Coronavirus: Grundschritte, mit denen jeder auf dem Vulkan tanzen kann

Torsten Cordes
Torsten Cordes
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17 min readApr 25, 2020

Teil 2 von “Coronavirus: Tanzen lernen auf dem Vulkan

Deutsche Übersetzung und Lektorat dieses Originalartikels von Tomas Pueyo.

Quelle: Sneezing and Coronavirus Disease 2019 (COVID-19), Journal of the American Medical Association

In Teil 1 dieses Artikels haben wir gezeigt, welche Wege verschiedene ostasiatische Länder im Kampf gegen das Coronavirus gegangen sind. Dabei zeigten sich einige Muster hinsichtlich der wichtigsten Maßnahmen.

Zeit für ein ausführliches Vertiefen dieser Maßnahmen, um sie besser zu verstehen und um entscheiden zu können, welchen wir folgen sollten. Die einzelnen Maßnahmen können wir vier Bereichen zuordnen:

  1. Finanziell günstige Maßnahmen, die zur Unterdrückung des Coronavirus geeignet sein könnten, wie Masken, Distanzierung, Tests, Kontaktverfolgung, Quarantänen, Isolationen und andere.
  2. Etwas kostenintensivere Maßnahmen, die manchmal notwendig sein könnten, wie Reiseverbote und Beschränkungen für gesellschaftliche Zusammenkünfte
  3. Teure Maßnahmen, die nicht ständig erforderlich sind, wie z.B. pauschale Schul- und Betriebsschließungen.
  4. Kapazitäten im Gesundheitssystem

Wenn wir bei unserem Tanz auf dem Corona-Vulkan zeitgleich den Shutdown lockern und wieder zur Normalität zurückkehren möchten, besteht das Ziel darin, Maßnahmen so zu bündeln, dass sich die Wirtschaft wieder normalisieren kann und gleichzeitig die Übertragungsrate des Virus unter 1 gehalten wird. So verbreitet es sich nicht weiter, bis entweder ein Heilmittel oder ein Impfstoff vorhanden ist.

In diesem Artikel konzentrieren wir uns auf die kostengünstigen und einfachen Maßnahmen, die jeder umsetzen kann, und deren massive Auswirkungen. Beginnen wir mit dem sichtbarsten dieser Maßnahmen: Masken.

Masken

Wie wir im ersten Teil dieses Artikels gesehen haben, sind Masken in Ostasien weit verbreitet: China, Südkorea und Taiwan, in Hongkong und mittlerweile auch in Singapur. Dies sind aber nicht die einzigen Staaten, die sich für Masken entschieden haben. Seit dem 22. April 2020 sind sie in 51 Ländern in bestimmten gesellschaftlichen Bereichen verbindlich vorgeschrieben, darunter Länder wie Deutschland oder Taiwan. Das sind über 25 Prozent aller Staaten:

Detaillierte Angaben zu den Maskenpflicht jedes Staates, mit Dank an das Mask4All-Team.

Diese Staaten haben bereits eine Maskenpflicht. Darüber hinaus befürworten viele weitere Staaten Masken, darunter alle G7-Länder (mit Ausnahme von Italien und Großbritannien). In den USA haben eine Reihe von Städten, darunter New York, Austin, Los Angeles und San Francisco, in den letzten Tagen eine Maskenpflicht verabschiedet.

Dennoch wurde uns bis vor kurzem gesagt, dass wir keine Masken tragen sollen. Auch nach dem 22. April empfiehlt die WHO weiterhin, keine Maske zu tragen, wenn man gesund ist. Und die meisten Staaten schreiben sie immer noch nicht öffentlich vor. Warum? Wer hat Recht?

Um eine Antwort zu bekommen, müssen wir die Zusammenhänge zwischen der Virusverbreitung und der wissenschaftlichen Erkenntnis über das Coronavirus verstehen.

Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Ausbreitung des Coronavirus

Atemwegsinfektionen nutzen Mund und Nase, in denen sie sich über drei unterschiedliche Wege ausbreiten:

  • “Tröpfchen”: Flüssigkeitstropfen, die du aus Mund und Nase ausstößt.
  • “Aerosole”: sehr kleine Partikel, die sich mit der Luft vermischen und dort stundenlang verbleiben können.
  • Oberflächen: Beispielsweise hustet du in die Hand und drückst eine Türklinke, die danach von einer anderen Person berührt wird.

