Wenn ein YouTube-Channel Transformation bedeutet

Manuela Baldauf
BR Next
Published in
4 min readDec 20, 2022

Mit „Lohnt sich das?“ betritt der BR Neuland — immer wieder. Der jüngste Schritt: Wir haben den erfolgreichen YouTube-Kanal mit zahlenverliebten Berufsreportagen ins Herz der BR Wirtschaftsredaktion integriert. Wie es dazu kam und was Entwicklungs-Redaktionsleiterin Manuela Baldauf vom Format gelernt hat, verrät sie hier.

„Lohnt sich das?“ ist für uns Neuland — immer wieder: 2018/2019 entwickelten wir zusammen mit den damaligen Volontär:innen nicht nur einen sehr erfolgreichen YouTube-Kanal, sondern auch unseren Formatentwicklungsprozess selbst, unser „großes Besteck“ mit dem wir seither zielgruppengerecht digitale Inhalte kreieren, testen und weiterentwickeln.

Neuland war für uns auch, nicht nur das Format selbst zu entwickeln, sondern auch die Pilotredaktion dahinter — mit schlanken Prozessen, tollen Autor:innen und VJs, die nicht nur drehen sondern auch schneiden. Das erforderte viel Flexibilität, denn: Wir mussten Workflows abseits des Fernsehstandards finden. Für den YouTube-Look war uns dabei die enge Zusammenarbeit von Mediengestalter:innen und Motion Designer:innen sehr wichtig. Durch den Einsatz von Premiere und After Effects beispielsweise haben wir den Spagat geschafft, um den schnellen und sich ständig ändernden Prozessen gerecht zu werden. Es entstanden Templates, die sich problemlos zwischen Premiere und After Effects austauschen lassen.

Gestartet im neuen Normal

Gelauncht haben wir den LSD-Channel im März 2020. Ja richtig, genau in dem Monat, in dem Covid-19 volle Fahrt aufnahm. In der Publikationswoche des ersten Videos landete das komplette Team (mit dem Rest von Deutschland) im Lockdown. Was sich am Anfang wie eine kleine Katastrophe angefühlt hat, war eine Chance: Das neue Team — allen voran die superpragmatische Projektleiterin Anna Siefert — stellte alle Prozesse umgehend auf remote um — wir nutzten die Tools, die wir aus den anderen Entwicklungsteams bereits kannten.

Das LSD-Team wurde Testredaktion im BR für die cloudbasierte Videoplattform frame.io. Das Tool avancierte in den vergangenen Jahren zu einem meiner persönlichen Lieblingstools: Redaktionelle und Schnitt-Abnahmen lassen sich dadurch hervorragend remote erledigen. Wenn die Zeit drängt, sogar gleichzeitig!

Durch den Pandemie-Start ist die LSD-Redaktion für mich zum Prototypen eines hybrid arbeitenden Teams geworden: Präsenz zeigt es immer da, wo es notwendig ist, der Rest läuft ortsunabhängig, aber mit festen Rhythmen. Und man kann vom LSD-Team lernen, wie schön es ist, sich in echt zu sehen: Durch den hohen Anteil von Remote-Arbeit feiern die Kolleg:innen die Begegnung im echten Leben ganz besonders.

Gute Geschichten gehen auf allen Plattformen

Entwickelt haben wir „Lohnt sich das“ zwar vor allem mit Blick auf Zielgruppen, die sich gern auf YouTube tummeln — publiziert wird das Format aber auch auf vielen eigenen Plattformen wie der ARD Mediathek, linear auf ARD alpha, im BR Fernsehen in der Abendschau und im Wirtschaftsmagazin „mehr/wert“. Am Anfang haben wir die Filme für die Magazinsendungen des BR Fernsehens angepasst und von der durchschnittlichen YT-Länge von rund zehn Minuten auf fünf Minuten gekürzt. Allerdings zeigte sich, dass gute Geschichten und tolle Protagonistinnen auch im linearen Fernsehen funktionieren. Besonders berührend war die Zuschrift einer Zuschauerin, die sich freute, dass sie jetzt weiß, wer die Gaming-Musik ihrer Enkel komponiert.

Die netteste Community der Netzwelt

Die Zuschauerreaktionen — auf YouTube natürlich vor allem in Kommentarform direkt unter dem Video — sind das schönste an diesem besonderen YouTube-Channel. Es ist eine Binsenweisheit, dass ein YT-Kanal nur mit Hilfe der Community nachhaltig entwickelt werden kann. Trotzdem war es für mich bei inhaltlichen Entscheidungen eine Umstellung, denn als Redaktionsleiterin glaubt man manchmal, dass man ganz gut weiß, was das Publikum will. Und dann klicken die Zuschauer halt komplett anders als gedacht. Sobald ein Video publiziert wird, lese ich deshalb immer als erstes die Kommentare. Und das macht bei „Lohnt sich das“ richtig Spaß, denn eine so nette und wertschätzende Community wie dort habe ich bisher nicht kennengelernt.

Deshalb fällt mir der Abschied von „Lohnt sich das“ und seinen freundlichen Nutzer:innen nicht leicht. Aber wir haben gelernt, dass das Wachstum in einer Entwicklungsredaktion wie bei BR Next begrenzt ist — besser Gedeihen kann LSD dort, wo viel wirtschaftliche Fachexpertise existiert und zahlreiche Inhalte Tag für Tag produziert werden.

Deshalb haben wir das Team gezielt in den Programmbereich “Politik und Wirtschaft” entwickelt. Nicht nur die Pilotredaktion samt Teamlead, sondern auch die Projektleiterinnen Anna Siefert und Katrin Nachbar wechselten aus der Entwicklungs- direkt in die Wirtschaftsredaktion, inklusive vieler Kennenlern- und Abstimmungsrunden.

Seit Oktober 2022 nehme ich deshalb keine LSD-Filme mehr ab, mein Arbeitsalltag ist dadurch ein klitzekleines bisschen weniger bunt geworden. Aber hier kommt meine letzte Erkenntnis: Lohnt sich das? macht mir auch als Zuschauerin ohne Hintergrundwissen wirklich Spaß. Jede Woche am Donnerstag, um 15 Uhr!

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Manuela Baldauf
BR Next
Writer for

Digitaljournalistin, leitet die digitale Entwicklungsredaktion des BR