Maria, gib mir Deine Sorgen

Karl-Maria de Molina
6 min readMay 31, 2024

Das Evangelium schildert uns sehr spärlich die Leiden der Mutter Gottes. Diese hat sie für uns gelitten, weil ihre Leiden für die Umsetzung des Erlösungsplans notwendig waren. Aber ihr Leidensweg endete nicht mit der Aufnahme in den Himmel. Im Laufe der Geschichte ist die Mutter Gottes vielen Sehern weinend erschienen. Dieses Weinen galt unseren Sünden. Als ihre Kinder kann unsere Antwort nur lauten, „Maria, gib mir Deine Sorgen, ich will Deine Leiden lindern“.

Jan Dobraczynski schrieb im 20. Jahrhundert ein Buch mit dem Titel „Gib mir Deine Sorgen“. Diesen Satz wollen wir für diesen Text übernehmen. Jedoch mit dem Unterschied, dass sich Dobraczynski auf das Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus bezieht. Im vorliegenden Text geht es hingegen um einen Dialog zwischen uns und Maria, der Mutter Jesu.

Sie, lieber Leser, liebe Leserin, stellen sich zu Recht die Frage, was habe ich mir dieser Frau aus Nazareth namens Maria zu tun? Was gehen mich ihre Sorgen an? Berechtigte Fragen, ohne Zweifel. Sie lassen sich wunderbar erklären.

Bei der Kreuzigung hat uns Jesus seine eigene Mutter zur Mutter gegeben. Das schildert uns Johannes, der anwesend war (Joh 19,27). Seitdem sind wir Kinder Mariens und ihr Leben hat deswegen eine große Bedeutung für uns. Wir sind nämlich vollwertige Mitglieder ihrer Familie, d.h. der Familie, die sie mit Josef gegründet hat.

Nach dieser Erklärung kehren wir zur Kernfrage des Artikels: Was hat es mit dem Satz auf sich: „Maria, gib mir Deine Sorgen“? Eigentlich verwenden wir den Satz zumeist andersherum. Wir vertrauen vielmehr der Mutter Gottes unsere Sorgen an, damit sie uns davon befreit. Das ist unser Ansinnen bei den Gebeten zu ihr.

Heute, in diesem Artikel geschieht ein Novum und vollziehen wir die Umkehrung des Satzes. Wir sind diejenigen, die Maria von ihren Sorgen befreien sollen! Diese Idee ist in sich nicht neu. Schwester Faustina Kowalska (1987) schrieb “Ich war heute sehr eng verbunden mit der Mutter Gottes. Ich linderte ihre Schmerzen”. Schon damals tief im 20. Jahrhundert hatte sie schon diesen schönen Vorsatz gefasst.

Wie kommt Faustina auf diese neuartige Idee? Den wahren Grund kennen wir nicht. Es ist aber kein Geheimnis, dass Maria noch heute unter unermesslichen Schmerzen leidet, wie sie in vielen Erscheinungen (siehe Hierzenberger, 1993) bekundet hat. Z.B. im Erscheinungsort La Salette. 1846 ist die Mutter Gottes weinend zwei jungen Hirten erschienen. Sie erzählte den Kindern, wie sie und Ihr Sohn unter den Sünden der Menschen leiden. Ähnliche Sätze sind auch bei den Erscheinungen in Fatima gefallen. Daher ist die Reaktion Faustinas mehr als logisch: „Die Leiden Marias lindern wollen“.

Im schönen Text des „Stabat Mater“ lesen wir: „Wer könnte ohne Tränen sehen, Christi Mutter also stehen in so tiefen Jammers Not?“ Ja. Beim Anblick ihrer Schmerzen reagieren wir -als ihre Kinder- mit Tränen in den Augen. Unsere Liebe bekunden wir durch Anteilnahme.

Escrivá (1983) hat in seinem Buch „Kreuzweg“ einen treffenden Begriff verwendet: „Balsam der Zärtlichkeit“. Damit ist die Liebe gemeint, die sich Jesus und Maria bei ihrer Begegnung auf dem Weg zum Kalvarienberg gegenseitig schenkten (siehe Headerbild). Diese Idee möchte ich hier aufgreifen. Wie wäre es, wenn auch wir Maria diesen „Balsam der Zärtlichkeit“ schenken und damit ihre „Leiden lindern“ würden?

Vor 10 Tagen starb eine Schwester von mir. Ihren Kindern habe ich mein Beileid ausgesprochen. Und -als naher Verwandter- habe ich von Freunden Beileid erhalten. „Geteiltes Leid, ist halbes Leid“ heißt es. Lässt sich dieser Satz auch auf Maria anwenden? Können wir mit ihr ihre Leiden teilen und damit ihre Leiden lindern? Ja, wir können es. Wie? Indem wir unsere täglichen „Leiden“ aus Liebe zu ihr annehmen. Indem wir zu den Schicksalsschlägen unser Ja geben. Und auch, indem wir nicht gegen die Widrigkeiten in unserem Leben rebellieren, sondern vielmehr sie annehmen. Und indem wir uns weniger gönnen: beim Essen, beim Trinken usw.