Was das Coronavirus betrifft, dachten viele Wissenschaftler zunächst, dass die häufigste Ansteckung beim Husten durch Tröpfchen erfolgt und dass sie innerhalb weniger Sekunden nach maximal zwei Metern schnell auf den Boden fallen. Wäre dem so, würde das bedeuten, dass du dich hauptsächlich dann infiziert, wenn dir jemand ins Gesicht hustet oder wenn du eine kontaminierte Oberfläche berührst.

Da dir normalerweise niemand ins Gesicht hustet, argumentierten die Behörden, dass der Wert des Tragens einer Maske für Menschen generell gering sei. Bei Angehörigen der Gesundheitsberufe sei der Wert jedoch enorm, da sie häufiger den Tröpfchen erkrankter Patienten direkt ausgesetzt seien — zum Beispiel, wenn sie husten, wenn sie intubiert werden oder in ähnlichen Situationen.

Da nur sehr wenige Masken zur Verfügung standen, entschieden viele Behörden auf der ganzen Welt, sie vorrangig für medizinisches Personal zu verwenden und der übrigen Bevölkerung von ihrer Verwendung abzuraten.

Es war richtig, dem Gesundheitspersonal Vorrang einzuräumen. Aber anstatt zu sagen “Sie sind für das Gesundheitspersonal viel hilfreicher, deshalb ist es richtig, Masken für sie bereitzuhalten”, behaupteten manche Behörden, sie seien nutzlos — oder sogar gefährlich für die Allgemeinheit. Das untergrub die Glaubwürdigkeit dieser Behörden.

Dann wurden die ersten Forschungsergebnisse veröffentlicht.

Dieses Video veranschaulicht wie sich Tröpfchenwolken viel weiter als zwei Meter bewegen können — ohne zu fallen.
Dieses Video veranschaulicht Forschungsarbeiten über Tröpfchen, Tröpfchenwolken und die mögliche Infizierung von Menschen.
Wissenschaftler haben die Geschwindigkeit des Hustens gemessen. Selbst einen Meter vom Mund entfernt bewegen sich die Tröpfchen im Zentrum der Hustenwolke mit etwa einem Meter pro Sekunde (grün). Diese Geschwindigkeiten deuten darauf hin, dass ein Abstand von zwei Metern zu anderen Personen nicht ausreicht, um zu verhindern, dass sich das Virus beim Husten ausbreitet.

Anscheinend konnten die Tröpfchen beim Husten oder Niesen viel weiter als zwei Meter transportiert werden, und sie fielen nicht so abrupt zu Boden. Einige von ihnen sind zwar gefallen, aber viele blieben in der Tröpfchenwolke hängen.

Quelle: Screenshot aus einem der vorherigen Videos, das eine Tröpfchenwolke zeigt.

Dann wurde festgestellt, dass man nicht einmal husten muss. Singen könne genug sein. In einem 60-köpfigen Chor im Staat Washington infizierten sich 45 Mitglieder. Selbst reden könne schon ausreichen:

Oder einfach nur atmen!

Das macht Masken sehr, sehr wichtig. Eine Maske kann Infizierte daran hindern, Tröpfchen auszustoßen, und gesunde Menschen daran, sie zu absorbieren.

Aber es gibt keine Masken! Es gibt weltweit einen Mangel. Die wenigen, die wir haben, sind für medizinisches Personal erforderlich. Was sollen wir tun?

Erfreulicherweise haben einige Forscher herausgefunden, dass man keine professionellen Masken benötigt. Selbstgefertigte Masken eignen sich ebenfalls recht gut.

Achtung: Dies ist nur ein Beurteilungsmaß dafür, ob Masken funktionieren oder nicht. Es gibt viele weitere Messungen. Eine noch detailliertere Betrachtung zeigt dieses Dokument: https://www.preprints.org/manuscript/202004.0203/v1

Dieses bemerkenswerte Dokument (Vorabdruck) untersucht alle Erkenntnisse zur Frage, ob Masken funktionieren oder nicht. Die wichtigste Schlussfolgerung ist, dass sie funktionieren. Das Tragen von Masken kann einen enormen Einfluss auf die Reduzierung der Übertragungsrate haben.

Quelle: LaVision

Zum Schutz gesunder Menschen, aber vor allem für infizierte Menschen bedeutet dies: Das Tragen einer Maske fängt die meisten Tröpfchen auf. Es verhindert außerdem die Bildung einer Wolke, die in der Luft zurück bleibt, wie wir es im Video gesehen haben.

Man könnte sagen: “Perfekt! Sobald jemand krank ist, sollte er eine Maske tragen”. Doch leider wäre das zu spät.

