3D-Druck: Hype oder Schlüsseltechnologie der Zukunft?
Mit diesem Beitrag schließen wir unsere fünfteilige Serie über das Thema 3D-Druck. In vergangenen Artikeln haben wir über Einsatzgebiete gesprochen und die Technik vorgestellt. Wir kennen nun gängige Druckverfahren, die notwendigen Softwareanwendungen und haben einen Blick auf die am häufigsten verwendeten Druckmaterialien geworfen. Für interessierte Neueinsteiger gibt es einen Ratgeberartikel. Darin stellen wir die wichtigsten Fragen, die man sich vor dem Kauf eines eigenen Druckers beantworten sollte.
In diesem abschließenden Beitrag schauen wir in die Zukunft. Was ist in den nächsten Jahren von der 3D-Druck-Technologie zu erwarten? Forschung und Entwicklung sind rasant. Die Verfahren werden immer ausgeklügelter, die Drucker leistungsstärker und die Materialien immer vielseitiger.
3D-Druck verändert Produktion und Warenströme
Seit einigen Jahrzehnten werden die meisten Verbrauchsgüter in zentralen Produktionsstätten hergestellt, vermehrt in Billiglohnländern in Fernost. Dieser Trend könnte sich durch eine flächendeckende Verbreitung von 3D-Druckern in bestimmten Bereichen wieder umkehren.
Unternehmen stellen die digitalen Druckdateien ihrer Produkte online zur Verfügung. Schon heute gibt es für private Anwender buchstäblich Millionen von Druckvorlagen — oft sogar kostenlos. Dieses Prinzip ließe sich problemlos auf diverse Produktbereiche im professionellen Umfeld übertragen. Kunden laden sich die Dateien kostenpflichtig aus dem Netz und drucken sie mit dem heimischen 3D-Printer aus. Da kann, was Preis und Liefertempo angeht, selbst Amazon Prime nicht mithalten.
Unternehmen, Umwelt und Verbraucher profitieren von dezentralisierter Produktion mit 3D-Druckern
Aus diesem Szenario ergibt sich eine Triple-Win-Situation:
Unternehmen sparen Material-, Produktions-, Lager- und Transportkosten. Zudem werden sie unabhängiger von Zulieferern und Logistik, was mit Blick auf die Covid19-Pandemie ein riesiger Wettbewerbsvorteil sein kann.
Die Umwelt wird entlastet durch abnehmende Warentransporte und weniger CO2-Ausstoß. Ein weiterer positiver Effekt wäre der sinkende Einsatz von Rohstoffen — Stichwort Kreislaufwirtschaft. Schon heute gibt es recyclingfähige Druckmaterialien. Durch biologisch abbaubare Materialien kann auch jede Menge Müll vermieden werden.
Verbraucher profitieren ebenfalls. Sie halten gekaufte Produkte innerhalb weniger Stunden in der Hand und das zu einem — zumindest theoretisch — günstigeren Preis. Denn die unternehmensseitig eingesparten Kosten könnten an die Kunden weitergegeben werden. Und wenn ein Kunde eine Druckdatei einmal gekauft hat, lässt sich ein Produkt beliebig oft herstellen.
Zukunft ist schon da
Was nach Zukunftsmusik klingt wird von einigen Unternehmen bereits real gelebt. So arbeiten die Firmen FormLab und Sennheiser an via 3D-Druck personalisierten In-Ear-Headphones. Beim schwedischen Möbeldealer Ikea werden im Rahmen des Projekts ThisAbles eigene Produkte durch Zusatzteile aus dem 3D-Drucker für bewegungseingeschränkte Menschen zugänglicher gemacht. Einige Druckerhersteller bieten Druckdateien für Ersatzteile oder Aufrüstungs-Kits der eigenen Geräte.
Ganz findige DIY-Künstler holen sich die zum Drucken notwendigen Daten einfach aus den 3D-Zeichnungen von detaillierten Produktseiten, wie beispielsweise hier für Schrauben. Doch Vorsicht — das ist rechtlich gesehen zumindest ein Graubereich.
