Eine neue Superkraft entsteht: Bewusstseinsbasiertes kollektives Handeln | Otto Scharmer

Sascha Berger
20 min readApr 22, 2020

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Artikel auf Englisch — auf Spanisch — auf Chinesisch lesen.

Dieser Beitrag ist eine Übersetzung des im englischen Original am 9. April von Otto Scharmer unter dem Titel “A New Superpower in the Making: Awareness-Based Collective Action” veröffentlichten Artikels.

Darstellung von Kelvy Bird

Im März 2020 wurden im Artikel “Acht aktuelle Lektionen von Otto Scharmer: Vom Coronavirus zum Klimaschutz” einige Gedanken dazu veröffentlicht, was wir aus der Corona-Krise und dem Klimaschutz-Aktivismus lernen können. Angesichts der weiten Verbreitung des damaligen Beitrags (150K+ Ansichten) gibt es hier nun ein kurzes Update. Die ursprüngliche Idee des damaligen Blogbeitrags, ad hoc eine globale Infrastruktur aufzubauen, die es uns ermöglicht, in unseren gegenwärtigen Krisenmodus hineinzuspüren und uns von diesem Zeitpunkt an in Richtung einer zivilisatorischen Erneuerung zu bewegen, hat schnell Gestalt angenommen.

GAIA — Global Activation of Intention and Action (…) — wurde nur zwölf Tage nach der ersten Idee eines kleinen Kernteams realisiert. Innerhalb von zwölf Tagen hatten sich mehr als 10.000 Personen für diese kostenlose, viermonatige Online-Lernreise angemeldet, und ein globales Team von mehr als 100 Freiwilligen hatte damit begonnen, in fünf verschiedenen Sprachen eine Reihe von Veranstaltungen zum tiefen Lernen für Teilnehmer auf der ganzen Welt mitzugestalten. Am 27. März starteten wir GAIA mit einer ganztägigen Veranstaltungsreihe, die u.a. Inputs zum Framing, Übungen zum tiefen Zuhören, kleine Breakout-Gruppen, absichtliche Stille, reflektierende Tagebuchführung, Live-Musik-Performance und “soziale Bildresonanz” umfasste.

All dies geschah ohne große Planung und auf die Schnelle — auch ohne echtes Budget. Vorhaben, die normalerweise ein Jahr zur Planung benötigen, wurden plötzlich innerhalb von Stunden und Tagen umsetzbar…

Das „GAIA Journey“ Projekt ist vielleicht der Beweis für etwas viel Größeres. Es signalisiert das Erwachen einer Bewegung, die auf dem ganzen Planeten Gestalt annimmt. Es ist die Aktivierung einer tiefen und weit verbreiteten Sehnsucht nach einer tiefgreifenden gesellschaftlichen und zivilisatorischen Erneuerung. Wo auch immer ich (Otto Scharmer) auf diesem Planeten hinkomme, mit wem auch immer ich spreche, höre ich Menschen, die genau die folgenden drei einfachen Erkenntnisse zum Ausdruck bringen:

  • Wir wissen, dass unsere gegenwärtige Zivilisation nicht nachhaltig ist. Sie ist dabei, gegen eine Mauer zu fahren. Tatsächlich prallt sie bereits jetzt gegen diese Mauer. Und der Prozess des Zusammenbruchs wird sich dramatisch verschärfen, wenn wir nicht eine andere Richtung einschlagen.
  • Wir wollen Teil einer anderen Geschichte der Zukunft sein. Wir wollen dazu beitragen, den Kurs, den wir als Gesellschaft einschlagen, neu zu gestalten.
  • Ich weiß nicht, wie…

Ob man mit CEOs und Führungskräften in kleinen oder großen Unternehmen, mit Initiatoren von Graswurzelbewegungen, mit Regierungsbeamten (privat) oder mit Abteilungsleitern in großen internationalen Institutionen spricht, jeder weiß, dass wie wir bisher handeln, nicht nachhaltig ist. Individuell gesehen, will fast jeder etwas anderes. Doch kollektiv erzielen wir immer wieder die gleichen Ergebnisse, die sich in der Vertiefung der drei großen Trennlinien unserer Zeit manifestieren: die ökologische Kluft (die Kluft zwischen dem Selbst und der Natur), die soziale Kluft (die Kluft zwischen dem Selbst und den Anderen) und die spirituelle Kluft (die Kluft zwischen dem Selbst und sich selbst).

Dies ist unser (aktueller) Moment. Die folgenden zehn Punkte bringen die Beobachtungen, die im Blogbeitrag aus März bereits beschrieben wurden, weiter auf den Punkt.

1. Alles, von dem wir wussten, dass es nicht nachhaltig war, zerbricht jetzt

“Alles, von dem wir wussten, dass es nicht nachhaltig war, zerbricht jetzt.” Als ich hörte, wie meine Kollegin und Mitbegründerin von GAIA, Antoinette Klatzky, zusammenfasste, was ihrer Meinung nach aktuell vor sich geht, erschien mir das wie eine fast universelle Beobachtung, die auf so viele Systeme und Sektoren anwendbar ist.

