Die Ungleichverteilung von Fiatgeld und Bitcoin

Die Ungleichverteilung von Fiatgeld und Bitcoin

E.L. Tankred
6 min readFeb 4, 2022

(Click here for english version.)

Vorbemerkung: Dieser Artikel ist nicht für Einsteiger geeignet, sondern richtet sich an die Bewohner des Bitcoin Kaninchenbaus mit Interesse an Geld, Wirtschaft und Gesellschaft.

Mein letzter Artikel handelte von der Autobahn des Bitcoin FUD. Milliarden Menschen reisen auf ihr. Sie folgen der ausgeschilderten Ablehnung von Bitcoin ohne zu überprüfen, ob sie damit zum gewünschten Ziel gelangen: zeitloser Werterhalt des eigenen Vermögens.

Eine andere Herausforderung, die Bitcoin auf seinem Weg zur Weltwährung bewältigen muss, ist seine Ungleichverteilung. Mir ist bewusst, dass die Ungleichverteilung von Bitcoin derzeit geringer ist als vermutet [1]. Das ändert jedoch nichts daran, dass — mit den Worten des Volksmundes gesprochen — der Teufel immer auf den größten Haufen scheißt. Viel Geld führt zu noch mehr Geld [2]. Private Equity bzw. Venture Capital Unternehmen sind nur ein Beispiel hierfür. Sie investieren unter anderem in Produktivitätssteigerungen, welche die Kasse klingeln lassen.

Ungleichverteilung des Vermögens = f(Geldnutzung, Mensch, Härte des Geldes)

Die Ungleichverteilung des Vermögens basiert auf drei Mechanismen, die einander pushen.

Die erste Ursache der Ungleichverteilung liegt im Geld [3] selbst. Tauschen wir es gegen Produkte oder Leistungen, verhandeln wir Preise oder akzeptieren diese. Diese Preise entsprechen dem Wert, den wir bereit sind zu bezahlen. Wie ein Messinstrument zeigen Preise den subjektiven Wert an, den eine Ware für einen Menschen hat [4, 5]. Du kannst es Dir auch wie den Punktezähler eines Spiels vorstellen. Im Spiel des Lebens zeigt das Geld an, wie weit es ein Mensch in materieller Hinsicht gebracht hat. So dient Vermögen als Vergleichsmaßstab, auf dem sich Gleich und Gleich gern gesellen.

Das bringt mich zur zweiten Ursache. Abhängig von den Motiven der Menschen wirkt der Highscore Geld auf manche Menschen besonders motivierend. Sie messen ihr Leben nicht in der Menge der sozialen Kontakte oder der Menge der gesammelten Erfahrungen, sondern im Ausmaß der eigenen Unabhängigkeit [6], die mit einem großen Vermögen einfacher zu leben ist als mit einem kleinen. Finanzielle Unabhängigkeit befördert Menschen vom Herdentier zum Treiber.

Dieses Wechselspiel von Geld und Mensch verfolgt uns seit der Erfindung der ersten Zahlungsmittel. Auf diesen beiden Faktoren fußt die Ungleichverteilung ersten Grades: Menschen unterscheiden sich in ihrem Vermögen.

Unsere lange Suche nach dem besten Geld, schien mit der Entdeckung des Goldes zu enden. Mit seiner Nutzung vermehrten Menschen ihren Wohlstand, weil Gold als solides Geld begrenzt und zugleich fälschungssicher war [4]. Diese Eigenschaften gewährleisten den Werterhalt des Geldes. Später erhielten die Menschen für das Gold Quittungen, die als Papiergeld dienten [7].

Die dritte Ursache schuf Nixon 1971 mit der Entkopplung der Staatswährungen vom Gold [8, 9]. Mit dieser Entscheidung hat er die Ungleichverteilung des Geldes (bzw. Vermögens) zweiten Grades ausgelöst. Seitdem müssen Staaten für neues Geld kein Gold hinterlegen. Stattdessen vermehren sie das Geld durch Kreditvergabe. Mit jedem Kredit schaffen Banken neues Fiatgeld aus dem Nichts [10]. Da neues Fiatgeld Zeit braucht, um vom Markt eingepreist zu werden, hat es für den Kreditnehmer die gewünschte Kaufkraft. Doch sobald er seinen Kauf getätigt hat, ist das neue Geld im Umlauf. Das entwertet die Reserven der Sparer sowie die Schulden der Kreditnehmer [11]. Ausdauer wird bestraft und Aktionismus belohnt.

