Tom Kaiser
Marcau Partners
Published in
7 min readMay 8, 2020

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CVC-Serie Kapitel 2: Aufbau einer erfolgversprechenden CVC-Einheit

Foto: Edvin Richardson

Im ersten Kapitel unserer Serie zu Corporate Venture Capital (CVC) haben wir über das Zusammenspiel der verschiedenen Innovationsinstrumente geschrieben und wie sich eine CVC-Einheit in die Innovations-Roadmap einfügt. Bevor nun eine CVC-Einheit zur Startrampe gefahren wird, lohnt es sich, folgende Fragen zu beantworten:

  • Mit welchem Mandat ist die CVC-Einheit unterwegs?
  • Welche Rahmenbedingungen sind für den Aufbau der CVC-Einheit entscheidend?
  • Wer baut die CVC-Einheit operativ auf und welche Fähigkeiten sind nötig?

Mit welchem Mandat ist die CVC-Einheit unterwegs?

Eine CVC-Einheit darf nie «l’art pour l’art» sein, also eine Aktivität ohne Anknüpfpunkte zum eigenen Geschäft. Sie ist weder ein Allheilmittel gegen einen von der Geschäftsleitung wahrgenommenen Innovationsstau im eigenen Unternehmen noch ein Spielplatz für aufstrebende Manager, denen man ein wenig «Silicon Valley Spirit» einimpfen möchte.

Idealerweise übernimmt der CEO des Unternehmens die «Patenschaft» für das CVC-Projekt und definiert dessen strategisches Mandat zusammen mit der Geschäftsleitung. Dieses Mandat leitet sich aus den Hauptherausforderungen bei der (digitalen) Transformation des Unternehmens ab. Vielfach sind dies Veränderungen oder Erweiterungen des bestehenden Geschäftsmodells. Bei einem Medienunternehmen kann dies bspw. das Ziel sein, die Abhängigkeit von rein werbebasierten Geschäftsmodellen zu reduzieren und stärker neue Paid Content- und Subscription-Modelle (siehe «Spotify») ins Visier zu nehmen. Bei den Online-Marktplätzen wiederum stehen neue Modelle im Vordergrund, die neben der reinen Bewerbung eines Angebots (Auto, Immobilie etc.) die gesamte Transaktion im Auge haben. Vielfach stehen auch der Zugang zu neuen Zielgruppen oder zu neuen Kanälen im Vordergrund (bspw. «Direct-to-consumer» im klassischen Retailgeschäft).

Im Unterschied zum häufig opportunistischen Investitionsverhalten eines klassischen VC basiert der Investitionsschwerpunkt eines CVC also auf klar formulierten Hypothesen, die dem strategischen Mandat entspringen. Diese Hypothesen werden nicht nur einmal zum Start der CVC-Aktivität erarbeitet, sondern permanent mit der CVC-Einheit weiterentwickelt, die darauf ausgerichtet die potenziellen Startup-Beteiligungen identifiziert.

Diese Hypothesen sollen die Zukunft antizipieren und befassen sich eher mit der Aussenwelt des Unternehmens und erst in zweiter Linie mit Technologien oder den Produkten des eigenen Unternehmens. Drei konkrete Beispiele dazu:

  • These 1: Infolge der COVID-19 Krise werden sich Konsumenten noch stärker auf online bestellbare Güter ausrichten. Dies trifft in vermehrtem Masse auch auf die ältere Bevölkerung zu. Dieses Kaufvolumen fehlt im klassischen Handel dauerhaft.
  • These 2: Das Auto verliert seine Stellung als Statussymbol, v.a. bei jüngeren Generationen. Im Vordergrund stehen vielmehr die ineinandergreifenden Mobilitätsangebote und deren allgegenwärtige Verfügbarkeit.
  • These 3: Die steigende Lebenserwartung und das verfügbare Einkommen zu Beginn des Rentenalters verändern Konsumgewohnheiten, führen aber auch zu erhöhtem Beratungsbedarf, wie der dritte Lebensabschnitt gestaltet werden kann.

Auf Basis des strategischen Mandats und der entwickelten Hypothesen erfolgt dann die Ableitung der Investitionsstrategie für die CVC-Einheit, die für die konkrete Investitionsplanung von zentraler Bedeutung ist:

  • Themenfokus (Industrien, BtoC/BtoB etc.)
  • Regionale Aufteilung (DACH, EU, Global)
  • Entwicklungsphase der Startup-Unternehmen (Seed, Series A/B/C etc.)
  • Allokation der Mittel (Anteile Initial- und Folgeinvestments)
  • Durchschnittliche angestrebte Höhe der Unternehmensanteile pro Startup
  • Investitionszeiträume (1. Investition — Portfolio Management — Exit)

Im 3. Kapitel: Ringier Digital Ventures — Teil der digitalen Transformation eines Medienunternehmens zeigen wir die konkrete Ausgestaltung einer CVC-Investitionsstrategie exemplarisch auf.