In den letzten Wochen haben wir blauen Himmel über Peking gesehen (zumindest für eine Weile) und blauen Himmel sowie sauberere Flüsse in vielen anderen industriell geprägten Regionen. Es ist fast so, als hätte uns Mutter Natur, wie einige anmerkten, in unsere Zimmer geschickt, damit wir darüber nachdenken, was wir ihr, uns gegenseitig und uns selbst antun. Man hat uns als Spezies eine Auszeit gegeben! Doch welche Schlüsselerfahrungen können wir aus diesem kollektiven Moment ableiten?

2. Der Aufstieg: Wenn Systeme zusammenbrechen, erheben sich die Menschen

Wenn Systeme zusammenbrechen, erheben sich die Menschen. Die Menschen erheben sich auf eine absolut bemerkenswerte Weise. Hunderttausende, vielleicht Millionen von Freiwilligen sind in ihren eigenen Ländern und Gemeinden in Erscheinung getreten, um ihren Nachbarn zu helfen und die selbstlose Arbeit von medizinischen Fachkräften an vorderster Front zu unterstützen, die, oft ohne Zugang zu einer Krankenversicherung für sich selbst, ihr eigenes Leben für die Flut von pflegebedürftigen Covid-19-Patienten aufs Spiel setzen. Jeder tut, was er kann, vom Opernsänger in Mailand, der aus seinem Fenster singt, bis hin zu den pensionierten medizinischen Fachkräften, die in Madrid, New York City und an anderen Orten arbeiten. Die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Geistes, die Aktivierung der immensen tiefen Liebe und des altruistischen Handelns und die tiefen Verbindungen, die Menschen in einem solchen Krisenmoment zueinander empfinden, sind bewegend und zugleich ehrfurchtgebietend.

3. Die Verbindung: Wir sind ein System

Covid-19 ist zu einem der effektivsten und einflussreichsten Lehrer unserer Zeit geworden. Es bietet eine fortgeschrittene Lektion über systemisches Denken für die 7,8 Milliarden Erdenbürger als Schüler. Sicherlich, einige von uns haben diese Lektionen intellektuell bereits gelernt. Aber nun kann unsere Körper sie auch erfahren. Wir sind uns nun unserer globalen Verflechtung bewusst. Wir sind viele, und wir sind eins. Wir atmen die gleiche Luft. Wir trinken dasselbe Wasser. Wir wandeln auf derselben Erde. Wir bilden dasselbe globale Netz sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Beziehungen. Du dachtest, es sei für uns egal, was auf der anderen Seite des Globus geschieht? Oder dachtest du, dass es für dich keine Rolle spielt, wenn gefährdete Menschen in deiner Gemeinde keine Krankenversicherung haben, die einen Covid-19-Test abdeckt? Nun, jetzt wissen wir es besser. Jetzt wissen wir, dass das Ignorieren unserer grundlegenden Verbundenheit dazu führt, dass wir Institutionen entwerfen, die in Momenten wie diesen völlig versagen. Mit anderen Worten: Es ist an der Zeit, “den Schleier der Realitätsferne zu lüften”, wie Peter Lipman, stellvertrender Vorsitzender des Transition Network, neulich vorgeschlagen hat.

4. Eine neue Supermacht: Bewusstseinsbasiertes kollektives Handeln (Awareness-Based Collective Action = ABC)

Seit dem Fall der Berliner Mauer 1989 diskutieren wir darüber, wer die gegenwärtige oder nächste Supermacht der Welt sein wird. Wer wird das 21. Jahrhundert prägen? Die Vereinigten Staaten? China? Beide? Ein anderes Gebilde? Wenn Sie die nächste Supermacht im Entstehen sehen wollen, müssen Sie vielleicht Ihren Blick öffnen und genauer hinschauen.

In den letzten drei Wochen haben wir unser kollektives Verhalten auf planetarer Ebene auf fast wundersame Weise verändert. Der Einsatz von Desinfektionen, das Händewaschen und die physische Distanzierung zu Hause und im öffentlichen Raum sind unglaubliche Leistungen. Während der drei Wochen konnte sich fast die gesamte Weltbevölkerung auf ein einziges Thema fokussieren. Dieser kollektive Fokus der Aufmerksamkeit hat dazu geführt viele der Hindernisse aufzulösen, die einem tiefgreifenden Wandel bisher im Wege standen. Innerhalb von Tagen und Wochen haben wir als Spezies unser kollektives Verhalten effektiv verändert. Wir haben enorme Kräfte mobilisiert, um die Ausbreitung des Virus zu bekämpfen. Und wir prägen neue Muster der Zusammenarbeit zwischen Institutionen und Gemeinschaften aus. Kurz gesagt: Energie folgt der Aufmerksamkeit. Zuerst richten wir unsere kollektive Aufmerksamkeit auf die anstehende Herausforderung, dann entwickeln wir Interventionen, die unser kollektives Verhalten erfolgreich verändert, was wiederum beispielsweise den Verlauf der Kurve der Neuinfektionen verändert und abflacht. Zusammenfassend lässt sich sagen: In dem Moment, in dem wir unsere globale Aufmerksamkeit auf ein einziges Thema richten, gibt es nichts, was wir nicht tun können.

Wir können den Kurvenverlauf verändern und die Kurve abflachen (#FlattenTheCurve), weil wir in der Lage sind, den Fokus unserer kollektiven Aufmerksamkeit zurück auf unser eigenes Verhalten zu lenken und darauf, wie es sich auf das Wohlergehen der übrigen Menschheit auswirkt.