Die Bereicherung der Kreditnehmer zu lasten der Sparer ist als Cantillon-Effekt bekannt. Er funktioniert nur mit Fiatgeld. Der Cantillon Effekt beschleunigt die Umverteilung der Kaufkraft von den Sparern zu den Kreditnehmern. In der Folge werden im Fiatsystem die Reichen reicher und die Armen ärmer als es mit solidem Geld wie Gold oder Bitcoin möglich wäre.

Bitcoin kann die Geldkonzentration eingrenzen, nicht stoppen

Bitcoin könnte alles in Ordnung bringen, meint Lola Leetz in ihrem beachtenswerten Artikel [12]. Leider kann ich dem keinen Glauben schenken, solange keine Waffe gegen die Ungleichverteilung des Geldes existiert. Eine weitestgehende Nutzung von Bitcoin auf der Welt würde die Ungleichverteilung abmildern. Doch an der Geldkonzentration wird auch die aktuelle Version des Bitcoin Protokolls nichts ändern.

Ein geistiger Sprung in eine Zeit mit Bitcoin als einzige Weltwährung, verdeutlicht diese Geldkonzentration. Bitcoins Kernfunktion ist dezentraler Werterhalt. Trifft der Werterhalt auf eine anhaltende Produktivitätssteigerung, profitieren Bitcoinhalter exponentiell länger von ihrem soliden Geld als Satoshihalter. Dasselbe gilt für den damit einhergehenden Preisverfall: die einen leben auf der Sonnenseite, die anderen können sich nur eine Auszeit nehmen und die ohne Satoshis bleiben fremdbestimmt.

Wie viele Menschen auf der Welt Bitcoins besitzen, erforscht Glassnode. Ihren Zahlen zur Folge besitzen derzeit 13,54 Millionen Menschen einen oder mehr Bitcoins [13]. Zum Vergleich: wären die maximal verfügbaren 21 Millionen Bitcoins gleichmäßig auf alle Menschen verteilt, hätte jeder nur etwa 265.051 Satoshis. Über so viele Satoshis wird nur ein kleiner Teil der etwa 7,92 Milliarden Menschen verfügen können. Daran wird selbst die anhaltende Verteilung der Satoshis kaum etwas ändern, weil die Menge der Hodler und die ihrer Bitcoinbestände wächst [14].

Menschen vermeiden Nachteile

Hodler werden sich ganz genau überlegen, ob sie ihre Ersparnisse investieren oder auf die deflationsbedingte Wertsteigerung ihrer Satoshis setzen. Diese Entscheidung werden sie unter Berücksichtigung ihrer Bitcoinmenge treffen. Wäre Bitcoin bereits heute die Weltwährung, hätten nur 13,54 Millionen von rund 8 Milliarden Menschen den finanziellen Spielraum für gewinnversprechende Investitionen.

Wie risikoreich Investitionen sind, weiß die Venture Capital Branche. 30 bis 40 Prozent ihrer Investitionen gehen verloren. Nur 10 bis 20 Prozent von ihnen führen zu ordentlichen Kapitalgewinnen [14]. Davon ausgehend, wird den Satoshihaltern das Startkapital zur Risikostreuung fehlen. Für die Bitcoinhalter ist das Startkapital hingegen kein Problem. Ihre Gewinne können sich im deflationären Bitcoin System stärker konzentrieren als im inflationären Fiatgeld System.

Die Ungleichverteilung von Fiatgeld und Bitcoin

Investoren sind Menschen. Sie schützen sich lieber vor Verlusten, als auf Gewinne zu hoffen [15]. Deswegen werden nur wenige Risikofreudige mit ausreichend Bitcoins ihr Vermögen vermehren. Der Rest der Menschen spart für die Auszeit am Lebensende. Die Schere zwischen Arm und Reich wird auch mit Bitcoin weiter wachsen, weil nur große Vermögen Investitionen ermöglichen, die dem Zufall ein Schnippchen schlagen können.

Irgendwann scheint sich der Wechsel zu Bitcoin nicht mehr zu lohnen

Die bisher genannten Punkte führen mich zu der Befürchtung, dass sich Menschen ohne Bitcoin von seiner Ungleichverteilung abschrecken lassen. Ich sehe einen Zeitpunkt kommen, an dem die Bitcoin Community nicht weiter anwachsen wird. Die Schöpfer des Bitcoin FUDs erahnen dies und nutzen es zu ihrem Vorteil. Leider sehe ich keinen Weg abzuschätzen, nach wie vielen Milliarden Bitcoinern dieser Zeitpunkt eintreten wird. Was schätzt Du? Hinterlasse einen Kommentar.