Der Titel dieses Textes: „Maria, gib uns Deine Sorgen“ entspricht aus der Liebe zu ihr. Wer von uns mag, eine liebe Person leiden sehen? Keiner! Daher wollen auch wir „die Leiden Mariens lindern“. Und die beste Methode dazu ist, das zu tun, worum sie uns u.a. in Cana gebeten hat: „Was er (Jesus) euch sagt, das tut“ (Joh 2,3). Das heißt, die Bitten Jesu ernst nehmen. Das ist die Message Mariens an uns. Und wenn wir diese Message umsetzen, schenken wir ihr eine große Freude. Dann sind wir auf dem Weg, ihre „Leiden zu lindern“.

Täglich können wir uns die Frage stellen, womit kann ich heute Maria eine Freude bereiten? Und diese Frage können wir direkt an sie richten: „Was wünschst Du Dir von mir heute, meine liebe Mutter“? Maria oder ihr Sohn Jesus werden uns mit großer Wahrscheinlichkeit inspirieren und ein schönes Geschenk finden lassen. Zumeist bestehen diese Geschenke in der Ausübung der Nächstenliebe. Z.B. durch Hilfeleistungen; über die Marotten unserer Nächsten hinwegsehen; sich nicht über alles beschweren; unangenehmen Situationen mit einem Lächeln begegnen usw.

Ein flüchtiger Blick auf das Leben Mariens macht uns klar, dass sie -wie ihr Sohn- zum Leiden berufen wurde. In mehreren Artikeln habe ich einige ihrer zahlreichen Schmerzen geschildert (Das hat Maria für uns gelitten). Das fromme Gebet mit den „Sieben Freuden und sieben Schmerzen Mariens“ zählt nur einen Bruchteil davon. Wie oben erwähnt, auch heute leidet Maria im Himmel unter unseren vielen Sünden. In einer Erscheinung in Salzburg 1985 sagte sie: “Er (Jesus) hat alles getan, was ein Mensch für den anderen tun kann, und hat dafür nicht einen kleinen Funken Dankbarkeit von euch erhalten” aus Hierzenberger (1993). Wie krass klingt dieser Satz, wie schmerzvoll.

Nochmals der Gedanke: Jesus gehorchen, heißt Maria eine Freude bereiten und damit „ihre Leiden lindern“.

Eigentlich machen wir dies auch unter uns Menschen, wie z.B. beim Tod meiner Schwester -wie oben erwähnt. Als sie vor zwei Jahren bereits ziemlich krank war, konnte ich sie minutenlang zum Lachen bringen. Noch Monate später erzählte sie mit Freude darüber. Damit habe ich für einige Momente ihre Leiden gelindert. Freude können wir -wie oben erwähnt- auch Maria schenken. Um die Leiden Marias zu lindern, müssen wir nichts erfinden. Es ist alles da. Die einzige Voraussetzung dazu ist, sie zu lieben, sie in unser Leben zu schließen. Alles andere ergibt sich von allein.

Und wie geht es weiter?

Fassen wir -wie damals Faustina- den Vorsatz, die Leiden Mariens lindern zu wollen. Wie? Indem wir die Bitten Jesu ernst nehmen; indem wir ihm die Widerwärtigkeiten des Tages zu Füßen legen. Die Liebe macht erfinderisch. Lassen wir unser Herz freien Lauf. Dann finden wir viele Möglichkeiten, ihr eine Freude zu bereiten. Beenden wir den Artikel mit einem tief empfundenen Vorsatz: „Ja, Maria, gib mir Deine Sorgen, damit ich sie lindern kann“.

Literatur

Escrivá, J. M. (1983) Kreuzweg, Adamas Verlag, Köln

Kowalska, F. (1987) Divine Mercy in my Soul — Diary, Marian Press

G. Hierzenberger, O. Nedomansky (1993) Erscheinungen und Botschaften der Gottesmutter Maria, Weltbild

Stabat Mater https://de.wikipedia.org/wiki/Stabat_mater

Diese Artikel sind bereits online — — — https://medium.com/@karlmariademolina

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Der Autor

Dr.-Ing. Karl-Maria de Molina hat Ingenieurwissenschaften, Philosophie und Theologie studiert, und in Fahrzeugtechnik promoviert. Er hat Bücher über Automobiltechnik und Arbeitsmethodik geschrieben, und über Arbeitskultur und Kompetenzentwicklung herausgegeben. Er hat mehrere Lehraufträge in deutschen Universitäten; er hält Seminare über Führungskräfteentwicklung; er hat mehrere Unternehmen gegründet, und innovative Produkte entwickelt und vermarktet.

Das notwendige Wissen für diese Artikelreihe hat der Autor erworben durch das Studium der Philosophie und Theologie, durch die tägliche Lektüre des Evangeliums und geistlicher Bücher; durch den täglichen Besuch der Eucharistie; durch die wöchentlichen Gespräche mit dem geistlichen Leiter und durch die Beichte; durch die wöchentliche Teilnahme an Vorträgen über geistliche Themen; durch monatliche Einkehrtage; durch jährliche Exerzitien.

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