Auf einen Kaffee und ein Wort

Sebastian Gabler
4 min readFeb 14, 2015

Keiner kommt und geht ungesehen. Dazu ist der Tübinger Zuckerbäcker zu klein und zu übersichtlich. Da fallen die besonders treuen Kunden auf. Bei Kaffee und Kuchen erzählt uns ein Stammkunde von seinen Erfahrungen.

Am 13.02.2015 um 10:30 Uhr betreten wir den Tübinger Zuckerbäcker. Das etwas unscheinbare Haus wurde im 15. Jahrhundert gebaut. Nur die Beschriftung an den Fenstern lässt erahnen, dass sich darin eine Konditorei befindet. Auf der kleinen Brücke, die zum Laden führt, begrüßt uns heute eine Eistüte aus Plastik. Es gibt wieder Speiseeis, verkündet Sarah Löffler.

Ohne Kunden sieht der Laden noch etwas leer aus. Die Besitzer sind schon eine Weile auf den Beinen und bereiten alles vor. Sie kennen uns schon, begrüßen uns mit einem Lächeln und bieten uns einen Kaffee an. Wir entscheiden uns für Tee und Cappuccino. Nachdem wir nun einige Male hier waren, haben wir uns richtig in den kleinen Laden verliebt. Es gibt nur wenige Stühle und es ist auch schon passiert, dass man keinen Platz mehr ergattern konnte. Aber dieses Persönliche, Überschaubare gibt der Konditorei etwas Liebevolles und Vertrautes. Der alte Eiswagen in der Ecke versprüht den Charme vergangener Zeiten. In der Vitrine warten die Kuchen darauf, genossen zu werden. Nach einiger Zeit betritt einer der Stammkunden den Laden. Es ist Herr Klett.

Herr Klett erzählt vom Tübinger Zuckerbäcker

„Das ist einfach gemütlich, ein bisschen wie Familie“

Herr Klett ist einer der Handwerker, die früher Läden in der Ammergasse führten. Er erzählt uns, dass damals alles privater war. Man kannte sich, wusste genau, wer wo wohnt und wer wo seinen Laden hat. Heute sind kaum noch Handwerker in der Gasse. Die Leute, die hier wohnen, kennt man nicht mehr. „So ist das halt, man kann die Zeit nicht mehr zurückdrehen“ sagt Herr Klett. Immer wieder kommt er während des Gesprächs auf dieses Thema zurück. Aber sobald er dann vom Zuckerbäcker spricht, hellt sich seine Stimmung wieder auf. Hier sei das nämlich anders, meint er. „Das ist einfach gemütlich, ein bisschen wie Familie.“ Grinsend deutet er auf sein Getränk. „Man grüßt sich, kennt den Namen und man weiß schon, was ich will. Ich brauch gar nichts mehr sagen. Ist halt Latte Macchiato.“ Er besucht den Zuckerbäcker so oft er kann. Gerade im Winter kommt er auf dem Heimweg vorbei, trinkt seinen Kaffee und wärmt sich auf. Auch einen Stammplatz hat er, bei der Heizung, schließlich will man es beim Kaffee gemütlich haben.

Einen Kritikpunkt gibt es immer

Es gibt zu wenige Sitzplätze. Besonders im Sommer müssen die Kunden auf eine Seitenstraße neben dem Haus ausweichen. Die Stammkunden haben sogar eine Unterschriftensammlung gemacht, damit der Laden auch Sitzplätze anbieten darf. Nun gibt es sie. Herr Klett nutzt sie gern, auch um sich am Freitag mit seiner Tochter und seinen Freunden zu treffen. Wir fragen ihn nach einer kleinen Geschichte, die er mit dem Zuckerbäcker verbindet. Er erzählt uns von seiner Frau, die vor zwölf Jahren gestorben ist. Sie habe am Sonntag, immer einen Kuchen gebacken. Heute ersetzen die Kuchen vom Zuckerbäcker diese Tradition, auch wenn er sie nicht am Sonntag genießen kann. Er habe alle schon durchprobiert, erzählt er uns. „Die Spezialität als Schwabe ist natürlich der Käsekuchen.“

Eine kleine Kostprobe bitte

Himbeer-Rosen-Sahne

Wir beenden das Gespräch und verabschieden uns. Mittlerweile hat auch seine Tochter das Café betreten und wir wollen das allwöchentliche Treffen nicht stören. Aber für einen Kuchen muss noch Zeit sein. Herr Klett kommt noch einmal zu uns und fragt, für welchen Kuchen wir uns denn nun entschieden haben. Die Himbeer-Rosen-Sahne ist es geworden. Viel leckere Sahne, Himbeermus und einigen Himbeeren als Deko. Drumherum grün gefärbte Schokolade. Ein Festschmaus, auch für die Augen. Und das gilt nicht nur für diese Kreation. Da fällt die Wahl wirklich manchmal schwer.

Mit vollem Magen verlassen wir den Zuckerbäcker. Es ist ein recht weiter Weg durch die Tübinger Altstadt zu diesem kleinen Laden. Hat man das Glück und erhascht einen der wenigen Sitzplätze, kann man sich auf ein ganz besonderes Stück Kuchen freuen. Hat man Pech und es ist alles besetzt, gibt es auch Eis und Schokolade zum Mitnehmen. Auch hier wartet so manche süße Verführung.

von Julia Dolkovski

weiterführende Links:
Ein Artikel zum Sitzplatzproblem beim Schwäbischem Tagblatt
Ein weiteres Gespräch mit Herrn Klett

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