Der Optimist in mir tröstet sich mit der Tatsache, dass Fiatwährungen und Shitcoins durch den Wettbewerb mit Bitcoins Funktion als unabhängiger Wertspeicher zur Mäßigung gezwungen sind. Daher gehe ich davon aus, dass wir mit der fortschreitender Adaption von Bitcoin zur Ungleichverteilung ersten Grades zurückfinden werden.

Der Pessimist in mir ist mit einer Reduzierung von Bitcoin auf seine Funktion als Wertspeicher unzufrieden. Das ist so, als dürfte ich mir die Natur nur ansehen, ohne in ihr zu wandern und zu leben. Mal ehrlich, die Idee hinter Bitcoin ist zu gut, um ihn nur als Wertspeicher zu verwenden. Ich wünsche mir Bitcoin als unangefochtene Weltwährung. Und es liegt heute in unserer Hand, dafür überzeugende Fakten zu schaffen - also nicht nur Argumente. Die individuellen Vorteile müssen die Nachteile der Bitcoin Nutzung mindestens 3,5 mal überwiegen [16, 17]. Dafür dürfen wir die Ungleichverteilung nicht reflexartig als FUD abtun. Nur Menschen, die Bitcoin nutzen, können den FUD lügen strafen. Für alle anderen ist er in punkto Ungleichverteilung Realität.

Mein Vorschlag folgt, wie wir Bitcoins Weg zur Weltwährung zementieren können.

***

Meine Arbeit hat Dir eine neue Einsicht geschenkt? Würdige sie mit einer Spende per Lightning. Du bist neugierig auf meine Idee? Fördere sie mit ein paar Satoshis. Schreiben kostet Zeit. Deine Unterstützung schenkt mir Zeit zu schreiben.

Lightning Spenden Adresse für meinen Artikel “Die Ungleichverteilung von Fiatgeld und Bitcoin”. Danke.
LN Adresse: eltankret@getalby.com

***

Inhaltsverzeichnis

I) Abstrakte Zusammenfassung: Der soziale Einfluss des Geldes

II) Beschreibung von Problemen: Konsequenzen des Bitcoin FUD, Die Ungleichverteilung von Fiatgeld und Bitcoin

III) Vision: 105 Gedanken zur Post-Hyperbitcoinisierung

IV) Die Lösung: 14 Gründe, warum Bitcoin zum Bedingungslosen Grundeinkommen führt

***

Quellen

[1] https://insights.glassnode.com/bitcoin-supply-distribution/ Stand: 26.01.2022

[2] Eric D. Beinhocker (2006). Die Entstehung des Wohlstands. Wie Evolution die Wirtschaft antreibt. ISBN: 978–3–636–03086–3

[3] https://medium.com/@ELTankred/der-soziale-einfluss-des-geldes-d0bfd42ee062?source=user_profile---------2------------------------------- Stand: 26.01.2022

[4] Saifedean Ammous (2019). Der Bitcoin-Standard: Die dezentrale Alternative zum Zentralbankensystem. ISBN: 978–3982109503 https://www.amazon.de/Bitcoin-Standard-Die-dezentrale-Alternative-Zentralbankensystem/dp/3982109507

[5] https://wavve.link/zgw-podcast/episodes Stand: 31.01.2022

[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Z%C3%BCrcher_Modell_der_sozialen_Motivation Stand: 27.01.2022

[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Banknote Stand: 31.01.2022

[8] https://wtfhappenedin1971.com Stand: 27.01.2022

[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Bretton-Woods-System Stand: 27.01.2022

[10] https://www.bundesbank.de/de/service/schule-und-bildung/erklaerfilme/wie-entsteht-geld-teil-ii-buchgeld-613628 Stand: 26.01.2022

[11] https://de.wikipedia.org/wiki/Cantillon-Effekt Stand: 26.01.2022

[12] https://lolaleetz.medium.com/why-bitcoin-could-fix-everything-67612fc06af0 Stand: 27.01.2022

[13] https://insights.glassnode.com/bitcoin-supply-distribution/ Stand: 26.01.2022

[14] https://studio.glassnode.com/metrics?a=BTC&ema=7&m=indicators.AverageDormancy&resolution=24h ; https://studio.glassnode.com/metrics?a=BTC&ema=7&m=indicators.Cdd&resolution=24h Stand: 31.01.2022

[15] https://www.silicon.de/41577568/venture-capital-drei-viertel-wird-verbrannt Stand: 26.01.2022

[16] Daniel Kahneman (2016). Schnelles Denken, langsames Denken. ISBN: 978–3328100348

[17] https://www.lynalden.com/bitcoins-network-effect/ Stand: 28.01.2022

--

--

E.L. Tankred

I love people and technology. Do you also wonder what our future might look like? Let’s talk about it.