Welche Rahmenbedingungen sind für den Aufbau der CVC-Einheit entscheidend?

Die für eine CVC-Einheit zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel definieren den Rahmen der Aktivität. Die Höhe der notwendigen Mittel leitet sich direkt aus der vorher definierten Investitionsstrategie ab. Vereinfacht gesagt: Die Anzahl der gehaltenen Beteiligungen, die dafür notwendigen Initial- und Folgeinvestitionen sowie die durchschnittliche Unternehmensbewertung bezogen auf das jeweilige Entwicklungsstadium des Startups bestimmen die «Fund-Grösse». Dazu kommen die Kosten für den operativen Betrieb (Team, Infrastruktur, Administration, Governance). Grob gesagt ergeben sich über einen Zeitraum von 8–10 Jahren Mindestinvestitionen für ein Frühphasen-Portfolio in Höhe von EUR 25–30 Mio. und für ein Series A/B Portfolio von EUR 50–75 Mio.. In dieser Grössenordnung geplant erlangt die CVC-Einheit auch eine gewisse Glaubwürdigkeit in der Aussenwirkung, steht sie doch immer auch im Wettbewerb mit zunehmend grösser werdenden, etablierten VC-Funds (eine interessante Marktübersicht dazu von Atomico: «The State of European Tech 2019»). In einzelnen Branchen können diese Mindestwerte auch deutlich höher liegen.

Ebenso wichtig wie der finanzielle Rahmen ist jedoch das «Mindset», mit der ein CVC-Einheit im Corporate-Kontext betrieben wird. Ohne Verankerung der CVC-Einheit an der Unternehmensspitze ist das Projekt zum Scheitern verurteilt. Es muss insbesondere der Geschäftsleitung bewusst sein, dass eine CVC-Aktivität nie den normalen Planungs- und Reportingzyklen im Stammgeschäft folgt, wo Resultate in kurzer Frist (12–24 Monate) erwartet werden. Eine CVC-Aktivität ist langfristig ausgelegt. Aus gutem Grund haben klassische VC-Funds eine Laufzeit von zehn und mehr Jahren.

Die CVC-Einheit braucht daher nicht nur Freiheitsgrade bei der Governance, sondern auch einen langfristigen Planungs- und Umsetzungshorizont. Nicht wenige VC-Portfolios zeigen nach zwei Jahren Bewertungen, die tiefer liegen als die Initialinvestitionen (bspw. aufgrund erster Abschreibungen im Portfolio). In dieser kritischen Phase die CVC-Einheit nicht wieder zu hinterfragen, sondern im Vertrauen auf künftige Wertsteigerung aktiv zu unterstützen und auch Folgeinvestitionen in die vielversprechenden Portfolio-Unternehmen zu tätigen, ist bei den meisten Corporate Investoren nicht gerade Teil der eigenen DNA (und meistens auch nicht Teil des Incentive-Plans des operativen Managements). Nach zwei bis drei Jahren im Markt erarbeitet sich die CVC-Einheit jedoch exakt das Fundament, das für den weiteren Imageaufbau und die künftige Wertsteigerung notwendig ist.

Auf eine Darstellung der Vor- und Nachteile verschiedener Rechts- und Gestaltungsformen dieser Vehikel wird an dieser Stelle verzichtet.

Wer baut die CVC-Einheit operativ auf und welche Fähigkeiten sind nötig?

Das Investitionsvehikel ist lediglich das Gefäss, in dem die verschiedenen Startup-Beteiligungen gehalten werden. Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist aber die Wahl des Investment Advisors.

Es gilt, Glaubwürdigkeit im Markt in Richtung der Startup-Gründerteams und in Richtung der Co-Investoren aufzubauen. Gleichzeitig muss darauf geachtet werden, dass vielfältige Zusammenarbeitsformen zwischen den eigenen Geschäftseinheiten des Investors und den Startups entstehen. Ein solcher 360°-Vertrauensaufbau ist nur möglich, wenn ein erfahrenes Investment Advisory (IA) Team eingesetzt und die richtige Governance-Struktur etabliert werden.

Das IA-Team muss Erfahrungen in den Bereichen Corporate Innovation und Venture Capital unter einem Dach vereinen. Diese Kernkompetenzen bilden die Startbasis für den Teamaufbau. Erst in einem zweiten Schritt werden weitere Knowhow-Träger und -Trägerinnen entlang der Themenfelder der CVC-Einheit ergänzt. In der Regel sind dies technik-, produkt- und industriebezogene Kompetenzen. Bei kleineren Funds werden diese Kompetenzen mit Blick auf die Gesamtkosten fallweise dazu geholt, häufig ausgerichtet auf das spezifische Markt- oder Technikumfeld eines Startups.