In einer bedeutenden Publikation der Universität Oxford, die in der Wissenschaftszeitschrift “Science” veröffentlicht wurde, wird sehr ausführlich beschrieben, wie sich das Coronavirus von Mensch zu Mensch ausbreitet. Die horizontale Achse zeigt die Tage seit der ersten Infektion, und die vertikale Achse zeigt, wie viele andere Menschen an einem bestimmten Tag auf unterschiedliche Weise infiziert wurden. Am Tag fünf nach der Ansteckung zum Beispiel infizieren die Infektionsträger im Durchschnitt fast 0,4 andere Menschen. Ein Großteil davon kommt direkt von Menschen, die bereits symptomatisch sind oder es bald werden (man nennt sie daher präsymptomatisch. Ein geringer Teil davon wird durch die Umwelt übertragen (wahrscheinlich durch Oberflächen). Noch weniger wird von Menschen übertragen, die das Virus haben, aber keine Symptome entwickeln.

Hieraus wird deutlich, dass etwa die Hälfte der Infektionen von Menschen verursacht wird, die Symptome haben, während die andere Hälfte von Menschen ausgeht, die noch keine Symptome haben. Wenn nur Menschen mit Symptomen Masken tragen, können weniger als die Hälfte der Infektionen verhindert werden. Wenn alle diese Masken tragen, dann könnte man einen Großteil der Infektionen vorbeugend vermeiden.

Jeder sollte eine Maske tragen: Man kann andere Menschen anstecken, bevor man weiß, dass man krank ist.

Wie weit können wir die Reproduktionszahl durch Masken reduzieren? Ganz erheblich.

Nach dem oben dargestellten Modell könnten bereits 60 Prozent der Menschen, die Masken mit einem Wirkungsgrad von 60 Prozent tragen, die Epidemie eindämmen.

Dabei ist ein zusätzlicher Nutzen von Masken noch nicht einmal eingerechnet: Sie verhindern, dass infektiöse Menschen Oberflächen kontaminieren. Durch die fehlende Kontamination können gesunde Menschen diese nicht mehr aufnehmen und das Virus nicht mehr in ihr Gesicht tragen.

Ich kenne dich nicht, aber ich muss sagen, dass ich nicht anders kann: Ich berühre ständig mein Gesicht. Wenn ich hingegen eine Maske trage, kann ich mein Gesicht nicht mehr berühren. Das verringert die Ansteckungsgefahr durch Oberflächen, da meine verunreinigten Hände meine Augen, meine Nase oder meinen Mund nicht mehr berühren können.

Aus diesem Grund ist es sinnvoll, eine Maske zu tragen. Das Tragen einer chirurgischen oder einer N95-Maske sollte man jedoch vermeiden, da die meisten Staaten nicht genügend dieser Masken haben — und die wenigen, die wir haben, sollten für das Gesundheitspersonal vorbehalten sein. Du könntest dir selbst eine anfertigen. Aus welchem Material sollte die Maske sein?

Achtung: Bitte keine Staubsaugerbeutel verwenden. Sie können winzige Glaspartikel absondern, die man später einatmet.

Einige Textilien sind zwar besser als andere, dennoch sind sind die meisten gut geeignet. Als Faustregel gilt: Je weniger ein Stoff Licht durchlässt, desto besser. Man möchte aber auch atmen können. Bereit zur Herstellung einer Maske? Hier eine Anleitung, wie man eine Maske in 40 Sekunden oder noch besser und umfassender anfertigen kann.

Für das Tragen einer Maske ist es auch wichtig zu wissen, wie man sie an- und ablegt, um eine wechselseitige Kontamination zu vermeiden.

Da jeder Mensch ein altes T-Shirt zu Hause hat, müssen selbstgemachte Masken nichts kosten. Behörden hingegen könnten sogar Geld damit verdienen, indem sie Geldstrafen für diejenigen verhängen, die sie nicht tragen. Und: Im Falle einer geringeren Sterblichkeit (durch das Tragen von Masken) kann jede einzelne Maske sogar einen rechnerisch messbaren Beitrag zwischen 3.000 und 6.000 Dollar leisten. Das entspräche einem enormen Nutzwert.

