CVC-Serie Kapitel 3: Ringier Digital Ventures — Teil der digitalen Transformation eines Medienunternehmens

David Hug
Marcau Partners
Published in
5 min readJun 26, 2020
Foto von Thomas Kaiser

Entstehung

Das international tätige Medienunternehmen Ringier startete mitten in der Finanzkrise 2007/2008 eine fulminante Aufholjagd zur Digitalisierung und Diversifikation des unter Druck geratenen Mediengeschäfts. So wurde in kurzem Abstand weit über CHF 1 Milliarde in strategische Beteiligungen an etablierten Marktplatz-, Entertainment- und Medienunternehmen investiert. Scout24 Schweiz, JobCloud, Ticketcorner und verschiedene eCommerce-Unternehmen wurden in der darauffolgenden Dekade zu tragenden Säulen des Unternehmens. Das Joint Venture Ringier AxelSpringer Media vollzog eine simultane Entwicklung in osteuropäischen Märkten. In Afrika und in ausgewählten asiatischen Märkten wurde die Internationalisierung des Marktplatz- und Mediageschäfts ebenfalls weiter vorangetrieben.

Ende 2014 sah sich die Geschäftsleitung von Ringier Digital, dem für das Marktplatz- und eCommerce Geschäft verantwortlichen Geschäftsbereich, mit den bereits im ersten Kapitel dieser CVC-Serie beschriebenen Herausforderungen konfrontiert:

  • Wachsende Konkurrenz bei der Übernahme von attraktiven Wachstumsunternehmen mit steigenden Transaktionspreisen. Reorientierung in Richtung Frühphasen-Beteiligungen.
  • Ausbau der Online-Marktplätze zu digitalen Ökosystemen mit sich ergänzenden Services und Funktionen. Kennenlernen und Anbinden von spannenden Partner-Startups.
  • Disruptive Marktkräfte bei den eigenen reiferen Digitalunternehmen (v.a. auch bei den Online-Marktplätzen). Frühes Kennenlernen der neuen Geschäftsmodelle.

In der Folge wurde im Januar 2015 die CVC-Einheit Ringier Digital Ventures gegründet. Ein erster zaghafter Versuch mit einem internen Team ohne die im «Venture Capital»-Geschäft üblichen Konditionen und ohne entsprechende VC-Erfahrung war kurz vorher gescheitert. Im zweiten Versuch entschied man sich, einen erfahrenen Partner beizuziehen. Zusammen mit btov Partners wurde ein eigenständiges Investment Advisory Team (die heutige Marcau Partners) aufgebaut. Mit dem Knowhow und Netzwerk von btov gelang es schnell, mit führenden Co-Investoren auf Augenhöhe in vielversprechende Consumer Internet Startups zu investieren. Durch die Unabhängigkeit vom Stammgeschäft von Ringier wurde gewährleistet, dass konsequent Konditionen und Methoden von klassischen Venture Capital Investoren angewandt wurden (eine gute Übersicht marktüblicher Konditionen im europäischen Kontext findet sich hier in der Zusammenfassung der Anwaltskanzlei Wenger&Vieli).

Investmentstrategie

Wie im zweiten Kapitel dieser CVC-Serie ausgeführt, ist es von grosser Bedeutung, dass sich die Geschäftsleitung des Corporate Investors über das strategische Mandat der CVC-Einheit im Klaren ist. Bei Ringier wurde das Mandat sehr breit ausgestaltet:

Ringier Digital Ventures wird sich auf Minderheitsinvestments in innovative, erfolgsversprechende digitale Geschäftsmodelle im Consumer Internet Bereich fokussieren. Die Investments sollen möglichst autonom und nach VC-Kriterien ausgewählt werden. Es ist ausdrücklich erwünscht, dass auch disruptive Geschäftsmodelle in Betracht gezogen werden. Ringier Digital Ventures wird zur Erfüllung des Mandates neben Cash-Investments auch Medienleistungen einbringen («Media for Equity») und hierbei eng mit den Ringier-Medienmarken auch neue Kooperationsmodelle ausloten.

Daraus leitete sich die Investmentstrategie ab:

Auszug Investmentstrategie

Ringier Digital Ventures wurde als Investment-Vehikel aufgebaut, über das die Investments getätigt werden und hat den Status einer Schweizer Aktiengesellschaft. Marcau Partners agiert als exklusiver Investment Advisor. Die Investmententscheidungen trifft ein vierköpfiges Investment-Komitee. Die folgende Grafik veranschaulicht das Zusammenspiel der Ringier Digital Ventures mit den verschiedenen Ringier-Unternehmenseinheiten:

It’s a People’s Business

Venture Capital ist und bleibt ein stark personengetriebenes Geschäft. Dies trotz vieler neuer technischer Hilfsmittel in den Bereichen Sourcing, Dealflow-Management, Due Diligence und Investment-Advisory. Diese Hilfsmittel werden selbstverständlich auch bei Ringier Digital Ventures eingesetzt. Die Analysen vieler VC-Funds zeigen jedoch, dass das persönliche Netzwerk sowie gute und vertraute Co-Investoren, die Türen zu Startups und Kooperationspartnern öffnen, weiterhin die zentralen Erfolgsfaktoren sind.

