Erste Projektarbeit im Studiengang Content-Strategie:
Warum der Content-Audit nicht in Berlin erfunden wurde

Dominik Buchbauer
7 min readJul 8, 2016

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Das zweite Semester im Studiengang Content-Strategie steht ganz im Zeichen der Analyse-Phase. Wir Studierende beschäftigen uns unter anderem mit empirischer Sozialforschung, Usability Testing, Card Sorting, Content-Audit und Analytic-Tools. Während letztere gemeinsam mit Monitoring-Tools in der Praxis bereits in den meisten Unternehmen eingesetzt werden, besteht beim Content-Audit noch Nachholbedarf.

Dabei spielt gerade der Audit für Online-Kommunikatoren eine wesentliche Rolle: Es ist die beste Methode um herauszufinden, welcher Content bisher funktioniert und welcher nicht. Während früher hauptsächlich der quantitative Content- bzw. Content-Inventory eingesetzt wurde, rückt nun zunehmend der qualitative Audit in den Vordergrund.

Die ersten Schritte zur Projektarbeit

Ende 2015 war es soweit: Wir sollten ein Exposé für die erste Projektarbeit im Studiengang Content-Strategie schreiben. Ich wollte nicht warten, bis das Fach Content-Audit auf dem Stundenplan steht, zumal ich schon länger eine Überprüfung des firmeneigenen Contents — ich arbeite für das Karrierenetzwerk absolventen.at — im Visier hatte.

Das Thema für die erste Seminararbeit im Wintersemester war also schon in Stein gemeißelt — zumindest ungefähr. Wie bereits in meinem Blogpost zum Thema Content-Kanäle erwähnt, konnte ich den Arbeitsaufwand für einen Audit aber schwer einschätzen. Klaus Eck und meine Betreuerin Anna-Katharina Lohre gaben mir den Tipp, den Content-Audit mit einer Wettbewerbsanalyse zu kombinieren — ein kluger Ratschlag.

Rückblickend stelle ich fest: Die Analyse hat mir Spaß gemacht. Gerade weil ich noch nicht viel von der Thematik wusste, bin ich neugierig geworden und habe mir relevante Literatur besorgt und Tabellen angelegt. Tabellen anlegen? Hört sich wohl nicht so spannend an, oder? Naja, ich gebe zu, es kann auch mühsam sein, sich intensiv Seite für Seite anzusehen und zu bewerten, ob der Content aus quantitativer und qualitativer Sicht gut ist und die Ergebnisse Spalte für Spalte und Zeile für Zeile einzutragen. Content-Audit ist nicht sexy, oder anders formuliert: Content-Audit ist nicht Berlin. Aber durch einen Content-Audit können Unternehmen Kosten reduzieren, weil sie im Nachhinein wissen, was höchstwahrscheinlich gut funktioniert und was nicht. Und wie war das jetzt nochmal in Berlin…Flughafen und so? (auch wenn hier die Projektmanager die eigentlichen Kosten verursacht haben).

Aber lassen wir den Vergleich mit dem schönen Berlin mal beiseite. Warum hat mir der Audit trotzdem Spaß gemacht und wie funktioniert das eigentlich im Detail?

So macht ein Audit Spaß: Den Sinn und Zweck im Hinterkopf behalten

Was ist der Anlass für einen Content-Audit? (Auswahl)

  • Passt der Content wirklich noch zu den Bedürfnissen der Zielgruppe. In meinem Fall also zu den Interessen der Studierenden und Berufseinsteiger?
  • Welcher Content kann für das neue Projekt eliminiert, überarbeitet oder direkt übernommen werden
  • Welche Schwachstellen hat der vorhandene Content?
  • Haben wir unsere Texte bisher überhaupt nach SEO-relevanten Gesichtspunkten geschrieben?
  • Gibt es eine klare Struktur oder nicht?
  • Der Audit dient aber vor allem auch als Argumentationsgrundlage für die Sinnhaftigkeit einer Content-Strategie

Crawler Tools und Google Analytics

Ich war froh, gleich zu Beginn Google Analytics eingesetzt zu haben. Die sehr guten Lehrbücher zu Content-Audits könnten meiner Meinung nach noch gezielter darauf hinweisen, dass dies der erste Schritt ist. Denn da man vor lauter Bäumen (= Content) den Wald nicht mehr sieht, vergessen oder unterschätzen viele, wie viel unsichtbarer Content sich noch auf der Website befinden kann. Google Analytics hat mir Artikel präsentiert, von denen ich bis dato noch gar nicht gewusst hatte, dass sie existieren. Und so findest du alle Seiten deiner Website: In Google Analytics unter Verhalten → Website Content Daten kannst du alle Seiten sehen oder bestimmte Unterverzeichnisse auswählen. Bei jeder indexierten Seite erfährst du unter anderem, wie viele Sitzungen und neue Nutzer eine Seite hat oder wie hoch Absprungrate und durchschnittliche Sitzungsdauer sind.

