nicht. Studien zufolge schützt ein Mundschutz in erster Linie davor, die eigenen Keime weiterzugeben. Somit ist das Tragen eines Mundschutzes dann sinnvoll, wenn man trotz leichten Symptomen in die Öffentlichkeit muss. Zum Beispiel wenn die Nase bereits ein wenig läuft, man aber trotzdem einkaufen gehen oder das Kind versorgen muss. Wichtig ist eine Gesichtsmaske, wenn man im eigenen Beruf eng mit Menschen zu tun hat und das Risiko besteht, nah an ihrem Gesicht auszuatmen.

Im Allgemeinen aber schützt Abstand halten deutlich effektiver als ein Mundschutz — Abstand von Mensch zu Mensch, von Gesicht zu Gesicht, aber auch von der Hand zum Gesicht!

3. Man ist nur ansteckend, solange man keine Symptome hat

Stimmt nicht: Je mehr Atemwegs-Symptome sich zeigen, desto ansteckender ist man. Symptome wie Schnupfen, Niesen, Husten entstehen dann, wenn sich die Viren in den Schleimhäuten vermehrt haben. Und je mehr Keime sich in den Schleimhäuten befinden, desto mehr Keime werden mit jedem Tropfen Flüssigkeit ausgeatmet, geschnupft, gehustet. Um die Verbreitung der Viren zu unterbinden, sollte man sich für diese Symptom-reiche Zeit so weit wie möglich aus dem sozialen Umfeld und auch aus dem Familienleben zurückziehen.

Übrigens auch zum eigenen Wohl: Wenn man bereits Symptome hat, braucht der Körper Ruhe, um gegen die Viren zu kämpfen und sich schneller zu erholen. Umgekehrt, bleibt man aktiv, setzt man sich dem Risiko einer erneuten Infektion aus. Ein neuer Keim kann sich dann sehr viel schneller verbreiten. Der Krankheitsverlauf wird schwerer.

4. Man ist nicht ansteckend, wenn man keine Symptome hat

Stimmt leider auch nicht. Man kann auch dann eine Krankheit übertragen, wenn man keine Symptome hat. Nur dass die Anzahl an Viren, die dann übertragen werden, deutlich geringer ist, als wenn man die Atemwegs-Symptome bereits bemerkt.

Wenn man die Hygieneregeln beachtet — die eigenen Hände vom Gesicht fernbleiben und nach Kontakt mit Nase, Mund oder Augen gewaschen werden, zudem man auch Abstand vom Gesicht anderer Menschen hält — ist die Wahrscheinlichkeit, dass man eine Krankheit überträgt, eher gering.

Sicherheitshalber sollte man trotzdem immer Taschentücher griffbereit dabeihaben. Überraschende Nies- oder Hustenanfälle kann man notfalls in der Ellenbeuge abfangen. Anschließend sollte man sofort die Hände waschen und eventuelle Spuren von den Kontaktflächen abwischen.

5. Wenn man kein Fieber hat, ist man nicht ansteckend

Leider nein. Bei Atemwegserkrankungen sind die Atemwegs-Symptome ausschlaggebend und der viel bessere Indikator für die Wahrscheinlichkeit Keime zu verbreiten. Sprich: Wenn man kein Fieber hat, aber die Nase läuft, ist man ansteckend.

Übrigens gilt dies umgekehrt nicht: Eine erhöhte Körpertemperatur bedeutet nicht zwangsläufig, dass jemand ansteckend ist. Eine Fiebermessung ist leider kein zuverlässiges Mittel, um die Ansteckungsgefahr durch eine bestimmte Person zu beurteilen.

6. Wenn man nur eine leichte Symptomatik hat, kann es nichts Gefährliches sein

Leider zu kurz gedacht. Gerade die COVID-19 Epidemie lehrt uns etwas anderes. Nicht alle Menschen erkranken gleich stark. Viele bemerken die Erkrankung kaum, andere aber sterben daran. Abgesehen davon kann es aber auch sein, dass man selbst erst am Anfang der Erkrankung steht und die Symptome sich im Laufe der Zeit verschlimmern werden.

