So wie Du — Jesus

Karl-Maria de Molina
8 min readMar 11, 2024

Im Laufe unseres Lebens suchen wir uns Menschen, die uns Halt und Orientierung geben. Am Anfang sind die Eltern, nachher Freunde oder gar Sport- oder Musikidole. Wir würden gern so sein wie sie. Hier präsentieren wir das wahre Idol unseres Lebens: Jesus von Nazareth. Dies tun wir anhand seines Wertekodex und seiner Lehre.

Dieser Artikel ist der vierte in der Reihe über unseren Weg zu einer intensiven Beziehung zu Gott. Die anderen drei hießen: Von Gott entführt, gemäß meinem Herzen, Gott allein genügt. Damit begebe ich mich auf ein unerhörtes Unterfangen: „So sein zu wollen, wie Gott“. Ist dies nicht eine Anmaßung? Wie komme ich zu solch einer Idee?

Um dies zu erklären, bediene ich mich einer einfachen Tatsache: wir alle haben in irgendeiner Form Identifikationsfiguren, die unserem Leben Orientierung geben. Diese können Eltern, Freunde oder gar Idole sein. Idole mag negativ klingen. Wer hat nicht in jungen Jahren davon geträumt, so ein Tennisspieler wie Roger Federer oder Skifahrer wie Marcel Hirscher zu sein. Das Tennisturnier Australien Open 2024 gewann der Südtiroler Jannik Sinner. Bei der anschließenden Pressekonferenz erzählte er, dass sein Kindheitsidol Roger war. Das ist ein ganz normales Phänomen. Und dieses möchte in diesem Artikel auf die göttliche Dimension hieven.

Daher ist Idee, Jesus nachahmen zu wollen, nicht neu und auch nicht einmal meine Idee. Es ist Jesus, der uns darum bittet, ihn nachzuahmen: „Lernt von mir, denn ich bin gütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29). Dieser Satz hat zwei Dimensionen: Er fordert uns auf, ihm zu folgen und zeigt uns zugleich den Weg dahin. Beim näheren Hinsehen sind die Predigerjahre Jesu nichts anders, als eine Aufforderung ihm zu nachzufolgen. Und diesmal ist es Lukas (9,23), der uns das Zitat Jesu liefert: “Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach”. Escrivá (2022) hat die Aussage Jesu konkretisiert: „Ich werde nicht aufhören, es zu wiederholen: Um inmitten der Beschäftigungen der Welt mit Christus vereint zu sein, müssen wir das Kreuz mit Großzügigkeit und Anmut annehmen“.

Mit diesen drei Zitaten haben wir belegt, dass Jesus nachzuahmen, kein Gehirngespinst ist, sondern ein klarer Wunsch von ihm selbst. Damit haben wir das „Warum“ der Nachfolge Christi verstanden. Jetzt fehlt das „Wie“, d.h. in welchen Aspekten seines Lebens sollen ihn nachahmen. Um diese Aspekte zu umreißen, werde ich mich fünf Sätze bedienen:

a) „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12)

b) „Er war ihnen (Josef und Maria) untertan“ (Lukas 2,51)

c) „Er hat alles gut getan“ (Mk 7,37)

d) „Ich bin gütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29)

e) „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat“ (Joh 4,34).

Diese Sätze geben uns den Rahmen, um Jesus nachzuahmen. Sie reichen jedoch bei Weitem nicht aus, um Jesus als Person zu beschrieben. Daher habe ich vor Monaten ein Persönlichkeitsprofil über Jesus geschrieben. Nachfolgend wollen wir diese fünf Sätze erläutern.

„Liebt einander, wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12)

In diesem Satz steckt die Kernaussage der Predigten Jesu. Diesen Satz sprach Jesus im Abendmahlsaal während seiner Abschiedsrede. Nur Johannes hat uns diesen Satz überliefert. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass es Jesus bei seinem Kommen auf Erden zwei Hauptanliegen hatte: die Erlösung und die Wiederentdeckung der Liebe. Letztere soll unserem Leben Sinn verleihen. Aber die Liebe, die Jesus predigte, hat es an sich: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen“ (Mt 5,44). Dass Jesus so dachte und handelte, erkennen wir, als er angefeindet worden ist. Bei Lukas (9,53) lesen wir „Aber (in Samarien) nahm man ihn nicht auf. Als die Jünger (Jakobus und Johannes) das sahen, sagten sie Herr, sollen wir befehlen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet? Da wandte sich Jesus um und wies sie zurecht“. Wir können es so formulieren: „Erbarmen ist das Markenzeichen Gottes. Rache ist die Sache des Teufels“. Niemals bedient sich Jesus seiner Allmacht, um seine Feinde (die Pharisäer) zu vernichten.