Marktdurchdringung schreitet voran
Ob und wie schnell dieser Paradigmenwechsel hin zu dezentraler Produktion vonstatten geht, hängt von der weiteren Verbreitung der 3D-Drucker ab. Diesbezüglich zeigen die Prognosen einen eindeutigen Trend. Die Nachfrage steigt rasant, trotz oder vielleicht sogar wegen Corona. So hat der tschechische Druckerhersteller Prusa im vergangenen Jahr erstmal über 100.000 Geräte verkauft, ein Plus von gut 30 Prozent gegenüber 2019.
Eine Vorhersage der Marktforscher von SmartTech Analysis erwartet im laufenden Jahr 2021 allein im Special-Interest-Bereich Dentalmedizin einen 3D-Druckumsatz von 3,1 Milliarden Dollar. Das Umsatzwachstum soll sich fortsetzen. So rechnet ein aktueller Marktbericht von Industry Research in den kommenden drei Jahren mit jährlichen Wachstumsraten von knapp 40 Prozent weltweit.
Zusätzliche Anwendungsgebiete für 3D-Druck
Die steigende Marktdurchdringung erschließt auch weitere neue Anwendungsgebiete, wie die Herstellung von Batterien mittels 3D-Druck. Diese Batterien der deutschen Firma Blackstone Technology sollen laut Hersteller eine bis zu 25 Prozent höhere Energiedichte haben als herkömmliche Lithium-Ionen-Akkus. Das eigens dafür patentierte Produktionsverfahren ist umweltschonend und verzichtet beispielsweise auf Kobalt und Nickel. Die Batterien sind einsetzbar in Elektrorollern, E-Bussen, Drohnen oder in 5G-Netzwerken.
Smarte Medikamente und Medizintechnik
Über das Herstellen von Aufbissschienen, zum Beispiel durch unseren Kunden DMG, oder Implantaten für Knochen und Haut haben wir bereits im ersten Artikel unserer Serie gesprochen. Doch Forschung und Entwicklung gehen auch im medizinischen Bereich weiter. So gibt es ein im 3D-Drucker produziertes Medikament gegen rheumatische Arthritis, dass durch seine spezielle innere Struktur die Wirkstoffe zeitverzögert freigibt. Dadurch verbessert sich laut des chinesischen Herstellers Triastek die Wirksamkeit und gleichzeitig werden Nebenwirkungen reduziert.
Deutliche Erleichterung für Diabetiker könnte ein elektrochemischer Ring bringen, der auf Basis eines leitfähigen Filaments gedruckt wird. Damit wird der Blutzuckerspiegel über den Schweiß gemessen, nicht wie bisher über einen kleinen Bluttropfen. Das erspart Erkrankten den unangenehmen Stich in den Finger. Der im Ring gemessene Wert wird via Funk ans Smartphone weitergeleitet. Dieses Projekt der National and Kapodistrian University of Athens befindet sich im Moment noch im Forschungsstadium.
Futter aus dem Drucker
Lebensmitteln aus dem 3D-Drucker wird ein großes Wachstumspotenzial vorausgesagt. Das hat mehrere Gründe.
Zum einen wächst die Weltbevölkerung stetig weiter und wird sehr bald die acht Milliardengrenze überschreiten. Schon heute leiden über 800 Millionen Menschen an Hunger. Gleichzeitig schrumpft durch den Klimawandel die landwirtschaftliche Nutzfläche. Hier könnte Essen aus dem Drucker helfen.
Zum anderen wollen besonders junge Menschen aus ethischen und umwelttechnischen Gründen gern auf Fleisch verzichten. Für Fleischersatzstoffe auf pflanzlicher Basis gibt es einen großen Markt. Das interessiert auch Investoren. So sammelte das israelische Unternehmen Redefine Meat Anfang Februar in der A-Finanzierungsrunde rund 24 Millionen Euro ein.
Zum dritten hat, wer sein Essen selbst zu Hause selbst produziert und zubereitet, die volle Kontrolle über die Zutaten. Gerade auch in unserer westlichen Welt sind Fast-Food, versteckte Fette, Zucker und künstliche Ersatzstoffe in industriell hergestellten Nahrungsmitteln ein großes Problem, das Adipositas, Diabetes und andere Zivilisationskrankheiten verursacht. Einfacher wäre die Ernährung auch für Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten.