Angesichts dieser Wirkungskraft, der geringen Kosten und der einfachen Realisierbarkeit sind Masken unschlagbar. Selbst wenn das Vertrauen in ihre Bedeutung ehrer gering wäre, wären Masken angesichts der geringen Kosten immer noch eine konkurrenzlos einfache und investitionsarme Unterstützung des gesamten Maßnahmenpakets. Japan hat nicht sehr viele Maßnahmen gegen das Virus ergriffen, und dennoch hat es eine im Vergleich zu anderen Staaten viel geringere Übertragungsrate, da die Bevölkerung die Masken intensiv trägt. Tschechien und die Slowakei, die als erste Staaten in Europa Masken in der Öffentlichkeit vorgeschrieben haben, gehören zu den Staaten mit den positivsten Übertragungsraten in Europa.

Regierungen auf der ganzen Welt sollten das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit verbindlich vorschreiben. Das Nichttragen von Masken sollte angemessen geahndet werden. Unternehmen sollten ihre Mitarbeiter auffordern, Masken zu tragen. Geschäfte sollten es von ihren Kunden verlangen. Wir sollten uns als Gesellschaft weiterentwickeln und Masken nicht als Zeichen einer kranken Person sehen, sondern als Zeichen der Intelligenz und Rücksichtnahme auf den Rest der Gesellschaft.

Und wenn Regierungen es nicht tun, sollten es die Bürger tun. Denn wenn Tschechien in nur drei Tagen die Zahl derer, die in der Öffentlichkeit Masken tragen, von 0% auf 100% gesteigert hat, dann zeigt dies die reale Machbarkeit.

Fazit: Was haben wir über Masken gelernt?

  • Das Coronavirus kann sich nicht nur durch Husten im Umkreis von zwei Metern ausbreiten, sondern auch durch Singen oder Sprechen, und unter Umständen sogar viel weiter als zwei Meter.
  • Viele sind schon ansteckend, bevor sie überhaupt wissen, dass sie krank sind.
  • Das Tragen von Masken verhindert, dass kranke Menschen andere Menschen infizieren, indem die Tröpfchen in der Maske aufgefangen werden.
  • Masken bieten auch gesunden Menschen einen gewissen Schutz vor Infektionen.
  • Man kann innerhalb weniger Tage erreichen, dass die Bevölkerung vollständig selbstgefertigte Masken trägt.
  • Wenn ein Großteil der Menschen selbstgefertigte Masken trägt, die halbwegs wirksam sind, könnte allein diese Maßnahme die Epidemie bremsen.
  • Es ist eines der preiswertesten Mittel, die ein Staat — oder eine Person — nutzen kann.
  • In Anbetracht der Kosten (nichts) und des Nutzens (enorm) lohnt es sich durchaus, sie verbindlich festzulegen.

Dieser vorangehende Abschnitt orientiert sich weitgehend an Erkenntnissen und Quellen von Jeremy Howard, Masks4All und Matt Bells “Deep Dive on Masks”.

Distanzierung, Hygiene und Aufklärung der Öffentlichkeit

Nachdem wir nun wissen, dass sich das Virus durch Husten, Tröpfchenwolken, Oberflächen oder sogar durch Sprechen verbreiten kann, wissen wir, dass wir Masken tragen sollten. Doch vielleicht trägt sie nicht jeder, oder sie sind nicht optimal. Wir können die Ansteckung auch auf andere Weise einschränken, indem wir einfach unser tägliches Verhalten und unsere Lebensbedingungen anpassen.

Da die Infektionen regelmäßig durch andere Menschen verursacht werden, sei es symptomatisch, präsymptomatisch oder asymptomatisch, ist es wichtig, einen direkten und engen Kontakt mit Menschen möglichst zu vermeiden. Dies gilt umso mehr, wenn es sich zusätzlich um einen geschlossenen Raum handelt und dieser enge Kontakt über einen langen Zeitraum stattfindet. In einer solchen Situation genügen zwei Meter wahrscheinlich nicht. Dieses Dokument erklärt die Gründe dafür.

Es zeigt die räumliche Distanz verschiedener Coronavirus-Patienten, die sich gleichzeitig in einem Restaurant in China aufhielten. Sie gehörten drei verschiedenen Familien an und konnten später durch Kontaktrückverfolgung von Infizierten miteinander in Verbindung gebracht werden.

Hier war A1 der einzige Infizierte im Restaurant. Diese Person war präsymptomatisch, zeigte also noch keine Symptome. Später wurden vier Personen aus derselben Familie infiziert, außerdem fünf weitere Personen von zwei anderen Tischen.