“Die Kurve abflachen” bedeutet, die Regeln zu transformieren, die normalerweise unser kollektives Verhalten bestimmen — das ist der Unterschied zwischen Naturwissenschaft und Sozialwissenschaften: In der Naturwissenschaft bleiben die physikalischen Gesetze stets dieselben. Wenn du deine Aufmerksamkeit auf das Biegen eines Löffels richtest, bleibt der Löffel derselbe. In den Sozialwissenschaften haben wir jedoch die Macht, den Kurvenverlauf zu verändern; wir können die “Invarianz”, die unser Verhalten bestimmt, verändern, indem wir unsere Aufmerksamkeit und unser Bewusstsein auf sie richten. In diesem Fall können wir, metaphorisch gesprochen, den Löffel verbiegen. Genau das tun wir gegenwärtig gemeinsam im Kampf gegen das Coronavirus.

Wir verändern den Verlauf der Kurve der Neuinfektionen. Und wie machen wir das? Indem wir den Fokus der kollektiven Aufmerksamkeit zurück auf uns selbst richten, und durch die Erkenntnis, dass unser eigenes Verhalten (z.B. physische Distanzierung) zur Abflachung der Kurve und zum Wohl aller beiträgt. Das ist die neue Superkraft, die die neue Supermacht hervorbringen kann. Es ist der Aufstieg eines neuen Musters kollektiven Handelns, das von einem Bewusstsein des Kollektivs ausgeht: Bewusstseinsbasiertes kollektives Handeln (Awareness-Based Collective action = ABC).

Es handelt sich um ein Verhaltensmuster, das den meisten von uns vertraut ist — beispielsweise, wenn wir in unseren Familien oder Gemeinschaften mit schwierigen Herausforderungen konfrontiert sind. Was sollen wir tun? Wir kommen dann zusammen. Wir halten uns gegenseitig fest. Wir achten gemeinsam auf das, was geschieht. Und dann, wenn wir es gemeinsam erkennen, tun alle einfach das, was getan werden muss. Oft ohne zentrale Koordination. Ohne formelle Führung. Spontan. Koordiniert durch ein gemeinsames Erkennen — durch ein gemeinsames Bewusstsein für das Ganze. Darin liegt die Magie.

Diese Art von Reaktion sehen wir häufiger in lokalen Gemeinschaften. Auf nationaler Ebene und in ganz großem Maßstab sehen wir sie weniger häufig. Und wir sehen sie am seltensten auf globaler Ebene. Aber gelegentlich tun wir es doch, wie zum Beispiel im Fall des Pariser Klimaabkommens. Der “Löffel” beginnt sich zu verbiegen, wenn wir unsere Handlungsweise von einer bestimmten Art zu Agieren auf eine andere verlagern — vom Ego-System zum Ökosystem-Bewusstsein.

Abbildung 1: Verändern des Kurvenverlaufs durch Verändern des Fokus des Aufmerksamkeitsstrahls: Integration aller vier Ebenen der Veränderung — visualisiert von Kelvy Bird

Abbildung 1 fasst diese Ideen unter dem Gesichtspunkt des systemischen Denkens zusammen. Um die Kurve abzuflachen, müssen wir die Covid-19-Situation nicht nur durch eine Reaktion auf der Ebene 1 (durch den Aufbau von Intensivstationen, die Einschränkung der sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten) angehen, sondern auch auf den tieferen Ebenen: indem wir (defizitäre) Richtlinien und Programme zum Testen, Aufspüren, Isolieren und zur physischen Distanzierung neu entwerfen (Ebene 2); indem wir die zugrundeliegende Art und Weise, die Welt zu sehen, von der Abgrenzung zur Verbundenheit umgestalten (Ebene 3); und indem wir die tieferen Quellen, aus denen wir agieren, regenerieren, indem wir von einem Ego-System-Fokus oder Bewusstsein, das sich bloß um unser eigenes Wohlergehen dreht, zu einem Ökosystem-Bewusstsein übergehen, welches das Wohlergehen aller — aller (Lebe-)Wesen — umfasst (Ebene 4).

Was ist also die aufstrebende nächste Supermacht? Es ist unsere Superkraft, die Fähigkeit, den Fokus unserer Aufmerksamkeit wieder zurück auf uns selbst zu lenken — sowohl individuell als auch kollektiv. Es ist die Superkraft uns der Regeln bewusst zu werden, die unser kollektives Verhalten bestimmen und diese Regeln so zu verändern und zu transformieren, wie es die Umstände erfordern. Keine andere Spezies auf der Erde kann dies tun. Das ist es, was uns zu Menschen macht.

5. Systemisches Versagen großer Regierungen (Big Government), große Märkte (Big Market) und Big Data

Die Darstellung der Systeme in Abbildung 1 kann dabei helfen, die Formen des Systemversagens, die die Corona-Krise für jeden von uns zutage gefördert hat, besser verständlich zu machen. Denn was passiert, wenn die Reaktion auf eine Situation als Individuum rein reaktiv ist (Ebene 1)? Man kauft in Panik ein, um die persönlichen Reserven aufzustocken, unterbricht damit die Versorgungskette und beraubt seinen Nachbarn der notwendigen Dinge, die auch sie zum Leben benötigen.