Essen aus dem Drucker könnte also viele Probleme lösen. Es wird sicher noch etwas dauern, bis ein 3D-Drucker, wie das Gerät von Natural Machines auf dem Foto, zur normalen Küchenausstattung zählt, aber die Aussichten sind vielversprechend.
Heavy Metal — Mehr Belastung geht nicht
Was Härte und Belastbarkeit von 3D-Druckobjekten angeht haben Forscher des Korean Atomic Energy Research Institute neue Maßstäbe gesetzt.
Sie erstellten kürzlich ein 30 Kilogramm schweres Sicherheitsventil, das zur Druckentlastung eines Reaktorkerns in einem Atomkraftwerk dienen soll. Welche Belastungen dieses Bauteil in Test bestehen muss, erfahrt ihr hier.
Wohnen im 3D-Eigenheim
In den USA werden gerade die ersten im 3D-Druck-Verfahren erstellten Eigenheime verkauft. Für 300.000 Dollar gibt’s drei Schlafzimmer und zwei Bäder auf 130 Quadratmetern plus Doppelgarage und 50 Jahren Garantie. New York ist quasi um die Ecke. Jemand Interesse? Dann gibt es hier jede Menge Bilder und einen virtuellen Rundgang.
Turbo-Drucker: Druckverfahren und -materialien werden stetig optimiert
Doch es kommen nicht nur ständig neue Anwendungsgebiete dazu. Auch Drucker, Materialien und Druckverfahren entwickeln sich rasant weiter.
Wissenschaftler an der Northwestern’s McCormick School of Engineering haben einen neuen SLA-Printer entwickelt. Dieser druckt nicht nur unfassbar schnell, sondern auch sehr komplexe Strukturen. Erreicht wird das durch Einsatz eines sechsachsigen Hochpräzisions-Roboters, mit dem während des Druckprozesses ständig die Druckrichtung angepasst werden kann. Genauere Infos zu diesem Projekt gibt es auf dieser Seite.
Auf Basis eines neuen Harzes hat ein Forscherteam aus der Schweiz mit dem DLP-Verfahren ein bioresorbierbaren Stent für Atemwegserkrankungen hergestellt. Diese Stents können nach einem CT individuell für jeden Patienten gedruckt werden.
Sie passen also perfekt und lösen sich mit der Zeit auf. Bisherige biologisch abbaubare Druckmaterialien waren von der Oberfläche eher spröde und inflexibel und dadurch für Atemwege nicht geeignet. Die Objekte aus dem neuentwickelten Harz sind flexibel und haben eine glatte Oberfläche. Bisherige Tests verlaufen vielversprechend.
Fazit: Gekommen, um zu bleiben und zu wachsen
Um auf unsere Ausgangsfrage zurückzukommen: Ist 3D-Druck eher ein Hype oder eher eine zukünftige Schlüsseltechnologie? Die Wahrheit liegt — wie so oft — in der Mitte. Klar ist, der vor Jahren von einigen prognostizierte Siegeszug der 3D-Druck-Technologiein in allen nur denkbaren Lebensbereichen ist bislang ausgeblieben.
Klar ist aber auch: Die 3D-Druck-Technologie hat ein enormes Potenzial, viele Bereiche unseres Lebens positiv zu verändern. Das ist in unserer kleinen Serie deutlich geworden. Die Technologie ist gekommen, um zu bleiben. Wir werden sie auf jeden Fall im Fokus behalten und bei passenden Anwendungsfällen in unsere digitale Produktentwicklung integrieren.
Hier gehts zu allen Artikeln:
- Einleitung: 3D-Druck eröffnet faszinierende Möglichkeiten
- Technik I: 3D-Druck: Druckverfahren und Software
- Technik II: 3D-Druck: Drucker und Druckmaterial
- Ratgeber: Diese Fragen solltest du dir vor dem Kauf eines 3D-Druckers beantworten
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