Die von den anderen Tischen angesteckten Personen befanden sich entweder in der näheren Umgebung der Infizierten — diese könnten sie durch Tröpfchen infiziert haben — oder im direkten Sichtbereich dieses Patienten in unmittelbarer Distanz. Ob die Ansteckung durch Berührung oder eine Tröpfchenwolke erfolgte, ist nicht bekannt. Sie kam jedoch von A1 und nicht von anderen Mitgliedern des Haushalts, da diese zu diesem Zeitpunkt nicht infiziert waren. Die Familie A befand sich über eine Stunde lang in der Nähe der beiden Familien B und C.

Offensichtlich ist dies eines der entscheidenden Punkte, die es zu vermeiden gilt: längerer, dichter Kontakt in einer geschlossenen Raumumgebung. Wie lässt sich diese Erkenntnisse nutzen?

Zunächst ist es wichtig, Tische in Restaurants räumlich zu trennen und die Distanz zwischen Menschen zu wahren. Der Abstand zwischen den Menschen sollte mindestens zwei Meter betragen — wenn möglich, auch mehr. Und wir sollten es vermeiden, lange und viel zu reden.

Dieses Video zeigt, wie die Rahmenbedingungen in China angepasst wurden. Ein Restaurant benutzt zum Beispiel die Hälfte der Tische als Zwischenraum und erlaubt es den Gästen nicht, zum Essen nebeneinander zu sitzen oder direkt gegenüber zu sitzen.

Beitrag von ausländischen Reportern über soziale Distanzierungsmaßnahmen in Nanjing.

Taxis sind ein weiteres Beispiel eines geschlossenen Raums, in dem der Kontakt mit anderen Menschen aufrecht erhalten werden kann. Masken und Desinfektion sind eine unbestreitbare Voraussetzung, aber vielleicht reicht das nicht aus. Vielleicht sollten wir die Fahrgäste von den Taxifahrern trennen.

Auszug aus dem vorherigen Video. Quelle: “Coronavirus: Von 93 Infizierten auf 0, was hat diese chinesische Stadt getan, um das Virus einzudämmen?”

Fitnessstudios sind ein weiteres Beispiel. Diese Männer markierten Flächen auf dem Boden, um sicherzustellen, dass die Sportler während des Trainings weit voneinander entfernt bleiben und alles haben, was sie zur Desinfektion ihres Trainingsbereichs benötigen. Dieser Abstand reicht vielleicht nicht aus, aber er gibt einen Eindruck davon, was funktionieren könnte.

Wann immer möglich, sollten räumliche Barrieren errichtet werden, um die Menschen voneinander zu trennen. Dieses Starbucks-Geschäft in Taiwan markiert den Boden, um deutlich zu machen, wo die Menschen stehen sollten.

Das Bild stammt aus einem anschaulichen Video. Es zeigt, wie das Leben in Taiwan im Moment aussieht, inklusive Masken, Thermometer, Schulen, Desinfektionsmittel in Aufzügen, Handwaschstationen und anderen Maßnahmen.

Alle Arbeitsumgebungen sollten ähnliche Maßnahmen haben: Menschen so weit wie möglich räumlich trennen, wenn möglich räumliche Barrieren schaffen, gute Luftzirkulation ermöglichen und längeren Kontakt zwischen den Beschäftigten vermeiden.

Für Menschen, die im Büro arbeiten, sollten die gleichen Regeln gelten:

  • Beschäftigte sollten verbindlich Masken tragen.
  • Wer von zu Hause aus arbeiten kann, sollte dies tun. Vor allem diejenigen, die ansonsten öffentliche Verkehrsmittel benutzen müssten, oder diejenigen, die zu einer Risikogruppe gehören, wie z.B. ältere Menschen oder Menschen mit Grunderkrankungen.
  • Überall sollte es Handdesinfektionsmittel geben, und Büros und Arbeitsbereiche sollten sehr häufig gereinigt werden.
  • Vermeidung von Versammlungen. Wenn sie stattfinden müssen, sollte man vermeiden, dass zu viele Menschen zu lange zusammen im Raum bleiben. Zehn-Personen-Sitzungen, die eine Stunde dauern, sind keine gute Idee. Auch Brainstorming oder Workshops mit Kollegen über längere Zeiträume ist möglicherweise keine gute Idee.
  • Vermeide Arbeiten direkt gegenüber von deinen Kollegen und deren Ausatmungsbereich. Versetztes Sitzen oder Stehen kann hilfreich sein.
  • Umgestaltung von Eingängen, so dass ein Gedränge unmöglich wird.
  • Aufzügen mit Handdesinfektionsmittel oder Taschentücher und einem Mülleimer ausstatten, damit Mitarbeiter risikolos den Aufzugknopf drücken können.
  • Räumliche Hindernisse einrichten, dort wo es sinnvoll ist. Wenn Menschen in Versuchung geraten könnten, sich an die Hindernisse anzulehnen, kann es helfen, sie so zu errichten, dass sie unbequem sind — inklusive einer Beschilderung, die ein Anlehnen untersagt.
  • Verschiedene Arbeitszeiten, so dass Mitarbeiter in verschiedene Schichten eingeteilt werden können.
  • Die Betriebskantine kann für eine Essensmitnahme umfunktioniert werden. Die Essensausgabe sollte verlängert werden, damit sich die Mitarbeiter nicht im gleichen Kantinenbereich drängen.
  • Trennung von verschiedene Arbeitsgruppen innerhalb des Unternehmens. Teams, die kontinuierlich zusammenarbeiten und sich nicht mit anderen zusammensetzen, sind weniger anfällig für Infektionen in Bezug auf andere Gruppen, die möglicherweise Krankheitsüberträger haben.
  • Natürlich sollte jeder, der Symptome hat, sofort nach Hause gehen und sich testen lassen. Alle Kontaktpersonen sollten unter Beobachtung oder unter Quarantäne gestellt werden.
  • Hierzu könnte es hilfreich sein, den Überblick über alle arbeitsbezogenen Kontakte zu behalten. Eine Möglichkeit, dies zu tun, besteht darin, jede Kontaktperson in den Kalender einzutragen.
  • Für andere Arbeitsumgebungen, wie z.B. Logistik, zu Hause oder im Freien, gibt es einige weitere Empfehlungen.

Es gibt zahlreiche Dokumentationen, die solche Maßnahmen vorschlagen. Darunter das der US-Bundesbehörde CDC und das der britischen Regierung.

Neben der Berufswelt ist das gesellschaftliche Leben eine weitere Übertragungsquelle. Wie wir bereits in den vorangegangenen Abschnitten gesehen haben, sollte längerer Kontakt beim Reden, Singen oder körperlicher Kontakt vermieden werden.

Vorausgesetzt Menschen kommen nicht aus dem gleichen Haushalt, sollten sie Umarmungen, Küsse, Händeschütteln oder gemeinsames Essen vermeiden. Vermeide Veranstaltungen wie Geburtstage, Hochzeiten oder Beerdigungen. Du könntest Mitmenschen zu Opfern machen, wie dieser Mann aus Chicago, der bei einer Beerdigung 16 andere Menschen infizierte. Drei von ihnen starben.

Diese genannten Vorsichtsmaßnahmen können das Übertragungsrisiko durch andere Menschen auf uns direkt reduzieren. Das ist die höchste Priorität.

Aber wir können uns auch über physische Gegenstände in unserer Umgebung anstecken.

Es ist unwahrscheinlich, dass du dich mit Viren infizieren kannst, die auf deinem Haar, deiner Kleidung oder sogar auf Postpaketen lauern: Sie gelangen in der Regel nicht dorthin, und wenn doch, überleben sie wahrscheinlich nicht allzu lange. Wenn du dich nicht mit anderen Menschen direkt umgibst, ist eine Ansteckung im Freien ebenfalls unwahrscheinlich, besonders bei Sonnenlicht.

Was jedoch passieren kann: Man kann sich durch Berühren einer kontaminierten Oberfläche über die Hände anstecken. Deshalb ist es entscheidend, nicht das Gesicht zu berühren, sondern sich zusätzlich die Hände zu waschen.

Sowohl das Händewaschen als auch die Säuberung mit Desinfektionsspray funktionieren, wobei das richtige Händewaschen als besser beurteilt wird.

So wirkt Seife, um das Virus abzutöten:

Quelle: Madeline Marshall/Nicole Finateri/Vox

Viren haben eine fettreiche Oberfläche, auf der Seife genauso haften bleibt wie auf normalem Fett, wenn du dein Geschirr reinigst.

Dieses kurze Video veranschaulicht, wie man sich die Hände gut waschen kann und warum:

All diese Maßnahmen können die Ausbreitung des Coronavirus eindämmen. Wir wissen nicht, welche davon wie viel beitragen, und wir werden es vielleicht nie wissen. Aber das ist unsere beste Möglichkeit, basierend auf dem, was wir über das Virus wissen.

Folglich sollten Bürger, Unternehmen und Regierungen diese Maßnahmen mit Hilfe von Aufklärungskampagnen und Umsetzungsmaßnahmen vorantreiben.