Was geschieht dabei auf institutioneller Ebene? Es sind zwei Dinge. Erstens: Es entstehen riesige Mengen unnötigen Leids, die unverhältnismäßig stark diejenigen treffen, die zu den Schwächsten gehören.

Und Zweitens: Wir erleben ein schwerwiegendes institutionelles Versagen hinsichtlich der Herausforderungen, vor denen Institutionen aktuell gestellt sind. Es handelt sich dabei insbesondere um ein Versagen der folgenden drei Institutionen, die gewöhnlich für ihre Erfolge gefeiert werden: große Regierungen (Big Government), Großunternehmen (Big Business) und Big Data bzw. große Digitaltechnologiekonzerne (Big Tech).

Große Regierung (Big Government): Auch wenn viele Experten behaupten, dass die Corona-Krise beweist, dass eine starke, zentralisierte Regierung der Schlüssel zum Erfolg ist, bin ich anderer Meinung. Ein Beispiel: Schauen Sie sich Russland, Indien oder China in den ersten zwei Monaten und die US-Bundesregierung in den letzten drei Monaten an. Wir erleben ein massives institutionelles Versagens. Es zeigt sich im Kern ein Bild von Politikern, die im Großen und Ganzen nicht mehr auf dem Laufenden sind. Doch was ist mit Südkorea, Singapur, Hongkong, Taiwan und Deutschland, und was ist mit den Gouverneuren der US-Bundesstaaten, die ehrlich, rechtzeitig und proaktiv reagiert haben? Ja, dies sind ausgezeichnete Beispiele für kompetente Regierungsführung. Aber keines dieser Länder oder Staaten hat eine superzentralisierte Regierung. Sie sind entweder kleine Länder mit agilen nationalen Regierungen oder es handelt sich um Länder mit föderalen Strukturen mit einer dezentralisierten und bevollmächtigten Verwaltungen, wie beispielsweise in Deutschland (die Bundesländer) und in den USA (die Bundestaaten). Eine zentralisierte Regierung kann demnach im Falle einer Pandemie nur helfen, und zwar nur dann helfen, wenn im Kern eine kompetente Führung vorhanden ist. Wenn es sich um eine Regierung im Trump-Stile handelt, dann kann eine zentralisierte Regierung zu einer der größten Schwächen werden. Umgekehrt zeigt das Beispiel Deutschlands, dass, wenn aufeinander abgestimmte Partnerschaften aus halbstaatlichen Forschungsinstituten, Bundesländern, Krankenhäusern und Bürgern gebildet werden, diese voneinander abhängigen Ökosysteme regionaler Akteure im Gesundheitssektor erstaunlich gut zusammenarbeiten können. Daher ist folglich eine agile und effektive Regierung entscheidend. Das bedeutet aber wiederum nicht, dass mehr Zentralisierung immer auch automatisch besser ist.

Großunternehmen (Großkonzerne): Wenn man dem auf den Grund geht, warum ein großes Land wie die Vereinigten Staaten nicht effektiv auf eine Pandemie wie diese (Coronavirus-Pandemie) reagieren kann, wird ein grundlegendes Problem schnell offensichtlich: Es ist der Wettbewerb. Die Grundidee des Wettbewerbs besteht darin, ihn auf den (freien) Märkten auszutragen. Das führt beispielsweise dazu, dass Staaten miteinander um Schutzkleidung und Beatmungsgeräte konkurrieren. Hinzu kommt eine komplizierte Bürokratie beispielsweise beim Centers for Disease Control (CDC). Dieses hatte die US-Staaten daran gehindert, eigene Tests auf Covid-19 zu entwickeln. Der nationale Vorrat an Beatmungsgeräten ist ebenfalls nicht ausreichend. Denn ein mittelgroßer Anbieter, der vor Jahren mit der Massenproduktion einfacher und preiswerter Beatmungsgeräte beauftragt wurde, wurde von einem großen Unternehmen für medizinische Geräte aufgekauft. Doch da das Geschäft mit den Masken nicht lukrativ genug war, war das Unternehmen nicht weiter an der Herstellung dieser Geräte interessiert, weil dies die die Bilanz der Erlöse des Unternehmens in anderen Bereichen beeinträchtigt hätte. Das Hauptproblem dabei ist, dass Gesundheit und Gesundheitsfürsorge eigentlich keine Waren sind; es handelt sich dabei nicht einfach um einen weiteren Markt. Das wirft wiederum die Frage auf: “Sollten Gesundheit und Gesundheitsversorgung — oder Kernbereiche davon — von einer anderen Art von Unternehmen organisiert werden, einer Unternehmensform, die von einem sozialen Auftrag und nicht von Profit angetrieben ist?