„Er war ihnen (Josef und Maria) untertan“ (Lukas 2,51)

Nur Lukas hat sich eingehend mit der Kindheitsgeschichte Jesu befasst. Nach der Auffindung Jesu im Tempel könnte man meinen, herrscht „Funkstille“ bei der Heiligen Familie. Aber der obige Satz gibt dem ganzen Ereignis eine neue Wendung. In einem Artikel habe ich ausführlich die Szene im Tempel erklärt (siehe „Der Schlüssel zum Dialog zwischen Jesus und Maria“), daher beschränke ich mich hier auf den Punkt: „untertan“. Jesus, Sohn des allmächtigen Gottes, unterwirft dem Mandat seiner Eltern. Das ist Demut in reinster Form! Nicht nur zu seinem Vater ist er gehorsam, auch zu seinen Eltern. In einer Zeit, wo sich das Gefühl auftut, dass vielmehr Kinder den Eltern sagen wollen, wo es lang geht, gibt uns Jesus dieses Beispiel. Und dieses steht im Einklang mit dem vierten Gebot aus dem Dekalog. Wir lesen bei Matthäus (5,17) “Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin gekommen, um sie zu erfüllen”. Und wieder setzt Jesus für uns die Messlatte sehr hoch! Wir sollen den Gehorsam innerhalb der Familie so leben, wie Jesus es tat.

„Er hat alles gut getan“ (Mk 7,37)

Wenn wir Narzissten fragen würden, wie war deine Leistung heute? Erhielten wir möglicherweise folgende Antwort: „was ich tue, ist immer großartig“! Da ich im beruflichen Umfeld mit einigen Narzissten zu tun habe, erlebe ich solche Sprüche fast täglich. Der obige Satz aus dem Markus-Evangelium verläuft andersherum: Es ist vielmehr das Volk, das nach einem Wunder diesen Satz aufsagt. Jesus erhält nach jedem Wunder vom Volk viel Lob. Es ist jedoch dasselbe Volk, das später vor Pilatus das „kreuzige ihn“ sprechen wird. Sollten wir uns darum bemühen, aus Liebe zu Gott, „alles gut zu tun“, seien wir nicht verwundert, wenn wir kritisiert werden. Wir erinnern uns an den Satz des Lukas “Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach”. Die Mitmenschen sollen wir lieben, aber dies beruht nicht immer auf Gegenseitigkeit. Daher ist es so schwer, dieses „so wie Du — Jesus“ umzusetzen. Die Messlatte, die uns Jesus vorgegeben hat, hängt nach wie vor sehr hoch!

„Ich bin gütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29)

Als Personaldiagnostiker bitte oft ich meine Kunden darum, sich selbst zu beschreiben. Sie tun sich damit schwer, weil wir uns zu wenig kennen. Anders verhält es sich bei Jesus. Er definiert sich über zwei Tugenden: Güte und Demut. Wenn wir ehrlich sind, dürfen wir diese Tugenden als schwierig einstufen. Wer kann von sich sagen: „Ich bin gütig?“. Zugegeben, wir bemühen uns, den Mitmenschen zu helfen, geduldig zu sein usw. Aber der Satz „Ich bin gütig“ stellt wieder die Latte sehr hoch. Gleiches gilt für die Demut. Mir gefällt der Satz „Nur einen demütigen (Menschen) kann man nicht demütigen“. Ich weiß nicht Sie, lieber Leser, liebe Leserin, aber ich habe täglich das Gefühl, gedemütigt worden zu sein. Das Evangelium listet so viele Szenen, wo Jesus brutal gedemütigt wird. Nicht nur während der Passion und Kreuzigung. Sogar ganz am Anfang, als er vom Teufel versucht worden ist. In Matthäus 4,9 lesen wir: „Das alles will ich (der Teufel) dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest“. Wir erinnern, der Teufel war früher ein Engel, d.h. von Gott erschaffen. Oben sticht unten. Aber der Teufel will dies umdrehen. Im Laufe der Predigerjahre wird Jesus ähnliche Szenen mit den Pharisäern erleben. Und die Krönung der Demütigungen erfährt Jesus bei der Verhaftung, beim Verhör durch Herodes und Pilatus, bei den Soldaten und dann bei der Kreuzigung: „Wenn du Gottes Sohn bist, hilf dir selbst und steig herab vom Kreuz“ (Mt 27,40). Er erfährt, demütigende Handlungen. Da er demütig ist, reagiert er gelassen und souverän. Wer kann von sich das behaupten? Ich nicht. Die Messlatte hängt jedes Mal höher, so mein Gefühl.

„Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat“ (Joh 4,34).