Im Zusammenhang mit der Aufklärung verschicken zum Beispiel viele Regierungen mehrmals täglich Textnachrichten an die gesamte Bevölkerung. Durch dieses Medium und durch nationale Massenmedien können sie die Kernbotschaften immer und immer wieder vermitteln.

Kinderfernsehen: China ist von solchen Nachrichten zur gesellschaftlichen Distanzierung regelrecht überflutet worden, so dass ein Kind des betreffenden Autors in den letzten Wochen erklärte: “Ich hasse diese neuen Werbespots”. Foto von Christopher Thomas. Über ThinkGlobalHealth.

Für eine zusätzliche Steigerung der Akzeptanz ist es möglich, Bußgelder für diejenigen zu verhängen, die diese Regeln nachweislich missachten. Dies wird zum Beispiel in Taiwan praktiziert.

Unternehmen passen in der Regel ihre Arbeitsbedingungen an und sollten so weit wie möglich Telearbeit verlangen. Dies gilt auch vor allem für die medizinische Versorgung, beispielsweise Arztpraxen. Dieser Aspekt verdient einen kurzen Einblick.

Beschäftigte im Gesundheitswesen sind sowohl wichtige Akteure im Kampf gegen das Virus als auch diejenigen, die am meisten gefährdet sind, sich anzustecken. Viele Maßnahmen können dazu beitragen, das Risiko zu verringern. Aber die beste Lösung liegt darin, überhaupt keinen Kontakt zu haben. Das bedeutet, so viele Arztgespräche wie möglich aus der Ferne zu führen.

Tweet von Bob Wachter vom US-amerikanischen UCSF-Krankenhaussystem, einem der führenden weltweit. Der Tweet zeigt den starken Anstieg der Videosprechstunden, die das Krankenhaus seit Beginn der Coronavirus-Epidemie zu verzeichnen hat. Mehr als die Hälfte der Patienten-Sprechstunden finden mittlerweile über Videogespräche statt.

Abgesehen von der Reduktion von Ansteckungen im Krankenhaus verringert die Telemedizin auch die Belastungssituation in Krankenhäusern und Wartezimmern. Außerdem ist die Telemedizin eine Möglichkeit, die Patienten dazu zu bewegen, sich zu Hause um sich selbst zu kümmern. Sie werden mit Pulsoximetern zur Messung der Sauerstoffsättigung und Herzfrequenz oder mit digitalen Stethoskopen nach Hause geschickt, damit sie ihre Krankheitsverläufe überprüfen und sich bei auftretenden Symptomen in Selbstisolation begeben können. Diese Methode ist auch geeignet, um Patienten, die glauben, dass sie krank sein könnten, deren Symptome aber nicht mit denen des Coronavirus übereinstimmen, frühzeitig zu diagnostizieren.

Einige Länder wie die USA verfügen bereits über einen guten rechtlichen Rahmen für die Telemedizin. Andere, wie die EU, werden es schwieriger haben. Aber unter den gegebenen Umständen lohnt es sich, ihn anzupassen.

Temperaturkontrollen?

Die letzte Maßnahme, die dieser Artikel thematisiert, sind die Temperaturkontrollen.

Erstens: Temperaturkontrollen funktionieren nur bei Menschen, die Symptome haben — und das sind, wie wir heute wissen, nur etwa die Hälfte der Fälle. Von ihnen haben nicht alle Fieber. Temperaturkontrollen werden nicht mehr als etwa 50 Prozent der Infizierten erfassen können.

Dennoch testen unter anderem China und Taiwan an vielen Orten am Eingang die Temperatur von Menschen. Diese Thermometer berühren die Haut nicht, um eine Oberflächenkontamination zu vermeiden. Leider funktioniert so ein Mittelmaß nicht so gut. 45 Prozent der Kranken haben sie passieren lassen, und gleichzeitig waren 97 Prozent der Menschen, die sie zurückgewiesen haben, nicht wirklich krank. Zur Veranschaulichung dieser Zahlen hier ein kurzes Modell und eine Illustration des Problems:

Das Thermometer kann so eingerichtet werden, dass es noch viel mehr kranke Menschen erfassen kann — aber das würde in der Größenordnung der gesunden Menschen liegen. Wenn ein Thermometer z.B. auf eine 90-prozentige Sensitivität und eine 90-prozentige Genauigkeit eingestellt ist, könnte man zwar 90 Prozent der Menschen mit Fieber erkennen. Man wird aber auch zu der Einschätzung neigen, dass 10 Prozent der Menschen, bei denen kein Fieber festgestellt wurde, dennoch Fieber hatten. Wenn beispielsweise 0,1 Prozent der Personen Fieber haben und einen Kontrollpunkt passieren wollen, dann bedeutet das, dass für jede kranke Person, die keinen Zutritt erhält, auch etwa 100 gesunden Personen der Zutritt verwehrt wird. Und denke daran: 50 Prozent der Infizierten gehen immer noch hinein, weil sie einfach keine Symptome haben.

