Gott allein genügt”

Karl-Maria de Molina
5 min readFeb 19, 2024

Das Leben im 21. Jahrhundert ist voller Ereignisse: Termine, Gespräche in der Familie, mit Freunden, mit Bekannten, mit Arbeitskollegen. Wir sind ziemlich beschäftigt. Welche Rolle spielt Gott in alle dem? Wäre es für uns denkbar, dass uns Gott allein genügen könnte? Mein Freund Johannes erzählt uns, wie er diesen Satz „Gott allein genügt“ in sein Leben integriert hat

Gott allein genügt“. Das ist die Übersetzung des berühmten Satzes von Teresa von Ávila: „Sólo Dios basta“.

Teresa war eine Mystikerin und Ordensgründerin des 16. Jahrhunderts. Sie lebte im südlichen Zipfel Europas. Lässt sich dieser Satz auf uns heute, in Zentraleuropa des 21. Jahrhunderts übertragen? Ihre Frage, lieber Leser, liebe Leserin, ist absolut verständlich, zumal Sie vermutlich mit Ihrer Familie zusammenwohnen, Nachbarn nicht weit sind und mit Arbeits- und Sportkollegen regelmäßig Kontakt pflegen. In einem Wort, Sie sind umgeben von vielen Leuten, die Ihr Leben bereichern und ausfüllen. Sollen Sie in Zukunft auf sie verzichten? Ist das der Sinn dieses Artikels? Meine Antwort: ein klares Nein! Das war auch nicht das Ansinnen von Teresa mit ihrem berühmten Satz. Sie war Ordensgründerin. Daher lebte sie nicht isoliert, sondern in einer Gemeinschaft mit anderen Nonnen, hatte Kontakt mit den Behörden, mit Bischöfen, mit Prinzessinnen.

Was sollen wir dann mit diesem Satz anfangen? Um diese Frage zu beantworten, greife ich auf ein Gespräch zurück, das ich mit meinem Freund Johannes geführt habe. Bei der Gelegenheit erklärte er mir, wie er diesen Satz in sein Leben integriert hat.

Johannes ist Unternehmer, gut vernetzt, hat viele Freunde, Nachbarn, Arbeits- und Sportkollegen. Vor einiger Zeit unterhielten wir uns über Gott und die Welt. Und dann per Zufall kamen wir auf diesen Satz von Teresa: „Gott allein genügt“.

Lassen wir uns von Johannes erzählen, was der Satz für ihn bedeutet: „Ich stamme aus einer frommen Familie. Meine Mutter hat mir im zarten Alter von 3 Jahren Gebete beigebracht. Mit 7 ging ich zur Erstkommunion, mit 13 zur Firmung. Und mit 17 hat mich Gott gebeten, einer katholischen Gemeinschaft anzugehören, wo ich im Zölibat leben sollte. Die Gemeinschaft wäre mein Familienersatz -so das Konzept.

Nach einigen Jahr bat mich die Gemeinschaft im eigenen Land die Zelte abzubrechen und in ein anderes Land zu ziehen. Damit verlor ich den unmittelbaren Kontakt zu meinem Vater und zu meinen Geschwistern -meine Mutter war bereits gestorben.

Im neuen Land lebte ich viele Jahre im Sitz der Gemeinschaft. Aber eines Tages hieß es, ich dürfte da nicht mehr wohnen. Ich solle den Sitz der Gemeinschaft verlassen und mir eine Wohnung nehmen“.

Als Johannes mir das erzählte, war ich gespannt, wie es dann weiter ging und wie er diesen Wechsel emotional verarbeiten konnte. Er war ja schließlich in einer Großfamilie aufgewachsen, in der Gemeinschaft hatte er viele Jahre mit vielen Gleichgesinnten zusammen gelebt. Und jetzt: „allein in der Wohnung“.

Johannes erzählt weiter: „Tatsächlich fand ich eine passende Wohnung in der Nähe der Firma. Eines Tages wachte ich auf, schaute auf das Bild der Heiligen Familie, das in meinem Schlafzimmer hängt (Erklärung: siehe Bild im Header) und erinnerte mich an einen Satz, den ich vor Jahren gehört hatte: „Zu dieser Familie gehören wir“.

Diesen Satz hatte ich zwar vor vielen Jahren gehört, aber nicht weiter beachtet. Im Leben hört man vieles. Aber nein, dieser Satz gewann an diesem Tag eine neue Bedeutung. Ich fühlte in meinem Herzen eine innere Freude. Ich realisierte, dass dieser Satz wahr ist. Diese drei Menschen, Jesus, Maria und Josef, waren für mich nicht mehr fromme Bildchen. Von da an waren sie für mich „quicklebendig“; und dieser Satz sollte meinem Leben einen Sinn verleihen. Auf einen Schlag wurde mir klar: Ich bin nicht allein, ich lebe im Hause der Familie von Nazareth. Mein Leben hatte ein neues Kapitel aufgeschlagen“.