Jesus hatte einen klaren Auftrag von seinem Vater erhalten, als er unter uns weilte: Die Erlösung zu vollenden. All sein Tun, war auf dieses Ziel hin geordnet. Dies machte er seinen Eltern in der berühmten Szene bei der Tempelauffindung klar: „wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ (Lukas 2,49). Und später bei den Aposteln als Petrus ihn von der Idee abbringen will, den Martertod zu erleiden: “Da nahm ihn Petrus beiseite und macht ihm Vorwürfe, er sagte: Das soll Gott verhüten. Jesus aber wandte sich um und sagte zu Petrus: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen, denn du hast nicht im Sinn, was Gott will” (Mt 16,22–23). Später erleben wir Jesus im Garten Getsemani: „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe“ (Lk 22,42). Daran erkennen wir, dass der Gehorsam nicht einmal für den Sohn Gottes eine einfache Übung war. Wenn es uns auch schwerfallen sollte, dann wissen wir, dass auch unser „Idol“ Jesus, damit zu kämpfen hatte.

Auch wenn wir hier fünf Sätze durchdekliniert haben, meine ich, dass der letzte Satz alle fünf zusammenfasst. Der Gehorsam zu Gott umfasst die Demut, die Güte, die Liebe zu Gott und zum Nächsten. Wenn wir Maria um einen Rat bitten würden, bekämen den bekannten Spruch aus der Hochzeit zu Cana zu hören: „Was er euch sagt, das tut“ (Joh 2,5). Auch Gott Vater hat uns den gleichen Rat gegeben: „auf ihn sollt ihr hören“ (Mt 17,5). Wir kommen immer wieder zu Ursprung, zu unserem Idol, zu Jesus!

Im Kommentar von Edith Stein (2013) über Johannes vom Kreuz erwähnt sie, dass sich unsere Nähe zu Gott auf zwei Pfeilen stützen soll: Glaube und Vertrauen. Wer kann aber Pate stehen für beide Tugenden? Jesus nicht, da er Gott ist. Aber seine Mutter. Maria ist ein lebendes Beispiel für Glaube und Vertrauen. Als Jesus auf Erden gelebt hat, wusste er, was kommen würde, Maria nicht. Sie musste glauben, dass es Gott richten würde. Sie musste vertrauen, dass alles zum Guten gereichen würde. Und genau dieses ist unser Schicksal. Daher erweitern wir den Titel des Artikels mit dem Zusatz „so wie Du — Maria“.

Als ich meinem Freund Peter über diesen Artikel sprach, erinnerte er mich an das Buch von Thomas von Kempen „Nachfolge Christi“. Das Buch ist ein Klassiker der geistlichen Literatur. Er befasst sich jedoch „nur“ mit Jesus. Gern würde ich deswegen die zwei Tugenden von Maria dazu fügen: Glaube und Vertrauen. Dann wäre das Lebensziel vollständig!

Jetzt sind wir an der Reihe

Mit diesen fünf Sätzen haben wir skizziert, was das Leben Jesu ausmacht. Ein Leben, das wir nachahmen wollen, damit wir uns mit ihm identifizieren können.

Wie schön wäre es, wenn uns die Mutter Gottes über uns sagen könnte: „Du erinnerst mich mit deinen Gedanken und mit deinem Verhalten an meinen Sohn“. Ja. Wie schön wäre es, wenn wir Jesu mit unseren Tugenden so nah kämen, dass er am Ende unseres Lebens sagen könnte: „Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn“ (Mt 24,29). Wir wären dann sehr nah an unser Idol herangekommen und unser Lebensziel erreicht. Bei Johannes (13,1) lesen wir: „Es war vor dem Paschafest. Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen“. Das letztlich auch unsere Berufung: Nach dem Tod zum Vater hinüberzugehen. Damit vollenden wir das „So wie Du — Jesus“.

Literatur

Escrivá, J.M. (2023) Obras Completas, Cartas II, Instituto Histórico, Rialp, Madrid

Stein, E. (2013) Kreuzeswissenschaften — Studie über Johannes von Kreuz, Freiburg, Herder

Diese Artikel sind bereits online — — — https://medium.com/@karlmariademolina

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Der Autor

Dr.-Ing. Karl-Maria de Molina hat Ingenieurwissenschaften, Philosophie und Theologie studiert, und in Fahrzeugtechnik promoviert. Er hat Bücher über Automobiltechnik und Arbeitsmethodik geschrieben, und über Arbeitskultur und Kompetenzentwicklung herausgegeben. Er hat mehrere Lehraufträge in deutschen Universitäten; er hält Seminare über Führungskräfteentwicklung; er hat mehrere Unternehmen gegründet, und innovative Produkte entwickelt und vermarktet.

Das notwendige Wissen für diese Artikelreihe hat der Autor erworben durch das Studium der Philosophie und Theologie, durch die tägliche Lektüre des Evangeliums und geistlicher Bücher; durch den täglichen Besuch der Eucharistie; durch die wöchentlichen Gespräche mit dem geistlichen Leiter und durch die Beichte; durch die wöchentliche Teilnahme an Vorträgen über geistliche Themen; durch monatliche Einkehrtage; durch jährliche Exerzitien.

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