Big Data bzw. datengetriebene Geschäftsmodelle große Digitaltechnologiekonzerne (Big Tech): Jahrelang haben sich Silicon-Valley-Titanen wie Mark Zuckerberg als Retter präsentiert, als Superhelden, die globale Probleme effektiver als jede Regierung oder andere Institutionen lösen können. Und nun, da wir es mit einem echten Problem (Covid-19) zu tun haben, wo ist da die Antwort aus dem Silicon Valley? Die Stille und der Mangel an Phantasie aus dem Silicon Valley, seit der Lockdown über die Welt verhängt wurde, wird von Tag zu Tag lauter. Ja, wir nutzen einige ihrer Technologien — wie beispielsweise den Dienste für Online-Videokonferenzen von Zoom -, um uns zu organisieren und zu vernetzen. Doch es sind die Menschen — Menschen in der Bildung, Menschen in der Wirtschaft, Menschen in den Regierungen, Menschen in der Zivilgesellschaft — die diese Technologien zum Funktionieren bringen. Andererseits wissen wir auch aus Ostasien, dass Big Data ein großer Teil der Lösung sein kann (Anmerkung: Dort wurden Massen-Daten genutzt, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen; Stichwort: Tracing via Contact-Tracing-App bzw. Datenspenden-App). Dieses Wissen führt zu einer offensichtlichen Frage: “Wie können wir dafür sorgen, dass Big Data dem Allgemeinwohl dient, dem Wohlergehen jeder Gemeinschaft, auf lokaler und globaler Ebene? Dies käme einer Demokratisierung der Eigentumsverhältnisse und der Nutzung von Daten gleich. (Anmerkung: Siehe Konzepte von Open Data und Open Information im Buch „Open Revolution — Neue Regeln für das Informationszeitalter“)

Das Scheitern großer und mächtiger Regierungen, das Scheitern von Großunternehmen und das Scheitern von großen Technologiekonzerne mit ihren Big Data Ansätzen hängt mit derselben grundlegenden Problematik zusammen: Wenn diese mit einer Denkweise operieren, die eher auf Trennung und Ego-Systembewusstsein (Wettbewerb und Aufbau von “Imperien” und Monopolen) statt auf Interkonnektivität und Ökosystembewusstsein setzt, dann hat man am Ende eine Regierung, die sechs Wochen statt drei Tage braucht, um auf eine Pandemie zu reagieren; man hat einen Anbieter medizinischer Geräte, der die Profite über die öffentliche Gesundheit stellt; man hat Big-Data-Unternehmen, die die Profite und die Macht (durch ihren exklusiven Zugriff auf ihre Daten und Algorithmen) das kollektive Verhalten zu manipulieren, über die Ertüchtigung stellt, dass Gesellschaften und Bürger ihre eigenen Daten demokratisch zu ihrem Wohle nutzen können (siehe: „Open Revolution“). Es handelt sich dabei um drei Formen institutionellen Versagens, die alle dieselbe Ursache (im ego-systemischen Bewusstsein und Denken) haben.

6. Innehalten: Wer auf eine Krise zusteuert, muss aufwachen

Wer auf eine Krise und einen Zusammenbruch zusteuert, muss aufhören, die Muster der Vergangenheit “herunterzuladen” (Downloading) und anzuwenden, sondern stattdessen muss er oder sie innehalten und aufwachen. Laut dem Guardian und der South China Morning Post wurde am 17. November 2019 der erste aktenkundige Fall von Covid-19 in China identifiziert. Obwohl im Jahr 2019 266 Menschen infiziert wurden, dauerte es bis zum 21. Januar 2020, bis die chinesische Regierung die Übertragung des Virus von Mensch zu Mensch zugab. Es ging dadurch kostbare Zeit verloren. Etwa drei Tage nach dieser Ankündigung vom Januar reagierten die Regierungen Singapurs, Taiwans, Hongkongs und Südkoreas mit ihrem eigenen, von einer Task Force geleiteten Maßnahmenplan, der Screening, Tests, Rückverfolgung und Isolierung umfasste. In den Vereinigten Staaten brauchte die Regierung, obwohl sie die gleichen Informationen und gleich hochqualifizierte Experten an Bord hatte, sechs zusätzliche Wochen, um überhaupt mit einer Reaktion zu beginnen. Wiederum wurde wertvolle Zeit vergeudet. Und was waren die Auswirkungen dieser Verzögerung? Es war die Anzahl der Todesopfer in den USA (am ca. 9.4.2020): 15.000 und steigend. Das war bereits das Fünffache der Anzahl der Todesopfer vom 11. September, dem wohl verheerendsten Ereignis auf amerikanischem Boden in der jüngsten Vergangenheit.

Wie können wir lernen, angesichts von etwas noch nie Dagewesenem hellwach und aufmerksam zu sein?

Wie können wir die Aufwachphase von sechs Wochen auf drei Tage verkürzen, oder gar von drei Tagen auf den unmittelbaren Moment des Erlebens und Erkennens, auf das JETZT?

Der Schlüssel zur Verkürzung der Reaktionszeit liegt darin, mit dem “Herunterladen” (Downloading) Schluss zu machen, d.h. nicht mehr mit gewohnten Denkmustern zu reagieren. Das ist der erste Teil des Erwachens.

7. Die Entscheidung: Wenn wir erwachen, haben wir die Wahl

Der zweite Teil des Erwachens befasst sich mit dem, was danach kommt. Wenn man mit dem “Herunterladen” (Downloading) aufhört, wird klar, dass man tatsächlich eine Wahl hat — eine Wahl, wie man auf jedwede Situation reagieren kann. Man kann reagieren, indem man dich abwendet oder sich hinwendet. Sich abzuwenden bedeutet, dass man seinen Verstand, sein Herz und seinen Willen ausschließt — mit anderen Worten, man handelt aus Ignoranz, Hass und Angst. Sich zuzuwenden bedeutet, den Verstand, das Herz und den Willen zu öffnen — mit anderen Worten, aus Neugier, Mitgefühl und Mut zu handeln. Das ist die Entscheidungen, vor der wir in jedem Augenblick stehen: Wenden wir uns ab und verschließen uns, oder wenden wir uns zu und öffnen uns, indem wir die tieferen Ebenen unseres Menschseins aktivieren?