Als Johannes mir das erzählte, war ich etwas irritiert. Ich fragte ihn: wie kann man ein Zuhause haben bei einer Familie, die im fernen Israel vor über 2.000 Jahren gelebt hat?

Ja, antwortete Johannes, und dann ging weiter mit seiner Erzählung: „Das ist das große Wunder Gottes. Am Kreuz hängend hat er uns seine eigene Mutter zur Mutter gegeben. Diese Tatsache wird von uns nicht ernst genommen. Wie oft habe ich diesen Satz im Johannesevangelium gelesen, aber doch nicht verinnerlicht. Es gibt im Evangelium so viele Aussagen! Aber ab dem besagten Tag im Jahr 2011 war mir klar: „Ich gehöre voll und ganz zu dieser Familie“. Dieser Satz war für mich rational und emotional zugleich. Rational, weil dies im Evangelium klipp und klar steht, und emotional, weil ich diese Realität in meinem Herzen regelrecht spürte. Es war eine innere Liebe, die mich seitdem nicht mehr verlassen hat. Eine Liebe, die mich über alle Widrigkeiten trägt; eine Liebe, die meinem Leben einen neuen Sinn gegeben hat“.

Diese Erzählung von Johannes hat mich erschüttert. Auch wenn ich Christ bin und all das, was mir Johannes erzählte, bekannt war, hat mich seine Erzählung „gepackt“. Ich hege den Wunsch, auch irgendwann das zu verstehen: „Wir sind vollwertige Mitglieder der Heiligen Familie von Nazareth“. Das ist ein Satz! In den nächsten Monaten werde ich mich mit diesem Satz weiter beschäftigen und schauen, was er konkret für mich bedeutet.

Neulich telefonierte ich mit einer Schwester von mir und erzählte ihr in wenigen Worten das Gespräch mit Johannes. Auch sie sagte mir, dass diese „Familie von Nazareth“ keine Rolle in ihrem Leben spielt. Aber durch die Worte von Johannes kam sie ins Grübeln. Sie sagte: „Kann es sein, dass Johannes recht hat?“

Wir stellen uns die Frage, welche Rolle dieser Satz in unserem Leben spielen kann. Für mich heißt fortan, den Kontakt mit den drei, Jesus, Maria und Josef, suchen. Dialoge mit den drei führen. Johannes tut es. Und er bekommt Antworten von Jesus und von Maria. Er konsultiert sie z.B. ob er dies oder jenes tun soll. Die Vorschläge, die er bekommt, sind immer menschenfreundlich, von Liebe getragen. Manchmal war Johannes voller Ärger auf jemanden. Und dann in seinem Herzen merkte er, dass das nicht gut ist. Und bekam einen viel besseren Vorschlag. Sein Leben verläuft in einer ständigen Interaktion mit den drei. Er lebt wahrlich in diesem Zuhause der Heiligen Familie. Seitdem, meint er, ist er freundlicher zu den Mitmenschen, leidet mit ihnen, freut sich mit ihnen. Versöhnen und verzeihen ist sein tägliches Brot.

Der Artikel begann mit Teresa von Ávila und ihrem Satz „Gott allein genügt“. Zwischendurch waren wir bei der Heiligen Familie angelangt. Wie passt das zusammen? Gott hat sich uns geschenkt, mitsamt seiner Familie. Daher -so verstehe ich meinen Freund Johannes- „Gott allein“ lässt erweitern auf: „Gott zusammen mit seiner Familie“.

Johannes hat mir einen Schubser gegeben. Vielleicht lassen sich, auch Sie, lieber Leser, liebe Leserin, einen Schubser geben.

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Der Autor

Dr.-Ing. Karl-Maria de Molina hat Ingenieurwissenschaften, Philosophie und Theologie studiert, und in Fahrzeugtechnik promoviert. Er hat Bücher über Automobiltechnik und Arbeitsmethodik geschrieben, und über Arbeitskultur und Kompetenzentwicklung herausgegeben. Er hat mehrere Lehraufträge in deutschen Universitäten; er hält Seminare über Führungskräfteentwicklung; er hat mehrere Unternehmen gegründet, und innovative Produkte entwickelt und vermarktet.

Das notwendige Wissen für diese Artikelreihe hat der Autor erworben durch das Studium der Philosophie und Theologie, durch die tägliche Lektüre des Evangeliums und geistlicher Bücher; durch den täglichen Besuch der Eucharistie; durch die wöchentlichen Gespräche mit dem geistlichen Leiter und durch die Beichte; durch die wöchentliche Teilnahme an Vorträgen über geistliche Themen; durch monatliche Einkehrtage; durch jährliche Exerzitien.

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