Unabdingbar sind auch Crawler-Tools wie SEO Spider oder das Content Analysis Tool. Letzteres hat uns die Content-Strategin Lisa Moore aus London in der Lehrveranstaltung Content-Audits empfohlen. Beide Tools sind mit Einschränkungen kostenfrei, wobei SEO Spider lokal installiert wird und CAT online ausgeführt werden kann.

Ich liebe Google-Tabellen

Als Nächstes habe ich den Content in eine Google Tabelle eingetragen. Ich bin übrigens im letzten Jahr zu einem Google Drive Fan geworden. Es ist einfach praktisch, wenn man auf allen Endgeräten und zu jeder Zeit darauf zugreifen kann. Wenn mehrere Personen an einem Projekt arbeiten, gibt es sowieso keine bessere Alternative. Mein Studienkollege Paul hat sich übrigens ausführlicher mit den Vorteilen von Google Docs beschäftigt.

Word und Excel nutze ich nur noch sehr selten. Ich kann aber auch alle Cloud-Skeptiker verstehen, die datenschutzrechtliche Bedenken haben. Für viele Firmen, insbesondere Konzerne, kommt die Nutzung von Gooogle Drive aus genanntem Grund ohnehin nicht in Frage.

Die Zutaten des Content-Audits

Eines vorweg: Es gibt keine festen Regeln, welche Kriterien für einen Content-Audit herangezogen werden sollten. Im Folgenden habe ich ein paar Beispielpunkte zusammengetragen:

Quantitative Kriterien (Auswahl):

  • Titel
  • H1
  • Meta Description
  • Traffic
  • Absprungrate
  • Verweildauer
  • Format

Quantitative Kriterien sind Hard Facts. Hier gibt es keine großen Interpretationsspielräume. Im Endeffekt geht es darum, möglichst detailliert alle relevanten Zahlen und Daten einer Seite manuell zusammenzutragen. Ich empfehle aber dringend, auch die zuvor erwähnten Crawler-Tools zu verwenden. Selbst wenn diese nicht alle gewünschten Kriterien abdecken sollten, ersparen sich Content-Analysten dadurch enorm viel zeitlichen Aufwand.

Qualitative Kriterien (Auswahl):

  • Vollständigkeit
  • Webgerechte Darstellung
  • Informationswert
  • Qualität/Stil des Contents
  • Struktur

Bei der Analyse der qualitativen Kriterien spielen immer auch subjektive Ansichten eine Rolle. Ob ein Thema aus der Sicht eines Content-Analysten vollständig bearbeitet wurde oder nicht, ist schwer zu sagen. Auch über Informationswert, Qualität und Stil lässt sich streiten. Daher macht es Sinn, sofern es aus Zeitgründen möglich ist, dass mehrere Personen aus dem Unternehmen den Content aus qualitativen Gesichtspunkten beurteilen. Dabei könnte es durchaus passieren, dass unterschiedliche Ansichten und Blickwinkel den eigenen Ergebnissen gegenüberstehen. Doch letztendlich können Unternehmen und Content-Strategen davon nur profitieren.

Beispiel für einen qualitativen Audit (unscharf gemacht, da unternehmensinterne Daten)

Warum lohnt sich eine Wettbewerbsanalyse?

Das Leben ist ein Lernprozess und das gilt selbstverständlich auch für Content-Strategen. Und manchmal können Unternehmen von Mitbewerbern sehr viel lernen. Daher bin ich während meiner ersten Projektarbeit ein Fan der Wettbewerbsanalyse geworden. Dabei geht es nicht darum, gute Dinge der Konkurrenz eins zu eins zu kopieren; vielmehr sehe ich den Nutzen einer Wettbewerbsanalyse darin, sich von guten Ideen der Konkurrenz inspirieren zu lassen und diese — sofern sie zur eigenen Seite passen — selber aufzugreifen.

Das schöne ist, dass man sehen kann, wie viel Zuspruch der Content von den Usern erhalten hat. Sofern es sich um die gleiche Zielgruppe handelt, kann der Content-Stratege überlegen, ob er gewisse Themen aufgreifen soll oder nicht. Wenn euch der Chef also fragt, wieso ihr euch mit einer Wettbewerbsanalyse beschäftigt, habt ihr schon ein gutes Argument parat: den Kosten/Nutzen Aspekt, schließlich wollen Unternehmen ungern Geld für Content ausgeben, der am Markt keinen Zuspruch gefunden hat.

Es muss allerdings nicht unbedingt am Thema liegen, wenn ein Content keinen Zuspruch findet. Überlegt euch daher auch, wie ihr es besser kommunizieren könnt, z.B. durch ein anderes Format.