Abbildung 2: Zwei Zyklen, zwei soziale Felder: Abwesendwerden und Anwesendwerden — visualisiert von Kelvy Bird

Abbildung 2 stellt die Dynamik der jeweiligen Reaktionsmuster dar. Menschlich zu sein bedeutet, zwischen diesen beiden sozialen Feldern zu operieren: dem Feld des „Abwesendwerden“ und des Erstarrens, in dem wir einen Zyklus der Trennung, der körperlosen Präsenz und der Selbstzerstörung in Gang setzen. Die andere mögliche Reaktion ist das Feld der „Anwesendwerden“, der Öffnung bzw. Hinwendung, in dem wir einen Zyklus vertiefter Verbindung, verkörperter Präsenz und Co-Kreation in Gang setzen — wodurch etwas Neues durch uns entstehen kann.

Die Erfahrung der Menschheit ist in diesem Jahrhundert von eben diesen beiden widersprüchlichen Kräften geprägt, die wir in all unseren Gemeinschaften erleben: Auf der einen Seite sehen wir, wie Mauern errichtet und Grenzen geschlossen werden. Und auf der anderen Seite sehen wir das, was Becky Buell die “Auflösung von Grenzen” nennt: Beispielsweise in der Solidarischen Wirtschaft (Vermischung von Eigenem und Gemeinsamen), in der organisationsübergreifenden Zusammenarbeit (gemeinsame Nutzung von Personal) oder im Falle der sektorübergreifenden Zusammenarbeit (Regierung, Privatsektor, Militär, Zivilgesellschaft — alles für eine Sache). Becky sagt: “Ich denke, dies ist ein interessanter Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird”.

8. Neugestaltung unserer Zivilisation: Neue Innovationsinfrastrukturen

Zusammenfassend lässt sich sagen: Der erste Schritt zur Bewältigung einer solchen Krise, wie der durch das Coronavirus, besteht darin, mit dem “Herunterladen” (Downloading) alter Muster aufzuhören und zu erwachen. Der zweite Schritt ist die Erkenntnis, dass wir eine Wahl haben: Wir können uns entweder verschließen oder wir können uns öffnen. Und der dritte Schritt besteht darin, eine solche Entscheidung sowohl als Individuum als auch als Gemeinschaft zu treffen und zu verkörpern.

Abbildung 2 zeigt die unterschiedlichen Dimensionen der beiden sozialen Felder: Presencing (Anwesendwerden) und Absencing (Abwesendwerden). In den heutigen Gesellschaften gibt es viele Belege für diese beiden Felder. Und wir können viele Beispiele für diese beiden Zyklen in der Reaktion auf die aktuelle Pandemie sehen. Doch welcher davon beherrscht die Schlagzeilen und die öffentliche Diskussion? Welcher dominiert die sozialen Medien? Es ist in der Regel der Zyklus des Abwesendwerden, der Zyklus der Selbstzerstörung. Vor allem in den letzten Jahren haben wir weltweit einen enormen Anstieg dieser Dynamik erlebt. Warum ist das so?

Ich glaube, zwei Faktoren spielen dabei eine wesentliche Rolle: (1) Erstens ist es der Einfluss von “Schwarzgeld” in der Politik- das Geld von Interessengruppen wie den großen Banken-, Technologie-, Öl-, Pharma- und Agrarunternehmen. Und (2) zeitens ist es der toxische Einfluss von sozialen Medien wie Facebook und andere. Obwohl es für viele von uns ein wichtiges Verbindungsmittel ist, basieren soziale Medien wie Facebook und Co. auf einem Geschäftsmodell, welches darauf abzielt die Werbeeinnahmen zu maximieren. Das wiederum erfordert eine Maximierung des Nutzerengagement. Und dies funktioniert am besten durch Algorithmen, die die Emotionen Hass, Wut und Angst auf Seiten der Nutzer aktivieren. Während die Eigentümer diese Unternehmen, wie beispielsweise Marc Zuckerberg, gigantische Vermögen anhäufen konnten, haben sie vielen Menschen auch Schmerz und Leid zugefügt sowie die Grundlagen unserer Demokratien untergraben.

Dies führt uns zu der naheliegenden Fragestellung: Wie können wir die zahlreichen Graswurzelinitiativen, die zum Zyklus des Presencing (Anwesendwerden) gehören, unterstützen und stärken,? Um diese Keimzellen zu nähren, bedarf es drei Formen gesellschaftlicher Innovationsinfrastrukturen geschaffen (siehe Abbildung 3):

Abbildung 3: Die drei Innovationsinfrastrukturen: Bildung, Demokratie, Ökonomie — visualisiert von Kelvy Bird

Neue Lerninfrastrukturen, die Kopf, Herz und Hand (Kopf, Herz, Bauch bzw. Verstand, Emotionen und Willen) ganzheitlich verbinden (Whole-Personen Learning), die den Menschen und die Systeme in ihrer Gesamtheit erfassen und dieser Ganzheit einen Raum geben. Beispiele hierfür sind handlungsorientierte Lernen (Action Learning) und Initiativen zum (ganz-)personalisierten Lernen, sowohl in Bildungseinrichtungen als auch außerhalb davon, wie z.B. das u.lab oder die Transformationsschule (School For Transformation), die wir mit der GAIA-Lernreise prototypisch aufbauen wollen.