Das Öl im Getriebe eines jeden VC ist der Zugang zu einem relevanten und qualitativ hochstehenden «Dealflow». Mit Analysten-Knowhow und intelligenter werdenden Tools lässt sich ein guter erster Überblick gewinnen. Ein konkreter «Deal» ist jedoch noch in weiter Ferne. Hier bedarf es des Netzwerks, der oben erwähnten Glaubwürdigkeit und der Hartnäckigkeit des IA-Teams, die spannenden Startups zu identifizieren und für ein Investment durch das CVC-Vehikel zu begeistern. Gute Startups können sich ihre Investoren aussuchen. Eine kontinuierliche Präsenz im Markt und eine klare Positionierung sind die Grundlage für ein gutes «Matching».

Doch der gut vernetzte Partner, der als «Trüffelschwein» agiert, reicht nicht aus. Professionalität bei der Durchführung eines effizienten Investitionsprozesses, Verhandlungssicherheit und Analysefähigkeiten bei der Durchführung der Due Diligence sind weitere wichtige Aspekte. Hier zeigt sich auch, ob ein CVC auf Augenhöhe mit anderen Co-Investoren agieren kann. Hat er die gleiche Geschwindigkeit und Agilität im Entscheidungsprozess? Sind die erwarteten Vertragskonditionen «VC-konform»? Auf die Durchsetzung von Sonderrechten zugunsten eines Corporate Investors (bspw. Ansprüche auf Mehrheit oder Veto-/Exklusivitätsrechte) sollte zwingend verzichtet werden, auch wenn dies eine Geschäftseinheit des Investors wünscht. Hier zeigt sich der Grad der Unabhängigkeit der CVC-Einheit vielleicht am deutlichsten. Wer dies trotzdem versucht, wird schnell realisieren, dass er seine Glaubwürdigkeit als VC-Investor in kurzer Zeit verspielt und nur noch zweitklassige Investments machen kann.

Doch der Prozess ist mit Erwerb der Anteile nicht abgeschlossen. Der eigentliche Marathon beginnt jetzt: das aktive Portfolio Management. Bei einer durchschnittlichen Haltedauer einer Beteiligung von 5–7 Jahren ist viel Ausdauer notwendig. Es bieten sich aber auch unzählige Chancen, den Wert der Beteiligung durch aktives Unterstützen der Gründerteams auf dieser Wegstrecke zu steigern. Ein spannender gemeinsamer Weg mit vielen Höhen und Tiefen beginnt. Auch hier sind ganz spezifische Fähigkeiten im IA-Team gefragt. Erst viel später zeigt sich bei einem Verkauf der Beteiligung, ob sich die Anstrengungen auszahlen. Ist dieser gemeinsame Weg erfolgreich, werden Beziehungen zu einer ganzen Gründergeneration aufgebaut, die bei Folgeinvestments häufig wiederum eine zentrale Bedeutung haben. Entweder werden die Gründer und Gründerinnen nach erfolgreichen Exits selbst zu (Angel-) Investoren oder gründen als «Serial Entrepreneurs» wiederum spannende Startups. Starke lokale Communities entstehen, deren Mitglieder untereinander über Jahre ein sehr enges Vertrauensverhältnis aufgebaut haben.

Dies alles lässt sich nicht «im Labor» replizieren. Es braucht viel Erfahrung, die verschiedenen Bausteine für einen erfolgreiche CVC-Einheit zusammenzubringen. Im ersten Kapitel dieser CVC-Serie haben wir beschrieben, wie sinnhaft es ist, dass Corporate Investoren sich gerade jetzt im VC-Markt engagieren und durch ihre Industrieexpertise viel zur Wertsteigerung der nächsten Startup-Generation beitragen können. Marcau Partners hat sich darauf spezialisiert, diesen Corporate Investoren mit seinem «VC as a Service»-Modell eine Startrampe zur Verfügung zu stellen. Eine Startrampe für eine dedizierte CVC-Einheit, die vom etablierten Netzwerk und den Erfahrungen eines professionellen Investment Advisors profitiert.

Dies ist das zweite Kapitel einer dreiteiligen Serie zum Thema Corporate Venture Capital:

CVC-Serie Kapitel 1: Corporate Venturing vor, während und nach der Krise — «plant the seeds now»

CVC-Serie Kapitel 2: Aufbau einer erfolgversprechenden CVC-Einheit

CVC-Serie Kapitel 3: Ringier Digital Ventures — Teil der digitalen Transformation eines Medienunternehmens

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