Möglicherweise würde es sich trotzdem lohnen, wenn es nicht so kostspielig wäre — schließlich wird auch viel Personal benötigt, das z.B. die Thermometer bedient und an den Kontrollpunkten tätig ist. Wenn die Mitarbeiter auch noch andere Aufgaben übernehmen würden, wie z.B. Personen mit Fieber zur Untersuchung zu überweisen oder für die Kontrolle anderer Maßnahmen — wie beispielsweise Masken — zu sorgen, dann könnte sich der Einsatz lohnen. Aber andernfalls ist es eine sehr kostspielige Methode, um nur wenige Kranke filtern zu können.

Viel bessere — und teurere — Thermometer, wie sie auf Flughäfen eingesetzt werden, könnten die Zahlen ändern, aber unabhängig davon ist es nicht sicher, ob diese Massnahme wirklich geeignet ist.

Zusammenfassung

Es gibt Maßnahmen, die von Bürgern, Unternehmen und Regierungen ergriffen werden können, um die Übertragungsrate des Coronavirus massiv zu senken. Jeder Einzelne sollte aktiv werden:

  • Selbstgefertigte Masken tragen.
  • Händewaschen.
  • Vermeidung zu langer Aufenthalte in der Nähe von Menschen, die sich unterhalten oder singen.
  • Keine Veranstaltungen und andere gesellige Zusammenkünfte, besonders wenn sie mit Menschen aus anderen Lebensbereichen und anderen Netzwerken stattfinden.
  • Abstand zu Menschen halten. Mindestens zwei Meter. Im Idealfall mehr. Nicht direkt neben anderen Menschen sitzen.
  • Anpassung der Unternehmensumgebung, so dass es für die Menschen viel schwieriger wird, sich untereinander zu begegnen.

Im dritten Teil dieses Artikels werden wir auf vier Maßnahmen eingehen, die Regierungen relativ kosteneffizient umsetzen können und die einen enormen Einfluss auf die Reduzierung der Übertragungsrate haben können: Testverfahren, Rückverfolgung von Kontakten, Isolierungen und Quarantänen.

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Dies ist Teil 2 unseres Artikels “Coronavirus: Tanzen lernen auf dem Vulkan”.

In Teil 1 diskutieren wir bewährte Praktiken aus Taiwan, Singapur, China und Südkorea.

In Teil 3 befassen wir uns mit Tests und der Ermittlung von Kontaktpersonen.

In Teil 4 wird es um Isolationen und Quarantänen gehen. In Teil 6 werden wir all dies zusammenfassen.

In Teil 5 befassen wir uns ausführlich mit Reisebeschränkungen und damit, was Staaten unternehmen können, um ihre Wirtschaft ohne neue Ausbrüche wieder zu öffnen.

In Teil 6 werden wir all dies zusammenfassen.

Wir werden zu jeder dieser Fragen spezifische Informationen geben, einschließlich einer Warnung: Die meisten Länder gehen nicht gut mit der Ermittlung von Kontaktpersonen um. Wenn sie ihren derzeitigen Weg fortsetzen, könnten sie wie Singapur enden.

Dies war eine massive Teamarbeit mit der Hilfe Dutzender von Menschen, die Recherchen, Quellen, Argumente und Feedback zu Formulierungen geliefert, meine Argumente und Annahmen in Frage gestellt und mir widersprochen haben. Besonderer Dank gilt Carl Juneau, Genevieve Gee, Matt Bell, Jorge Peñalva, Christina Mueller, Barthold Albrecht, dem Masks4All-Team, Jeremy Howard, Elena Baillie, Pierre Djian, Yasemin Denari, Eric Ries, Shishir Mehrotra, Jeffrey Ladish, Claire Marshall, Donatus Albrecht und vielen anderen. Ohne sie alle wäre dies nicht möglich gewesen.

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Torsten Cordes
Torsten Cordes

German journalist, editor and author since 1991 /// Publishing, Selfpublishing, Coronavirus /// My Amazon author page: https://amzn.to/37T9bgv