Neue demokratische Infrastrukturen, die unsere politischen Prozesse direkter, verteilter, vielfältiger und dialogischer machen. Beispiele hierfür sind Bürgerversammlungen zum Klimaschutz (in einigen Fällen in Verbindung mit Bürgerbegehren bzw. Bürgerentscheiden), wie sie in immer mehr Ländern, darunter Frankreich, Schottland, England, Spanien und Deutschland, bereits im Gange sind.

Neue Wirtschaftsinfrastrukturen, die den Schwerpunkt des Wirtschaftens vom Ego-Systembewusstsein zum Ökosystembewusstsein verlagern — von mir zum Wir. Beispiele hierfür sind die verschiedenen “Akupunkturpunkte” für die Transformation des Kapitalismus, die die Koordination und Steuerung wirtschaftlicher Aktivitäten wieder mit dem menschlichen Bewusstsein und humanistischer Absichten auf allen Ebenen verknüpfen (siehe dazu in Abbildung 4 die auf der “4.0” Ebene dargestellten Modi).

Das interessante an der gegenwärtigen Situation ist, dass viele der Dinge, die noch vor wenigen Wochen unmöglich erschienen, heute vernünftig erscheinen und auf die eine oder andere Weise umgesetzt werden. In den Vereinigten Staaten, dem einzigen entwickelten Land ohne universelle Krankenversicherung, setzt sich die Erkenntnis durch, dass eine flächendeckende Gesundheitsversorgung für alle eine systemische Notwendigkeit ist. Dasselbe gilt für die Wirtschaft. Während die Idee eines bindungslosen Grundeinkommens noch vor ein paar Jahren als weit hergeholt und obskur angesehen wurde, stimmte vor zwei Wochen der gesamte US-Senat dafür, fast jedem Bürger in der jetzigen Situation zumindest einmalig einen Scheck zukommen zu lassen. Eine recht erstaunliche Kehrtwende. Ebenso klang der Vorschlag einer Relokalisierung bzw. Hyper-Lokalisierung der Lebensmittelversorgung und -kreisläufe vor einem Jahrzehnt wie eine weit hergeholte total verrückte Idee. Und heute, insbesondere in den letzten Wochen, haben wir eine massive Welle der Hyper-Lokalisierung unserer Nahrungsmittelkreisläufe erlebt. Ein weiterer wichtiger Wandel, den wir beobachten, besteht darin, den Rahmen der öffentlichen Gesundheit in Bezug auf den Planeten neu zu überdenken: Wir müssen die Gesundheit und das Wohlergehen des Planeten in den Vordergrund stellen, wenn es darum geht, die Ziele eines guten Gesundheitssystems zu definieren.

Während unsere Wirtschaft zum Stillstand gekommen ist, haben viele von uns begonnen, sich über einige weitere Dinge Gedanken zu machen: Warum sind beispielsweise die Menschen, die wir heute als “systemrelevant” oder “unentbehrliche Arbeitskräfte” bezeichnen, oft die am schlechtesten bezahlten — Krankenschwestern, Landarbeiter, LKW-Fahrer, Kontrolleure in Lebensmittelgeschäften? Während diejenigen mit Jobs, die entweder keinen Mehrwert schaffen oder den Wert des Ganzen sogar mindern, mit obszönen Gehältern und Bonuszahlungen nach Hause gehen — beispielsweise diejenigen, die die system-destabilisierenden Mechanismen des Casinokapitalismus betreiben? Wie konnte das geschehen? Wie können wir plötzlich eine öffentliche Debatte über ein Umdenken und eine Neugestaltung der Grundlagen unserer Wirtschaftssysteme führen?

Was wäre, wenn wir unsere Superkräfte nicht nur dazu einsetzen würden, den Verlauf der Ansteckungskurve mit dem Coronavirus zu verändern, sondern auch dazu, unsere Wirtschaftssysteme wieder als Einheiten zu begreifen, die die ökologischen und sozialen Gräben überbrücken müssen und die dem Wohl aller Lebewesen dienen? Was wäre, wenn wir unsere Superkräfte dazu einsetzen würden, unsere demokratischen Systeme als Entitäten zu begreifen, die die politische Kluft überbrücken, indem wir den demokratischen Dialog in unseren Gemeinschaften direkter, vielfältiger und dialogischer gestalten würden? Was wäre, wenn wir unsere Superkräfte dazu einsetzen würden, Bildung bzw. Lernen als eine Aktivität zu begreifen, die die spirituelle Kluft überbrückt, die uns von unseren Quellen der Kreativität und einer bestmöglichen Zukunft trennt?

9. Co-Kreative Ökosysteme: Upgrade der Betriebssysteme

Der Systemwandel lässt sich unter anderem mit der Analogie eines Smartphones veranschaulichen. Jeder Smartphone-Benutzer weiß, dass man ab und zu ein Upgrade des Betriebssystems durchführen muss, damit das Gerät gut funktioniert. Abbildung 4 zeigt, wie sich die “Betriebssysteme” der Gesellschaft im Laufe der Zeit entwickelt haben. Jeder Sektor hat den gleichen Verlauf genommen: von input-zentriert zu output-zentriert, von dort zu benutzerzentriert und von dort zu ökosystemzentriert. Die letzte Spalte stellt die Entwicklung im Verwaltungssektor dar — d.h. die Entwicklung des Steuerungsmechanismus, mit dem wir ein System “regeln”.