Somit ist gerade bei einer leichten Symptomatik Vorsicht und Umsicht geboten. Auch in eigenem Interesse, um schneller zu genesen und weil eine erneute Infektion viel Schaden anrichten kann!

7. Wenn man schon krank ist, kann man die Familie / Wohngemeinschaft nicht weiter schützen

Falsch, man kann immer dazu beitragen, dass die Keime sich nicht weiter verbreiten. Wenn man sich schon schlecht fühlt, wenn man dauernd niesen, schnupfen oder husten muss, sollte man sich möglichst in einem einzelnen Raum zurückziehen. Bevor man die anderen Räume betritt, sollte man sich die Hände und das Gesicht gründlich waschen; die Gegenstände im Bad, die man mitbenutzt, anschließen abwischen und desinfizieren, auch die Griffe und Türklinken.

Typische Haushaltsaktivitäten, bei denen sich Keime auf das saubere Geschirr, Besteck oder in dem Essen verbreiten können, sollte man vermeiden. Beispiele dafür: Geschirrspüler ausräumen, Besteck aus der Schublade holen, ein Salat für die ganze Familie vorbereiten, im Kühlschrank kramen usw. Wenn das nicht möglich ist, diese Aktivitäten auf ein Minimum beschränken. Dabei am besten einen Mundschutz und Handschuhe benutzen. In dieser Zeit sollte man unbedingt darauf achten, dass man nicht das eigene Gesicht mit den Fingern berührt. Passiert es trotzdem? Sofort reagieren: Hände waschen, abtrocknen, oder neue, saubere Handschuhe anziehen — und erst dann weitermachen.

8. Wenn man in die Umgebung einer infizierten Person gekommen ist, entscheidet allein das Immunsystem darüber, ob man sich ansteckt oder nicht

Auch das stimmt so nicht. Je kürzer man sich in die Gefahr begibt, desto besser. Das eigene Immunsystem kann eine bestimmte Anzahl Viren gut abfangen. Je weniger, desto leichter. Die Keime können sich erst ansiedeln, wenn sie in ausreichender Konzentration in ihrer biologischen Nische ankommen: in die Schleimhäuten der Atemwege.

Keime, die an den Händen oder an der Bekleidung haften, können nicht lange überleben, und man hat die Chance sie gezielt zu entfernen. Sie müssen gar nicht in die Nase ankommen. Mit der Atemluft werden die Keime allerdings direkt eingeatmet. Je länger man in der Umgebung bleibt, desto mehr Viren atmet man ein. Daher: Mögliche Kontaktzeiten auf das Nötigste verkürzen!

9. Die Ansteckungsgefahr ist im öffentlichen Raum am größten, darum lieber das Haus nicht mehr verlassen

Auch das ist so pauschal nicht richtig. Die Ansteckungsgefahr ist am größten dort, wo Menschen bereits erkrankt sind. Das mag im Zweifel sogar die eigene Wohnung oder die eines Freundes sein. In der Öffentlichkeit steigt die Ansteckungsgefahr mit der Anzahlt an Menschen, die sich zur gleichen Zeit an einem bestimmten Ort befinden, z.B. in Clubs, Diskotheken, Kino, Kneipen. Spazierengehen auf freiem Feld ist dagegen eher unbedenklich.

10. Man kann selber nichts dazu beitragen, die Verbreitung zu minimieren

Heutzutage ist das nicht mehr wahr. Wir wissen eigentlich, worauf es ankommt. Jeder von uns kann zur Verbreitung eines Infekts beitragen, jeder von uns kann zum Glied in einer Infektionskette werden. Wenn wir aber verantwortlich mit dieser Möglichkeit umgehen, wenn wir die Vorsichtsmaßnahmen situationsbezogen und klug einsetzen, können wir aber durchaus auch dazu beitragen, die Verbreitung der Viren zu minimieren. Jeder von uns ist ein Glied in einer Kette, aber jeder von uns kann lernen, sich so zu verhalten, dass gerade bei ihm die Infektionskette endet!

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Cristina Voss

Promovierte Biologin mit jahrelanger Erfahrung in der Krebsforschung, Wissenschafts-Vermittlerin aus Leidenschaft