Bei meiner Content-Wettbewerbsanalyse bin ich folgendermaßen vorgegangen:

Zunächst habe ich einige relevante Mitbewerber im deutschsprachigen Raum recherchiert. Da ich bereits seit fast zwei Jahren in dieser Branche arbeite, wusste ich schnell, welche in Frage kommen. Um mir einen ersten Überblick zu verschaffen, habe ich die Kategorien, die die Konkurrenz zum Beispiel auf ihrer Website oder ihrem Blog verwendet, zusammengetragen. Anschließend konnte ich bei den meisten Unternehmen sehen, welchen Themen sie sich schwerpunktmäßig widmen.

Zudem habe ich mir die genutzten Kanäle (u.a. Blog, Facebook, Karrierebroschüre) und Formate (u.a. Blogpost, Bilder, Interview) angesehen. Den Content von drei Mitbewerbern habe ich anschließend näher analysiert. Sinn dieser Vorgehensweise war es, zum Kern der Content-Strategie — oder besser gesagt zur Leitidee der Mitbewerber (sofern es eine gab) vorzudringen. Im Endeffekt habe ich mir die gleichen oder ähnliche Kriterien angesehen, die ich bereits auch bei der Analyse der eigenen Seiten herangezogen habe. So ist die Vergleichbarkeit der Ergebnisse gewährleistet. Am besten man notiert alle wesentlichen Erkenntnisse, zusammen mit jenen der eigenen Seiten, in einer übersichtlichen Tabelle.

Die Social-Media-Analyse nicht vergessen

Unternehmen kommunizieren schon lange nicht mehr nur über eigene Seiten. Längst spielt sich die Kommunikation mit den Kunden und Usern auch auf sozialen Netzwerken, allen voran Facebook, ab. Um den Content auf diesen Plattformen zu analysieren, verwendet der Content-Stratege Analytic-Tools. In meinem Fall Quintly und Facebook Insights. Denkbar wären aber auch Brandwatch, Fanpage Karma und einige andere. Stefan Evertz vom Unternehmen Cortex digital hat in einem t3n Blogpost acht solcher Tools vorgestellt. In der von Heinz Wittenbrink geleiteten Lehrveranstaltung “Monitoring und Web-Analytics” hat er uns übrigens auch wertvollen Input zu einigen ausgewählten Tools gegeben.

Wie bin ich nun aber im Rahmen der Projektarbeit vorgegangen? Beim Social-Media-Monitoring habe ich mir konkret folgende Kriterien angesehen:

  • Anzahl der Fans
  • Traffic
  • Reichweite
  • Beitragsklicks
  • Interaktionsrate
  • Engagement

Dazu ist anzumerken, dass die Anzahl der Fans — Facebook und andere Kanäle stellen sie prominent zur Schau — eine geringere Rolle spielt als viele annehmen. Zumal es einige Fans gibt, die den “Like-Button” nur deshalb anklicken, um an einem Gewinnspiel teilzunehmen. Fraglich bleibt, ob sie sich auch wirklich für die Branche oder das Unternehmen interessieren.

Die Reichweite und die Zahl der Beitragsklicks sind ein guter Indikator dafür, ob der Content die Zielgruppe thematisch anspricht. Hier hängt auch viel von der Überschrift der Posts und der Kurzbeschreibung ab. Die Interaktionsrate ist bei der Analyse der eigenen Seite hilfreich, um zu sehen, ob der Inhalt auch gut angekommen ist und zur Diskussion oder zum Teilen angeregt hat. Jedoch ist dieser Wert bei der Wettbewerbsanalyse mit Vorsicht zu genießen, da alle Analyse-Tools die Anzahl der Likes, Kommentare und geteilten Posts mit der Gesamtzahl der Fans vergleichen. Dabei kann es zu verfälschten Ergebnissen kommen; denn tatsächlich müssten diese Zahlen mit der Reichweite der Beiträge vergleichen werden. Auf diese Daten hat man allerdings keinen Zugriff.

Fazit zur ersten Projektarbeit

Die erste Projektarbeit war anstrengend, aber spannend. Viele Begriffe und Tools waren mir neu — ich musste mich erst einlesen, um eine Ahnung davon zu bekommen, wie man als Content-Stratege einen Audit am besten angeht. Aber der Aufwand hat sich ausgezahlt, weil ich davon überzeugt bin, dass ein Audit für eine gelungene Content-Strategie unabdingbar ist. Jetzt fehlt nur noch die nötige Zeit, um alle Ergebnisse und Handlungsempfehlungen Schritt für Schritt umzusetzen; denn die nächste Projektarbeit steht schon in den Startlöchern…

Literaturempfehlungen zum Thema Content-Audit:
Eck, K., & Eichmeier, D. (2014). Die Content-Revolution im Unternehmen: neue Perspektiven durch Content-Marketing und -Strategie (1. Aufl). Freiburg im Breisgau: Haufe-Lexware.

Land, P. L. (2014). Content audits and inventories: a handbook. Retrieved from http://site.ebrary.com/id/10951587

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