Abbildung 4: Vier Stufen der Evolution von Systemen und vier unterschiedliche Betriebssysteme — dargestellt von Kelvy Bird

Abbildung 4 hebt drei Hauptthemen hervor. Erstens kann man Herausforderungen einer Stufe 4.0 nicht mit Lösungsstrategien lösen, die auf den Betriebssystemen 2.0 und 3.0 basieren. Doch das ist natürlich genau das, was in den meisten Systemen die meiste Zeit über passiert. Zweitens: Wenn man versucht, eine Organisation in den 4.0-Betrieb zu bringen, stellt man fest, dass man das nicht alleine schaffen kann. Man braucht ein ganzes Ökosystem von Partnern. Und drittens hat die Covis-19 Situation die Dringlichkeit erhöht auf die 4.0-Stufe kommen:

  • Bildung und Lernen: Die Möglichkeiten für tiefgreifendes Lernen waren noch nie so gefragt wie heute.
  • Gesundheit: Die Stärkung der Bereiche, die die Gesundheit der Menschen und des Planeten stärken, ist genau das, was die gegenwärtige Situation erfordert.
  • Lebensmittel und Landwirtschaft: Lebensmittel dienen als Medium zur Heilung des Planeten und seiner Menschen. Genau das ist die Philosophie der ökologischen Landwirtschaft, die von lokalen, von der Gemeinde unterstützten landwirtschaftlichen Betrieben vorangetrieben wird.
  • Unternehmerische Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability): Unternehmen, die sich an einem Leitbild der Nachhaltigkeit orientieren — danach hält die ganze Welt Ausschau, doch sie sind immer noch eine rare und “gefährdete” Spezies.
  • Finanzierung/ Haushaltsmittel: Regenerierende und gemischt privat-öffentliche Finanzierungsstrategien, die Finanz- bzw. Haushaltsmittel für die Weiterentwicklung und Neugestaltung des Systems bereitstellen, sind notwendig. Der gesamte Finanzsektor scheint sich an einem tiefgreifenden Wendepunkt zu befinden und von einer wirkungsblinden zu einer wirkungsbewussten Vorgehensweise überzugehen.
  • Bewusstseinsbasiertes kollektives Handeln (Awareness-based collective action = ABC) ist der Nährboden für eine neue, bewusstseinsbasierte Form der Koordination und Steuerung, die bereits vielerorts Fuß gefasst hat.

Der Schlüssel zur Umgestaltung unserer Zivilisation liegt meines Erachtens in unserer Fähigkeit, diese Felder zu bepflanzen und zu bebauen, um sie für co-kreatives Handeln, das aus einem gemeinsamen Bewusstsein entsteht, zu nutzen. Genau dies sind die Saatkörner, die die schlummernden Superkräfte einer im Entstehen begriffenen Bewegung aktivieren werden und eine neue Supermacht hervorbringen wird.

Sobald diese generativen sozialen Felder zu wachsen beginnen, werden sie sich von selbst organisch weiterentwickeln, und wenn das Glück auf unserer Seite ist, werden sie die Funktion von „Landebahnen“ für weitere sich abzeichnende konkrete Möglichkeiten erfüllen.

Die Geburt und rasche Umsetzung der GAIA-Idee ist ein schöner Beweis für die Kraft dieser Prinzipien. Dies sind die Zukunftsfelder, die wir „bestellen“ müssen.

10. Was wir jetzt tun können ist die Saat für die im Entstehen begriffene „Supermacht” zulegen

Was können wir nun tun? Der wichtigste Hebel für einen tiefgreifenden Wandel liegt darin, diese Felder tieferer Verbindung untereinander, mit der Natur und mit uns selbst zu bebauen und zu kultivieren. Die entstehende Supermacht dieses Jahrhunderts hängt mit unserem eigenen Vermögen zusammen, den Fokus der Aufmerksamkeit wieder auf uns selbst zurück zu lenken. Diese Verschiebung unserer Aufmerksamkeit erlaubt es uns, uns selbst durch die Augen des anderen zu betrachten, unseren Blick auf unser Verhalten als Kollektiv gerichtet zu halten und uns unserer eigenen blinden Flecken bewusst zu werden. So können wir schließlich den Verlauf der Kurve verändern, die Zivilisation neu erfinden und sie neu gestalten, um die ökologischen, sozialen und spirituellen Gräben zu überwinden.

Kurz gesagt, ist genau das die Intention der GAIA-Lernreise: Sie soll helfen, den Nährboden zu bestellen. Sie soll genau jetzt die Bewegung des Erwachens hervorbringen, unterstützen und weiter aktivieren.

Besuche die Website: gaiajourney.org.

Hier geht es zum Blogbeitrag aus März: “Acht Lektionen Acht aktuelle Lektionen von Otto Scharmer: Vom Coronavirus zum Klimaschutz“ .

Siehe auch Antoinettes: Blog

Kostenloses Kapitel “Essentials of Theory U“ herunterladen.

Artikel auf Englisch — auf Spanisch auf — auf Chinesisch lesen.

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Sascha Berger

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