Seit dem ersten Tag arbeitet das Ringier Digital Ventures-Team sehr stark an der Pflege und dem Ausbau des Netzwerks. Die Marke «Ringier Digital Ventures» musste in den Markt getragen und das gegenseitige Vertrauen zu Co-Investoren/innen und Startup-Gründern/innen erarbeitet werden. Dies auch darum, weil viele Marktteilnehmer gegenüber CVC-Einheiten und «Media for Equity» zunächst Misstrauen hegen. Neben der aktiven Unterstützung der Gründerteams spielen Fairness, Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit eine wichtige Rolle, um Vertrauen im Markt aufzubauen und gemeinsam ambitionierte Ziele zu erreichen.

Bei Ringier Digital Ventures kam eine weitere wichtige Netzwerk-Komponente hinzu: die interne Vernetzung innerhalb der Ringier Gruppe (s. auch obenstehende Abbildung). Das gut diversifizierte Medienunternehmen bietet einen enormen Pool an Knowhow und Kooperationsmöglichkeiten. Daher ist es für jeden neuen Mitarbeitenden, der für Ringier Digital Ventures tätig wird, auch Pflicht, die Ansprechpartner in den unterschiedlichen Unternehmensbereichen bereits in den ersten Wochen kennenzulernen. Die Startups schätzen die pragmatische Unterstützung der Fachpersonen auf unterschiedlichen Ebenen des Unternehmens und erhalten Feedback zu einer Vielzahl von Themen, die das Wachstum des Startups unterstützen.

Die bisherige Entwicklung von Ringier Digital Ventures

21 Startup-Investments sind das Resultat der Analysen von mehreren tausend Business Plänen und Gesprächen mit hunderten von Startup-Teams in den letzten 5 Jahren. 52 Prozent der Investments wurden im Bereich der Online Marktplätze getätigt, 33 Prozent betreffen sogenannte «Direct-to-Consumer-Commerce» Modelle, weitere 15 Prozent andere Geschäftsmodelle.

Ein erster Schwerpunkt lag seit Beginn bei «Consumer Internet» Investitionen entlang der Möglichkeiten, die sich durch den Einsatz von «Media for Equity» als Akquisitionswährung ergeben. Es war wichtig, im Markt zu beweisen, dass «Media for Equity» in Bezug auf Effektivität und Performance ergänzend zu den Cash-Investitionen tatsächlich funktioniert. Die Früchte dieser Aufbauarbeit konnten mit Investments in starke Marken wie FOODSPRING, YAMO, ABOUT YOU etc. geerntet werden.

Einen weiteren Investitionsschwerpunkt bilden die «Online Marktplätze». Diese sind nicht zuletzt (aber nicht ausschliesslich) fokussiert auf die Marktsegmente, die sich aufgrund der strategischen Ausrichtung von Ringier im Bereich der Automobil- und Immobilien-Marktplätze ergeben. Auf Basis von detaillierten Marktanalysen und Investitionsthesen wurde ein Netzwerk, «Dealflow» und Knowhow in diesen Sektoren aufgebaut. Daraus folgten zahlreiche Investments bspw. im PropTech-Segment (MOVU, FLATFOX, ARCHILYSE, BLOK).

Das aktuelle Portfolio von Ringier Digital Ventures (Stand Juni 2020):

Portfolio Ringier Digital Ventures (Stand Juni 2020)

Recht früh — nach bereits zwei Jahren — gelang der erste Verkauf eines Portfoliounternehmens. MOVU wurde nach einem klar strukturierten Auktionsverfahren an die Baloise Gruppe verkauft. Im Jahre 2019 partizipierte Ringier Digital Ventures am Verkauf von Goodminton (FOODSPRING) an die Mars Inc. Damit hat sich die These bestätigt, dass die Kombination von neuen Absatzkanälen («Direct-to-consumer») mit gleichzeitiger markterweiternder Produktinnovation (in diesem Fall «gesunde Fitness-Ernährung») ein Erfolgsrezept ist. Mit YAMO und INSENIO befinden sich weitere Startups im Portfolio, die genau dieser These folgen. Das weitere Portfolio umfasst mit ABOUT YOU ein Unicorn und viele weitere Hoffnungsträger mit ambitionierten Gründerteams.

Eine Vielzahl von namhaften Investoren hat zusammen mit Ringier Digital Ventures in die Portfolio-Unternehmen investiert, dazu zählen u.a. btov Partners, HV Ventures, Lifeline Ventures, DN Capital, ID Invest, Atlantic Internet oder Accel.

Da das Investmentvehikel keine feste Laufzeit hat, ist Ringier Digital Ventures in der Lage, mit einem langfristigen Horizont und kontinuierlich in den Aufbau zukunftsträchtiger Startups zu investieren.

Dies ist das dritte und letzte Kapitel einer dreiteiligen Serie zum Thema Corporate Venture Capital.

CVC-Serie Kapitel 1: Corporate Venturing vor, während und nach der Krise — «plant the seeds now»

CVC-Serie Kapitel 2: Aufbau einer erfolgversprechenden CVC-Einheit

CVC-Serie Kapitel 3: Ringier Digital Ventures — Teil der digitalen Transformation eines Medienunternehmens

--

--

David Hug
Marcau Partners

Founding Partner of Marcau Partners and Investment Advisor of Ringier Digital Ventures